Iran - 1. Teil

17.Oktober 2012 - 30.Oktober 2012

 

„Was, Ihr wollt in den Iran? Ja seid Ihr denn verrückt? Da droht doch Krieg! Ihr werdet als Spione verschleppt! Und alles dort ist so unsicher, man wird Euch überfallen und ausrauben…“

Nun, mit einer dermaßen geballten Ladung guter Ratschläge machen wir uns auf den Weg, das geheimnisvolle Land der Mullahs und der verschleierten Frauen zu entdecken. Zugegeben, wir sind schon etwas angespannt, als wir die Grenzbrücke erreichen, was wird uns dort wohl wirklich erwarten? Doch als uns der erste Grenzposten freundlich winkend in sein Land einfahren lässt, verliert sich die Anspannung sofort. Die gesamte Einreise verläuft überaus korrekt, man hilft uns freundlich durch alle Instanzen, die Fahrzeugkontrollen sind ausgesprochen oberflächlich, eher ein wenig neugierig und jeder Kontrolleur zieht wie selbstverständlich die Schuhe aus, bevor er „Mannis“ Inneres betritt. Alle wünschen uns eine schöne Zeit im Iran. Ein toller Empfang!

„Seid bloß vorsichtig mit den Kontakten zu den Menschen, überall Spitzel, verplappert Euch ja nicht! Ihr wisst ja, was die Medien so alles berichten über die Zustände dort…“

Eines vorweg – auf allen unseren Reisen, und das waren bisher nicht wenige, sind wir noch nie so persönlich empfangen, behandelt und umsorgt worden wie hier! Es ist einfach unglaublich, mit welcher Selbstverständlichkeit die Menschen sich um den Gast in ihrem Land kümmern, sich ehrlich freuen, dass man da ist. Wir werden buchstäblich weitergereicht, jeden Tag erleben wir eine Gastfreundschaft, die uns fast schon peinlich ist, da wir auch keine Gelegenheit bekommen, uns zu revanchieren. Wir werden eingeladen und beschenkt, man diskutiert offen mit uns über die aktuellen nationalen und internationalen Situationen in und um den Iran. „Welcome to Iran“ ist die gängige Begrüßung, „ah, Almani“ zaubert ein Lachen in die Gesichter, „thank you to be our guests“ die Einladung zum Wohlfühlen.

„Und für Conny wird das ganz fürchterlich dort. Sie muss sich verhüllen und darf mit niemandem sprechen und niemanden ansehen. Und niemand nimmt sie wahr, sie wird einfach übersehen als Frau!“

Also, das beantworte ich jetzt mal selbst: Verhüllen muss ich mich hier nicht, einzig der Respekt der hiesigen Gegebenheiten gebietet es, ein Kopftuch zu tragen, das inzwischen aber eher ein modisches Accessoire, denn eine zwanghafte Verhüllung ist. Und so züchtig, wie ich das von den Frauen in der Türkei gelernt habe, trägt das hier fast keine. Somit habe ich dann ab dem zweiten Tag  auch großzügig die Haarsträhnen rausschauen lassen, damit ich nicht als ganz so konservativ auffalle. Das tun inzwischen sehr viele Iranerinnen, denn es ist ihre Art, mutig ihre persönliche Freiheit zu zeigen. Es reicht auch, ein langes Shirt, das über den Hintern reicht, zu tragen. Und die Männer, die mich nicht ansehen dürfen und nicht mit mir sprechen sollen, habe ich bisher noch nicht getroffen. Bisher haben sie alle mein fröhliches Lachen erwidert. Nach diesen wenigen Tagen schon kann ich sagen, dass die Menschen hier einfach toll sind!

Unsere Reisegeschwindigkeit wird nicht wie bisher von Sehenswürdigkeiten, Bergtouren, Wetterkapriolen oder sonstigen alltäglichen Dingen bestimmt, sondern einzig von den Begegnungen mit den Menschen. Wir verbringen mal eben zwei Stunden an der Tankstelle, kurz Brot kaufen oder die Bitte um einen Internetzugang endet bei einer großzügigen Essenseinladung, Man führt uns durch die Stadt, fährt uns voraus bei kompliziert erscheinenden Wegführungen. Die Menschen nehmen sich einfach Zeit für uns! Und es ist wunderschön, dass wir Zeit für die Menschen haben…

Das Leben hier ist für uns unglaublich preiswert. Ein Einkauf auf dem Markt ist mit Centbeträgen erledigt, ein Restaurantbesuch kommt kaum auf drei Euro – für zwei Personen wohlbemerkt. Eintritt in ein historisches Monument? Umgerechnet 12 Cent ist der Standardpreis, da kostet das Topkapi-Serail in Istanbul das Zweihundertfache! Die Krönung allerdings ist das Tanken, für uns in Europa eine tägliche Geldvernichtung. 85 Liter Diesel getankt, drei(!) Euro bezahlt, das sind 3 1/2 Cent der Liter. Das macht richtig Spaß!

Diese extreme Geldentwertung ist für die Menschen hier allerdings ein riesiges Problem, da die Löhne natürlich nicht im richtigen Verhältnis angepasst werden, und somit alles unheimlich teuer wird. Für uns kaum vorstellbar bei den Preisen. So entsteht eine resignierende Unzufriedenheit mit den Lebensumständen, die in unseren vielen Gesprächen durchaus spürbar wird.

Ach ja, Landschaft gibt es auch. Gerade der Norden ist unglaublich wild und ursprünglich. Hier trifft die Arabische auf die Eurasische Platte mit dem Ergebnis, dass ein gigantisches Faltengebirge entstanden ist und dadurch fast jährlich die Menschen von Erdbeben geplagt werden, das letzte erst vor wenigen Wochen. Karg sind diese Berge hier im Landesinneren, ganz im Gegensatz zu der dem Kaspischen Meer zugewandten Seite. Dort wuchert tropische Vegetation die Hänge hinauf, es gedeiht Reis, Palmen schmücken die Straßen und Teeplantagen begrünen weite Flächen. Regen und Nebel sorgen für eine hohe Luftfeuchtigkeit, während auf der anderen Seite heiße Sommer und eiskalte Winter das Leben erschweren. Und nördlich von Teheran ragt das Alborz-Gebirge mit dem Damavand fast 5.700 Meter hoch in den Himmel, es ist die höchste Gebirgsregion westlich des Himalaja und des Pamir.

Dann Teheran – was für eine Riesenstadt! Ungefähr 12 – 15 Millionen Einwohner auf 600 qkm Fläche, unglaublich… Der Verkehr ist gigantisch, die Luft zum Schneiden, und die halbe Stadt scheint uns persönlich willkommen zu heißen. Wir verleben wundervolle Tage mit liebgewonnenen Menschen, werden pausenlos eingeladen und genießen so ein paar ruhige Tage – ausgerechnet in Teheran!

Diese ersten Tage im Iran, sie waren so ausgefüllt von wundervollen Erlebnissen, dass uns oft ganz schwindlig wird von all den bleibenden Eindrücken. Ein solch intensives Reisen haben wir bisher noch nicht erlebt…

Almabtrieb am Sabalan
Küstengebirge am Kaspischen Meer
Küstengebirge am Kaspischen Meer
Fischmarkt in Bandar Ansali
auf dem Fischmarkt in Bandar Ansali
Stauseen und karge Landschaften
ärmliche Lehmdörfer
traumhafte Bergwelt im Alborz-Gebirge
der Damavand, 5671 Meter
Teheran

 

Resümee nach einem halben Jahr auf Achse

Vor gut einem halben Jahr sind wir aus der gutbürgerlichen Vierzimmerwohnung mit Balkon, Garten und Garage umgezogen in die 12 qm unseres „Manni“, seit genau einem halben Jahr sind wir nun „auf Achse“. Diese Entscheidung haben wir bis heute nicht bereut, im Gegenteil, wir können es uns nach wie vor überhaupt nicht vorstellen, diesen Schritt eines Tages wieder rückgängig zu machen.

Viele Fragen haben uns in diesen Monaten erreicht, vor allem, wie wir denn so klar kommen auf engsten Raum, immer auf Tuchfühlung, ohne den so oft beschworenen Freiraum vom Partner, den es zum harmonischeren Miteinander angeblich unbedingt braucht. Denn die von uns gewählte Lebensform ist ja nun nicht unbedingt alltäglich.

Nun, man sollte sich grundsätzlich gut riechen können, denn der Auslauf „indoor“ ist schon sehr übersichtlich. Wir haben problemlos, ohne aufzustehen, von der Sitzgruppe aus Zugriff auf den Kühlschrank, die Laptopschublade, den Weinvorrat oder auch den Abfalleimer. Auf der anderen Seite ist unser „Badezimmer“ so groß, dass wir uns jederzeit gemeinsam dort aufhalten können. Wenn wir wollen. Unser Bett ist so breit, dass wir locker noch jemanden unterbringen könnten. Wollen wir aber nicht, denn ein gewisser Spielraum schadet ja nicht…

Wir haben sogar einen Schuhschrank. Der ist allerdings nur eingeschränkt nutzbar, also kein Platz für High-Heels oder Lackschuhe. Und eine Garderobe. Die platzt jedoch meist aus allen Nähten, denn dort sind neben Regenjacken, Vliesjacken, Hochtourenjacken und was weiß ich alles für Jacken auch noch so Dinge wie Feuerlöscher, Hochtourenzelt, Schmutzwäschesack, Wlan-Antenne, Außenscheinwerfer und sonstiger Krempel hineingestopft. Sonst sind unsere Schränke für Klamotten locker ausreichend, wir haben sowieso viel zu viel Zeugs dabei, denn man zieht meist immer dieselben Sachen an, nämlich die, die nach dem Waschen wieder obenauf liegen.

Wir kommen auch bestens klar ohne einen großen Teil der modernen Haushaltstechnik. Wäsche wird klassisch im Fluss oder im See gewaschen, das Geschirr im Spülbecken. Das Leben ohne Spülmaschine, Mikrowelle, Küchenmaschine, Waschmaschine und Wäschetrockner funktioniert bestens, Klassiker wie Kühlschrank oder Backofen und Herd haben wir natürlich. Nur auf zwei Dinge wollen wir nicht verzichten müssen: Die Tiefkühltruhe für den Vorratseinkauf und den Toaster, denn erst der macht das überall auf dieser Welt zu erstehende Weißbrot tagelang essbar. Ach ja, einen kleinen, aber wirkungsvollen Staubsauger haben wir auch dabei.

Ganz wichtig ist es für uns, dass jeder seinen eigenen Laptop hat, denn so können wir unabhängig voneinander arbeiten und surfen. Einen Fernseher hatten wir früher schon nicht gehabt, der fehlt uns also definitiv nicht. Und Musik haben wir bis heute so gut wie noch nie gehört, denn das Verarbeiten der täglichen Erlebnisse fordert den Geist schon genügend, da braucht es keine weitere Berieselung.

Um auf so engem Raum zurecht zu kommen, bedarf es auch einer gewissen Aufgabenverteilung, sonst funktioniert das nicht. Also, Conny ist zuständig für die Ordnung, die Sauberkeit, den Abwasch, die Wäsche, etc., und ich versuche, ihr dabei nicht im Weg zu sein. Und schon klappt alles bestens… Kochen tun wir gemeinsam, alles rund ums Fahrzeug ist mein Part. Und regelmäßig die Toilette ausleeren und reinigen, das bleibt auch an mir hängen.

Entscheidend für das Gelingen dieser Lebensführung ist eine uneingeschränkte Akzeptanz des Partners so wie er ist, also ein absolutes Verständnis für seine Macken und Eigenheiten. Wenn man wegen jeder Nichtigkeit eine Grundsatzdiskussion vom Zaun brechen würde, wenn man jede Kleinigkeit, die einem gerade nicht in den Kram passt, zu einem Problem aufbauscht  dann ist eine andere Lebensform gesünder – für Beide.

So funktioniert unser tägliches Leben nach wie vor hervorragend, und wir genießen die absolute Freiheit des Unterwegsseins. Und genau so wollten wir immer leben!

Liebe Grüße an alle, die ihr Leben zuhause zu genießen verstehen…

Conny & Tommy

 

Iran  -  2. Teil

31.Oktober 2012 - 11.November 2012

 

Kashan, im Jahre 1857. An der staubigen Kreuzung am Rande der unendlichen Kavir-Wüste sprudelt eine ergiebige Quelle aus dem lehmigen Boden, ein idealer Platz für Karawansereien, die den Handelsreisenden Schutz und Obdach bieten auf ihren beschwerlichen und gefährlichen Wegen. Inmitten der einfachen Lehmbehausungen der von der gnadenlosen Natur gezeichneten Menschen bauen zu Wohlstand gekommene Händler ihre prachtvollen Bürgerhäuser.

Kashan heute. Eine quirlige Kreisstadt mit freundlichen Menschen empfängt den Besucher, lädt ihn ein, an den gemauerte Kanälen mit lauwarmem Quellwasser unweit des Garten Baq-e Fin unter Schatten spendenden Platanen auf traditionelle Weise Platz zu nehmen und sich mit Speis und Trank verwöhnen zu lassen. Gestärkt und ausgeruht locken nun die einstigen, herrschaftlichen Bürgerhäuser hinter unscheinbaren Mauern zum Eintauchen in eine Welt, die noch gar nicht so lange vergangen ist.

Khane-ye Abassin oder Khane-ye Boroudjerdiha, vor allem Khane-ye Tabataba`i zeugen von der Lebensart wohlhabender Familien in damaliger Zeit. Deren Nachkommen bewohnen teilweise noch heute Bereiche dieser mondänen Anlagen, abgeschieden von den interessierten Besuchern unserer Tage. Tiefe Ruhe inmitten orientalischer Geschäftigkeit der staubigen Straßen empfängt den Gast beim Betreten der verwinkelten Innenhöfe und Gemächer, die mit verschwenderisch gestalteter Ornamentik eine märchenhafte Atmosphäre schaffen. Man fühlt die souveräne Art zu Leben.

 

Nicht weit von Kashan, inmitten langer Zeit unbezwingbarer Berge, versteckt sich Abyaneh, ein Dorf, deren Bewohner bis in die heutige Zeit hinein der Lehre Zarathustras treu blieben. Verwinkelte Gassen verbinden die ineinander gebauten Lehmhäuser, die sich unscheinbar an die sich darüber aufbauenden Felswände schmiegen. Die wenigen noch verbliebenen, meist alten Menschen sprechen einen altertümlichen Dialekt, leben abgeschieden von der übrigen Welt. Lange wird diese Idylle wahrscheinlich nicht mehr Bestand haben, denn sie werden sterben und das Dorf wird zu einem Museum werden.

 

Isfahan, im Jahre 1612. Träge wälzt sich der Zayandeh Rud, der lebensspendende Fluss, durch sein steiniges Bett, teilt sich auf, um die 33 Bögen der steinernen Si-o Se Pol, der Brücke in die Südstadt, in das Armenierviertel Jolfa, zu passieren. Bequem liegt Shah Abbas I. auf einem seidenen Diwan auf der von 18 hölzernen Säulen umrahmten Terrasse am Rande des Naqsh-e Jahan, dem „Ebenbild der Welt“, diesem gigantischen Mittelpunkt seiner Residenzstadt und ergötzt sich am sportlichen Wettstreit der Polospieler unter ihm.

Isfahan heute. Es ist der zentrale Punkt des modernen Iran, eine attraktive Wirtschaftsmetropole mit berühmten Universitäten, schicken Einkaufspassagen und unheimlich offenen Menschen. Mittelpunkt ist nach wie vor der heute Meydan-e Imam genannte Platz, der mit seinen Ausmaßen von über einem halben Kilometer Länge und rund 160 Metern Breite auch in unserer Zeit für Staunen sorgt.

Folgt man den Spuren Shah Abbas, dann sind es nicht mehr die Polospieler, die für Leben sorgen, es sind die Händler und Besucher, die Studenten und Passanten, die diesem Platz ein buntes Leben einhauchen. Umsäumt von doppelstöckigen Arkaden, aufgelockert durch ein riesiges Wasserbecken mit lebendigen Fontänen, lädt dieser geschichtsträchtige Ort zu langem Verweilen ein. Der Palast Ali Qapu, gegenüber die Lotfollah-Moschee und an der Südseite die Große Moschee bilden ein unvergessliches Ensemble islamischer Baukunst, beeindrucken durch ihr Präsenz und ihre überschwängliche Ornamentik und Farbenpracht.

Noch ganz geblendet von der Kraft des Platzes taucht man anschließend in den Bazar ein, den man durch das Qeisariyeh-Tor betritt. Sofort ist man gefangen von unzähligen Handwerksbetrieben,  fremdartiges Stimmengewirr fliegt durch die überdachten Gassen, das Klopfen und Hämmern der Silberschmiede und Kupferstecher füllt die winzigen Läden. Farbenfrohe Teppiche und Kelims werden feilgeboten, die Stoffdrucker buhlen um Kundschaft. Exotische Gewürze betören mit ihren fremden Gerüchen unsere Sinne, die mehr und mehr abtauchen in diese unwirklich erscheinende Welt.

Das fröhliche Lachen und Grüßen der Menschen steckt an, beschwingt und unbelästigt von verkaufstüchtigen Händlern streifen wir durch das Labyrinth des viele hundert Jahre alten Gemäuers. Schon zu Zeiten des berühmten Arztes Ibn Sina im 10. Jh. hatte die alte Residenzstadt Weltruhm erlangt. Die wechselvolle Geschichte ließ die Stadt immer weiter wachsen und schöner werden. Davon zeugen auch die zahlreichen Gärten samt ihrer Paläste, wie dem Hasht Behesht oder dem Chetel-Sotun. Grün ist die Stadt, eine Oase inmitten einer trostlosen Hochebene, doch davon bekommt der Besucher auch heute noch nichts mit, wenn er sich schlussendlich inmitten der verschwenderischen Schätze Isfahans niedergelassen hat.

Herrschaftliche Bürgerhäuser in Kashan
in den herrschaftlichen Häusern
Abyaneh
Isfahan, Meydan-e Imam
Isfahan, Stoffdrucker im Bazar
Isfahan, Handwerker und Händler im Bazar
Isfahan, Handwerker und Händler im Bazar
Isfahan, Miniaturmaler im Bazar
Isfahan, Händler im Bazar
Isfahan, Meydan-e Imam

 

Iran  -  3. Teil

12.November 2012 - 25.November 2012

Shiraz, Stadt der Blumen und der Nachtigallen

Unzählige Nomadenstämme besiedeln schon seit Jahrtausenden die Region um die direkt am Fuß hoher Berge liegende Stadt. Reiche Wasservorkommen speisen die bunten Gärten, Palmen und andere exotische Gewächse prägen das Bild. Hier gedeiht die weltbekannte Shiraztraube, deren Verarbeitung zu wundervollem Wein hierzulande allerdings der Vergangenheit angehört.

Shiraz gilt auch als Stadt der Künste. Eine berühmte Bibliothek und vor allem die bekannten Dichter und Poeten Hafis und Sa`di machten die Stadt schon vor 1.000 Jahren zum kulturellen Zentrum. Die Gräber dieser weit über die iranischen Grenzen hinaus bekannten Künstler sind bis in die heutige Zeit beliebte Ausflugsziele der Menschen hier.

Der für fromme Iraner bedeutendste Anziehungspunkt ist allerdings das Mausoleum von Shah Cheraq. Dieses berühmte Heiligengrab beeindruckt vor allem bei Dunkelheit, wenn sich die unzähligen Lichter in den raumhohen Verspiegelungen brechen und die überschwänglich verzierten Kuppeln weithin sichtbar das Stadtbild beherrschen. Auch als Nichtgläubiger kann man sich dieser uns fremden Atmosphäre kaum entziehen und staunt ehrfürchtig über die reichhaltige Ornamentik und Symbolik. Es versteht sich von selbst, dass wir das Fotografierverbot respektieren, wenn auch schweren Herzens…

Die Nomaden kommen heute nur noch gelegentlich in die modern gewordene Stadt, ihr einstiger Bazar hat viel von seiner Ursprünglichkeit verloren. Sie haben sich zurückgezogen in die unendlichen Weiten des Südens und in die unwirtlichen Berge des Zagros.

 

Die geheimnisumwitterte Epoche der Achämeniden

Persepolis! Welch klangvoller Name zeugt vom Zentrum eines Weltreiches, das sich von Griechenland bis nach Indien, vom Kaukasus bis hinunter nach Ägypten erstreckte. Rund 2.500 Jahre sind seitdem vergangen, die damaligen Könige und ihre prunkvollen Bauten im Staub der Geschichte verschwunden.

Doch hier, in den imposanten Überresten ihrer beeindruckenden Palastanlage werden sie wieder lebendig. Darius der Große, Xerxes und Artaxerxes residierten hier nur zu großen Empfängen und Feierlichkeiten, ihre Hauptstadt war Susa. Mächtige Quader aus Sandstein stützen die riesige Terrasse, überlebensgroße Statuen begrüßen uns beim Betreten der Anlage und bis zu 20 Meter hohe Säulen lassen die gigantischen Tempelhallen vor unseren Augen wieder erscheinen. Am eindrucksvollsten jedoch sind die unzähligen, detailgenauen Reliefs, die die damaligen Herrscher und ihre Lebensweisen plastisch darstellen. Babylonische, elamische und altpersische Keilschriften erklären die vergangene Zeit, lösen für die Archäologen so manches Rätsel aus dieser Epoche der Geschichte.

Nicht weit von Persepolis entfernt, in der Felswand von Naqsh-e Rostam, hat man diese Könige in riesigen Felsgräbern hoch über dem Erdboden bestattet, einhundert Jahre bevor Alexander der Große dem Reich der Achämeniden ein Ende setzte und damit sein eigenes Weltreich begründete.

Persepolis verfiel, Sand und Geröll legten einen Mantel des Vergessens über die Überreste der einstmals größten Tempelanlage des mittleren Ostens. Erst vor rund 200 Jahren entdeckten erste Reisende aus Europa die verbliebenen, hoch in den blauen Himmel aufragenden Säulen. Und das Zentrum achämenidischen Lebens wurde wieder erweckt…

 

Iranische Gastfreundschaft

„Achse des Bösen, dunkle Mächte, von der Religion geknechtete Frauen. Fanatische Islamisten, Selbstmordattentäter, Unheil bringende Politik.“

Das Bild des Iran, das uns in Europa vorgegaukelt wird, ist ein Hirngespinst. Ein Hirngespinst machtbesessener Politiker und Wirtschaftsmagnaten. Sie strafen den Iran mit Sanktionen, um seine Führer gefügig zu machen, doch diese treffen nur die Menschen und erschweren ihr alltägliches Leben. Die, die es treffen soll, die trifft es nicht, die lachen darüber.

Unter diesen Voraussetzungen grenzt es an ein Wunder, mit welch unglaublicher Herzlichkeit der Gast und Reisende in diesem Land von seinen Menschen empfangen wird. Mit offenen Armen und Herzen wird man aufgenommen, eingeladen zu bleiben, es wird geholfen, wenn die Notwendigkeit besteht. Und sie ist immer selbstlos, diese Freundlichkeit, nie entsteht der Eindruck, sich einen Vorteil verschaffen zu wollen mit diesem Verhalten, einen Gewinn zu erzielen. Der einzige Gewinn, der zählt, das ist die Freude, die man dabei erfährt.

Nach nun gut fünf Wochen in diesem von unserer Welt geschnittenen, abgestempelten und verteufelten Land wollen wir uns bei diesen tollen Menschen hier für das Verhalten unserer Regierungen entschuldigen, so, wie sie sich für ihre Führer bei uns entschuldigen. Und wir wollen uns bedanken bei Mohsen und Elaheh, Ali und Ahmad, Parvin und Ali, Kamal und Shahin, Mohammad und Fatima, Mehdi und Majid, Reza und Narges, Mahmud und Mina, Elham und Navid, Seyed und Saleh, Bahman und Ali, und all den vielen, vielen anderen, die wir getroffen, kennengelernt und in unser Herz geschlossen haben.

Wenn wir dieses Land verlassen, dann haben wir hier viel gelernt. Und wir werden viel mitnehmen für unser weiteres Leben. Die Menschen im Iran haben uns ein Stückweit verändert. Und dafür sind wir ihnen dankbar.

Wir kommen wieder – ganz bestimmt…

 

Shiraz - in der Nasir ol-Molk-Moschee
Shiraz - Baq-e Narenjestan
Shiraz - Arg-e Karim Khan
Impressionen aus Persepolis
Impressionen aus Persepolis
Impressionen aus Persepolis
Impressionen aus Persepolis
Impressionen aus Persepolis
Impressionen aus Persepolis
Iranische Gastfreundschaft

 

Iran  -  4. Teil

26.November 2012 - 10.Dezember 2012

Historische Höhepunkte am Rande der Wüste

Zwei Wüsten beherrschen den zentralen Bereich des Iran, die Dasht-e-Kavir und die Kavir-e-Lut. Sie gehören zu den trockensten und heißesten Wüsten der Erde, doch an ihrem westlichen Rand liegen in weiten Abständen fruchtbare Oasen , in denen sich die Menschen schon früh niedergelassen und eindrucksvolle Bauwerke hinterlassen haben. Lehm ist das hier vorherrschende Baumaterial, und so ist die auch Altstadt von Yazd vollkommen aus diesem vergänglichen Material erbaut. Unzählige Windtürme sorgen in den unerträglich heißen Sommern für angenehme Kühlung in den von außen unscheinbaren Häusern, während draußen in den Gassen das Leben gänzlich zum Erliegen kommt.

Weiter im Südosten, da liegt die alte Handelsstadt Kerman, berühmt geworden durch ihre charakteristisch gemusterten Teppiche. Der dortige Bazar ist nahezu authentisch geblieben, nur wenig Neuzeitliches stört den Bummel durch die alten Bogengänge zwischen dem Meydane-e Ganj Ali Khan mit seiner kleinen, versteckten Moschee und der großen Freitagsmoschee, dem religiösen Zentrum dieser Region.

Am Fuße schneebedeckter 4.000er schmiegt sich die kleine Stadt Mahan unauffällig in die karge Ebene. Umso auffälliger grüßt schon von Weitem sichtbar das Mausoleum des bekannten Sufimeisters Nureddin Nematollah mit herrlich leuchtenden Farben den herannahenden Reisenden. Doch es ist vor allem der märchenhafte Garten Baq-e Shahzadeh, bei Dunkelheit prächtig beleuchtet, der den späten Besucher begeistert.

Und es ist schließlich die Lehmfestung von Rayen, die zurzeit das Erbe Bams angetreten hat. Beim Betreten der alten Mauern fühlt sich der Reisende um zwei Jahrhunderte zurückversetzt, die Abenteuer der durch die Wüste ziehenden Karawanen werden fast greifbar. Doch es ist still geworden in den bröckelnden Gassen, die Bewohner sind längst umgezogen in moderne und vor allem sichere Häuser.

 

Bam

26.Dezember 2003, vormittags. Das alltägliche Leben in der Stadt und in den umliegenden Dörfern nimmt seinen gewohnten Gang, und in den historischen Gemäuern um die Zitadelle schlendern Besucher durch die schmalen Gassen zwischen den uralten Lehmgebäuden.

Doch plötzlich ist alles anders. In einer riesigen Staubwolke zerbröseln Millionen Tonnen Stein und Lehm, verliert die Gegenwart ihre Zukunft. Als der Staub langsam zu Boden sinkt, haben über 30.000 Menschen binnen weniger Sekunden ihr Leben verloren. Das Entsetzen ist greifbar, das soeben Geschehene jedoch bleibt unbegreiflich.

Fast zehn Jahre sind seit diesen schicksalsträchtigen Sekunden vergangen, doch noch immer gleicht die alte Zitadelle und die ihr zu Füssen liegende Stadt einem Trümmerhaufen, auch wenn die Restaurierungsarbeiten erste Erfolge zeigen. Nur mühsam befreit sich die traumatisierte Bevölkerung von diesem Ereignis, ragen auch in der neueren Stadt immer noch zahlreiche Stahlgerippe wie Mahnmale in den blauen Himmel. Viele der damals Überlebenden sind fortgezogen, konnten nicht mehr bleiben, konnten nicht vergessen.

Die, die blieben, versuchen, ihr geschenktes Leben wieder in den Griff zu bekommen. Bis zum nächsten Beben…

 

Am Persischen Golf

Das Wechselbad der Geschichte spülte so manche Herrscher an diese Gestaden und auch wieder fort. Wilde Piraten  waren die jahrhundertelangen Geiseln der Menschen an den heißen und sandigen Küsten, dann kamen die Portugiesen, Holländer und Engländer, wahrscheinlich auch nicht viel besser. Erst mit dem Öl kam auch eine neue Lebensgrundlage, die Städte wuchsen und ein bescheidener Wohlstand fand sich ein.

Heute erinnert nichts mehr an diese wechselhaften Zeiten. Moderne Hochhäuser und endlose Siedlungen prägen die Städte, der Verkehr tobt laut durch die Straßen. Vor der Küste liegen hunderte Frachtschiffe, um das schwarze Gold aufzunehmen. Einzig die durch das wüstenartige Hinterland ziehenden Kamele oder das tägliche Feilschen auf dem bunten Fischmarkt zeigen, wie es damals gewesen sein könnte…

 

Sicherheit auf Reisen…

Wir stehen direkt vor der alten Zitadelle in Bam, man hat uns erlaubt, innerhalb der Absperrungen, unter den Augen des Nachtwächters, zu parken und zu übernachten. Also richtig gut aufgehoben. Eine zufällig vorbeikommende Zivilstreife der Polizei sieht dies allerdings anders und eskortiert uns schließlich zu einem am Stadtrand liegenden Hotel, damit wir auf dem dortigen Parkplatz sicher die Nacht verbringen können. Dort entwickelt sich dann folgende Diskussion:

P(olizisten): „Also, die deutschen Touristen müssen hier auf dem Hotelparkplatz übernachten, damit wir für ihre Sicherheit garantieren können.“

H(otelmanager): „Einverstanden, das macht dann zehn Dollar für das Parken.“

C(onny) & T(ommy): „Dann wollen wir einen anderen Platz zum Übernachten, denn dafür bezahlen wir keine zehn Dollar. Wir haben kein Problem mit der Sicherheit, das hat die Polizei.“

Jetzt entwickelt sich ein heftiges Gespräch zwischen den Polizisten, deren Chef am Telefon und dem Hotelmanager, jedoch offensichtlich ohne Ergebnis.

H: „Wieviel wärt ihr denn bereit zu bezahlen…?“

C&T: „Nichts, denn wir wollen ja nicht hier parken, das will doch die Polizei…“

Wieder heftiges Telefonat mit dem Polizeichef. Währenddessen klärt uns der Hotelmanager auf:

H: „Also, vor drei Jahren ist ein japanischer Tourist überfallen und erschossen worden, und deshalb müssen alle Touristen rund um die Uhr bewacht und eskortiert werden, damit so etwas nicht wieder passiert.“

C&T: „Ja gut, einverstanden, aber doch nicht auf unser Kosten! Wir bezahlen doch nicht für einen Übernachtungsplatz, den wir gar nicht wollen. Wir hatten doch einen sicheren.“

H, zu den Polizisten: „Dann sorgt doch für einen Platz in den Nähe eurer Wache.“

C&T: „ Ja gut, damit wären wir einverstanden.“

Ein weiteres, heftiges Telefonat mit dem Chef. Geht nicht, kein Platz! Flehende Blicke der Polizisten… Toll, so kurz vor Feierabend zahlungsunwillige Touristen und ein sturer Hotelmanager. Doch plötzlich entspannt sich die Situation, ein Protokoll wird aufgesetzt, unsere Passdaten eingetragen, von den Polizisten und dem Hotelmanager unterschrieben. Alles ist nun gut, wir dürfen hier übernachten und müssen auch nichts bezahlen.

Doch der Spaß ist noch nicht zu Ende.

P: „Wann wollt ihr morgen früh zurück zur Zitadelle. Wir müssen euch nämlich dorthin eskortieren, wegen eurer Sicherheit!“

C&T: „Aber, wir sind doch heute auch schon alleine durch Bam gefahren und haben es überlebt…“

H: „Die müssen das tun, sonst bekommen sie Ärger mit ihrem Chef, wenn man euch ohne Eskorte in Bam entdeckt.“

C&T: „Also gut, sagen wir so gegen 9:00 Uhr, ist das ok?“

Sichtlich erleichtert und äußerst freundlich verabschieden sich die beiden Polizisten, nicht ohne sich für die Unannehmlichkeiten zu entschuldigen. Der Hotelmanager entschuldigt sich für die beiden Polizisten und wir entschuldigen uns jetzt, denn wir haben inzwischen tierischen Hunger.

Und wir werden die Nacht überleben. Ganz sicher…

 

Windtürme in Yasd
Meydan-e Ganj Ali Khan in Kerman
in einer Moschee in Kerman
Mausoleum von Nureddin Nematollah in Mahan
Mausoleum von Nureddin Nematollah in Mahan
Garten Baq-e Shahzadeh in Mahan
Rayen
Rayen
Bam
Bam

 

Fazit Iran

Acht ereignisreiche Wochen waren wir im Iran, diesem im Vorfeld so kritisch gesehenen Land, unterwegs. Nach vielen Gesprächen mit Menschen in allen Landesteilen und vielen sehr persönlichen Einladungen versuchen wir mal, ein reelles Bild vom Iran wiederzugeben.

Die große Weltpolitik isoliert den Iran wirtschaftlich, eine Situation, die dem Verhalten der hiesigen Machthaber geschuldet ist. Doch es leiden die normalen Menschen unter diesen Sanktionen, ihre Einkommen und ihr Erspartes verliert drastisch an Wert. Somit laufen diese zweifelhaften Maßnahmen wieder mal ins Leere, und das Unverständnis gegenüber denen, die sich an diesen Sanktionen beteiligen, ist groß.

Die unglaubliche Gastfreundschaft, die diese Menschen dem Besucher entgegenbringen, irritiert dabei fast, doch es ist für die Menschen hier eine Selbstverständlichkeit, so zu handeln, denn es macht ihnen einfach Spaß, ohne im Gegenzug irgendetwas zu erwarten. Die Freude, einladen zu dürfen, ist echt, und die Spontanität, mit der dies geschieht, ist frappierend. Gibt es Probleme, werden diese sofort angepackt und die daraus resultierende Hilfsbereitschaft kennt wirklich keine Grenzen.

Der Iran ist ein streng islamischer Gottesstaat, heißt es immer wieder. Doch die Moscheen sind fast leer, sieht man mal von Feiertagen ab, das staatlich verordnete Massenbeten gehört längst der Vergangenheit an. Und der Großteil der vor allem städtischen Jugend will nichts mehr davon wissen, ebenso wenig wie die meisten der gebildeten Menschen. Am besten erkennt man diese liberale Entwicklung am Verhalten der jungen Frauen. Das obligatorische Kopftuch wird immer bunter, schwebt lässig gebunden auf der toupierten Frisur und bedeckt dabei kaum die Ohren. Und sie zeigen, wie körperbetont „Frau“ nicht körperbetonende Kleidung tragen kann. Attraktiv sind die meisten sowieso, und betonen dies überwiegend gekonnt aufreizend mit entsprechendem Makeup.

Doch diese äußerliche Veränderung darf nicht täuschen. Die generelle Situation im Iran ist eine sehr Schwierige, Überwachte und massiv Gegängelte. Fehlende wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten und frustrierende Perspektivlosigkeit  bei der Jugend lassen riesige Chancen für das Land verkümmern. Die Unzufriedenheit im ganzen Land wächst unaufhörlich und ist kaum mehr zu verbergen. Und bei rund 50% Arbeitslosigkeit ist das ungeliebte Alkoholverbot eher von Vorteil…

Das trifft besonders auf das Verhalten der Iraner beim Autofahren zu. Denn dabei lernt man das zweite Ich des iranischen Menschen kennen: Rücksichtslos buchstäblich bis zum Anschlag, der Stärkere frisst hier klar den Schwächeren, vor allem den Fußgänger, und planlos in allen verkehrsbedingten Situationen. So kommt es uns als regelgewohnte, mitteleuropäische Autofahren zumindest vor. Doch es rollt, wenn auch auf Kosten einer der höchsten verkehrsbedingten Todesraten der Welt.

Hat man sich aber endlich aus den Stadtgebieten heraus gequält, dann begeistert eine unglaublich vielfältige Landschaft den Reisenden. Palmenstrände und eisgepanzerte Bergriesen, trockene Wüsten und vor Feuchtigkeit triefende Wälder, endlose karge Hochebenen und paradiesische Gärten wechseln sich ab, die Kontraste könnten kaum unterschiedlicher sein in diesem so geschichtsträchtigen Land, geprägt von seinen dutzenden verschiedenen Volksgruppen und Sprachen.

Das Reisen an sich ist in diesem spannenden Land extrem sicher, nie hatten wir ein ungutes Gefühl, nie wurden wir belästigt, jeder Übernachtungsplatz war von einem guten Gefühl geprägt. So können wir einen Besuch dieser Menschen wärmstens empfehlen, um ihnen zu zeigen, dass wir sie nicht vergessen haben, dass sie auf uns zählen können, wenn sie eines fernen Tages die Möglichkeit erkennen und den Mut fassen, sich von der herrschenden Willkür zu befreien und ihr Schicksal in ihre eigenen Hände nehmen zu dürfen. Dabei sollten wir sie unterstützen…

 

Oman  –  1.Teil

12.Dezember 2012 - 23.Dezember 2012

 

Wir schreiben das Jahr 1970(!). Der Oman ist seit über 100 Jahren fast vollständig von der Außenwelt abgeschirmt, unter dem alten Sultan verharrt das Land im Mittelalter. Es gibt kein Radio, kein Fernsehen, nur eine Krankenstation mit 23 Betten kann die höchste Kindersterblichkeitsrate der Welt nicht verhindern. Lediglich drei Knabenschulen vereiteln jegliche Bildung bereits im Ansatz, ganze zehn Kilometer Straße sind geteert, Fahrradfahren oder Sonnenbrillen tragen ist verboten. Die Menschen leben in einfachen Hütten aus Lehm und Palmblättern, Strom und Wasseranschlüsse sind unbekannt.

Doch die Unruhe in der Bevölkerung wächst, märchenhafte Entwicklungen aus den benachbarten Emiraten machen die Runde. Dann stürzt der Sohn den Vater vom Thron und läutet die Neuzeit ein. Aber nicht um jeden Preis. Die Bewahrung der eigenen kulturellen Identität ist oberstes Gebot beim schwierigen Gang von der Vergangenheit in die Moderne. Doch Sultan Qaboos gelingt das Unglaubliche…

Der Oman ist ein in arabischen Traditionen verwurzeltes Land geblieben, aber die Lebensbedingungen haben sich gemäß den Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts verändert. Die einsamen Bergdörfer sind nun mit dem Jeep erreichbar, haben Strom und das Handynetz funktioniert auch noch im hintersten Tal. An der Küste pulsiert das Leben, die Jugend bestimmt immer mehr den Rhythmus des Lebens, trotz Einhaltung der islamischen Werte.

Sultan Qaboos hat jahrzehntelang uneigennützig nahezu alle Erträge der Erdölförderung in seinen Staat reinvestiert, damit ein hervorragendes Bildungssystem und ein funktionierendes Gesundheitswesen geschaffen, die Infrastruktur aufgebaut und das Land geöffnet. Er wird verehrt und geliebt, denn seit über 40 Jahren herrscht Frieden und die positive Entwicklung lässt die Menschen in eine gute Zukunft blicken.

Diese Entwicklung basiert trotz aller Modernisierungen auf den Traditionen der alten Lebensweisen. Die Geschlechtertrennung ist nach wie vor deutlich sicht- und spürbar, Frauen treten in der Öffentlichkeit immer noch nur sehr zurückhaltend auf. Doch sie haben die gleichen Rechte, die Gleichstellung der Frau ist in keinem anderen arabischen Land so klar in der Verfassung verankert. Die Gastfreundschaft ist legendär, die Verantwortung gegenüber dem Gast ist oberstes Gebot, obgleich die arabische Mentalität  eine sehr zurückhaltende ist.

Die Omanis unterscheiden sich deutlich von ihren Nachbarn, den Saudis oder den Emiratis. Sie sind offener, freundlicher, natürlicher, sie gehen auf den Fremden zu, lehnen seine Lebensgewohnheiten nicht ab. Sie sehen in ihren vielen Gastarbeitern aus Indien und Pakistan nicht nur den willigen und billigen Kuli, sondern geben ihm die Chance, sich selbst eine gutbürgerliche Existenz zu schaffen. Und im Gegensatz zu Ihren arabischen Brüdern sind sie durchaus in der Lage, auch selbst zu arbeiten.

Es bleib zu hoffen, dass es Sultan Qaboos gelingt, seine Nachfolge so zu regeln, dass das Land auch in Zukunft diesen gesunden Weg gehen kann…

 

Das Leben in den Bergen

Selma, ein winziger Weiler irgendwo in den schroffen Bergen des Jebel al-Akhar-Gebirges, am Ende einer steinigen und steilen Piste. Tief unten, in einem schmalen Talkessel, in den im Winterhalbjahr kaum ein Sonnenstrahl dringt, zwängen sich ein paar einfache Hütten zwischen die hohen Felsen. Einige wenige, dem kargen Boden abgerungene Terrassenfelder verteilen sich an den schwer zugänglichen Hängen, ein ausgeklügeltes System gemauerter Rinnen bewässert die empfindlichen Pflanzen. Dattelpalmen schützen das zarte Grün, sorgen dabei selbst für die Lebensgrundlage des einzigen noch verbliebenen Bewohners, des alten Said.

Seine Kinder sind mit ihren Familien weggezogen, in die Stadt, um Arbeit zu finden, seine Frau ist vor kurzem gestorben. Doch er will hier nicht weg, es ist sein Leben, auch wenn es ihn hart ankommt, so alleine hier zu sein. Wir sitzen mit ihm auf seiner kleinen Terrasse unter einem selbst zusammengezimmerten Dach aus Palmwedeln, trinken starken arabischen Kaffee und essen klebrige Datteln, die er selbst gezogen hat. Unsere Blicke schweifen über die grünen Kronen dieser so wertvollen Bäume, weit hinaus in die fast unerreichbar scheinenden Täler. Es bedarf keiner Worte, die Szenerie spricht für sich, wir sind ganz eingetaucht in diese fast vergessene Welt.

Als wir aufbrechen, bedankt sich der alte Said bei uns, dass wir uns die Zeit genommen haben, seine Gäste zu sein…

 

Eine kleine Ebene teilt die verwitterten Berge, die staubige Piste schlängelt sich unheimlich steil  zwischen dürre Akazien und herumliegende Felsbrocken zu ihr hinunter. Am Rand der Ebene taucht der hübsche Turm einer unauffälligen Moschee auf, die im Schatten alter Dattelpalmen das Zentrum des Dorfes Al-Hail bildet. Einfache Steinhäuser gruppieren sich zu einer gewachsenen Einheit, Ziegen und Hühner beleben das Bild. Kinder linsen schüchtern hinter Mauerecken hervor, als wir in diese Idylle eindringen, bunt gekleidete Frauen huschen flink in den Schutz ihrer Räume. Wir fühlen uns ein wenig als Störenfriede, doch der Empfang durch die anwesenden Männer ist herzlich, wir werden in ihren Gemeinschaftsraum hereingebeten, Frauen haben hier normalerweise keinen Zutritt. Kaffee und Datteln werden gereicht, erste neugierige Fragen werden gestellt.

Die Frauen und Mädchen haben ihren eigenen Raum, dieser bleibt fremden Männern verwehrt, nur die Ehemänner haben Zutritt. Und natürlich andere Frauen, für Conny eine interessante Gelegenheit, Einblick in deren Welt zu bekommen. Sie dreht sich um die Kinder, die häuslichen Belange – und natürlich um die Männer…

Der Familienverbund ist stark, ist gewachsen, alle leben zusammen, unterstützen sich gegenseitig. Die Familie ist der klare Mittelpunkt des Lebens, von der Geburt bis zum Tod. Gibt es etwas zu tun, etwa Ausbesserungen an der Mauer der Moschee, so hilft das ganze Dorf zusammen. Man zeigt uns die Gärten, die Lebensgrundlage sind sie hier nicht mehr, die Männer haben gute Berufe in der Stadt. Und trotzdem geht das Leben hier seinen traditionellen Gang, trotz Handy und Fernsehen, trotz Geländewagen und Schule für die Kinder. Und sie machen dabei alle einen wirklich zufriedenen Eindruck…

 

Das Leben an der Küste

Wie Perlen auf einer Kette reihen sich Dörfer und Städte aneinander, säumen die weiten Sandstrände. Die flinken Holzboote der Fischer sind jeden Tag draußen, die Netze nach ihrer Rückkehr schwer von den schillernden Leibern verschiedenartigster Fische. Dahinter blühen die Gärten voll exotischer Früchte und Gemüse, Dattelpalmen schützen die wertvollen Pflanzen mit ihren breiten Blätterdächern. Unzählige Forts aus längst vergangener Epoche überragen auch heute noch stolz die Orte mit ihren Palmenhainen.

In den großen Städten pulsiert das wirtschaftliche Leben. Die Männer strahlen eine große Ruhe aus, ihre gestärkten, schneeweißen „dishdashas“ leuchten in der gleißenden Sonne. Es geht ihnen gut, sehr gut. Sie sind erfolgreich, und das ganze Land profitiert davon. Die breiten Straßen sind blitzsauber, von bunten Blumen und exakt zugeschnittenen Büschen gesäumt. Fleißige Inder und Pakistani wuseln ohne Unterlass umher, sorgen für Aufgeräumtheit. Doch auch sie bekommen ein gutes Stück vom Erfolg ab, auch sie haben die Chance, aufzusteigen in den gut situierten Mittelstand.

Das Leben hier hat fast paradiesische Züge, wäre da nicht die mörderische Sommerhitze, die das Leben monatelang lahm legt. Doch die heutige Technik macht auch diese Jahreszeit inzwischen einigermaßen erträglich. So ist alles ein bisschen wie ein modernes orientalisches Märchen aus 1001 Nacht…

 

Balaad Seyd im Al-Jabal al-Akhdar-Gebirge
Said, letzter Bewohner von Selma
Snake-Canyon im Al-Jabal al-Akhdar-Gebirge
Al-Hail, Dorf im Al-Jabal al-Akhdar-Gebirge
Fischer in Ras as-Sawadi
altes Fort in Nakhl
im alten Fort von Nakhl
Fischmarkt in Barka
noble Herrenrunde
Muscat, Hauptstadt des Oman

 

Oman - 2.Teil

24.Dezember 2012 - 3.Januar 2013

Tourismus im Oman

Seit einiger Zeit ist es „in“, in den Oman zu reisen. Und das natürlich bevorzugt um die Weihnachtszeit, wenn die Temperaturen für den gemeinen Europäer erträglich sind. Am beliebtesten sind zweiwöchige Rundreisen, in die dann möglichst das ganze Land gepackt wird, zumindest die touristischen Hot Spots, oder was eine clevere Tourismusindustrie eben dazu auserkoren hat. Und so treffen sich dann Dutzende bleichgesichtige und leicht gehetzt wirkende Rundreiseurlauber mit ihren Tourguides immer wieder an denselben Plätzen, um schnell aus ihren Jeeps auszusteigen, ein wenig herum zu laufen und Fotos zu schießen.

Da man im Oman beschlossen hat, diese Art des „Abenteuertourismus“ zu fördern, entstehen an vormals einsamen Traumbuchten Nobelhotels mit Privatstränden, werden herrlich spannende Gebirgspisten asphaltiert und auch noch das letzte Wadi ausbetoniert. In den einsamen Badebecken der Canyons tummeln sich dann ganze Reisegruppen, junge Frauen flanieren ganz unsensibel in knappen Hotpants durch die Souks und die empfindsamen Meeresschildkröten torkeln traumatisiert über ihre einstmals verborgenen Sandbuchten. Und selbst zwischen den einfach erreichbaren Sanddünen der Wüste ist es nicht mehr leicht, ein ruhiges Plätzchen zu finden, denn hunderte von Möchtegern-Rallye-Paris-Dakar-Helden verspuren jede noch so hohe Düne mit ihren Miet-4x4s, um sich dann abends im klimatisierten Wüstencamp am beleuchteten Pool gegenseitig von ihren Beinaheüberschlägen vorzuschwärmen.

Wir gönnen diesen Menschen ihren tollen Urlaub in diesem sich für diesen Tourismus stark machenden Land. Uns fällt es dagegen oft schwer, den Reiz des Oman zu finden, vor allem jetzt in der Hauptreisezeit, denn er geht dadurch definitiv so langsam verloren. Nur selten gelingt es uns, in die traditionelle Welt der Omanis einzutauchen. Dabei sind es eher die kleinen Zufälle, die uns hierzu die Türen öffnen.

Aber wir wollen nicht zu ungerecht sein, denn dieses Land hat jede Menge schöner Seiten, und es liegt schlicht an uns, dass wir uns erst wieder auf diese Gegebenheiten einstellen müssen. Der Oman ist natürlich (noch) eine Reise wert, die Menschen sind sehr gastfreundlich und freuen sich, dass man ihr Land besucht. Und die schönsten Erlebnisse erreichen uns immer dann, wenn wir den Reiseführer weglegen und einfach links abbiegen. Und so finden wir ihn dann doch noch ab und zu, „unseren“ Oman…

 

Unser 2012

Österreich, Italien, Slowenien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Albanien, Mazedonien, Griechenland, Türkei, Georgien, Armenien, Iran, Arabische Emirate, Oman. Was sich wie eine belanglose Auflistung verschiedener Länder liest, ist in Wirklichkeit der unglaubliche Einstieg in einen komplett neuen Lebensabschnitt.

Vorausgegangen war die sich überraschend gebotene Gelegenheit, schon dieses Jahr zu starten, und als dann in rekordverdächtiger Zeit auch das letzte Möbelstück einen neuen Besitzer gefunden hatte, sitzen wir Anfang April entlastet von tonnenweise angeblich Wichtigem und schlussendlich doch Unnötigem in unserem „Manni“, unserer rollenden Heimstatt für die nächsten Jahre. Nach einer vierwöchigen Abschiedstournee bei unseren Familien und Freunden starten wir wie geplant am ersten Mai in Richtung neues Leben.

Die nun folgenden, acht Monate haben uns verändert, das können wir jetzt schon erkennen. Als nach einigen Wochen, irgendwo in Albanien, das Urlaubsfeeling durch das Lebensreise-Gefühl verdrängt wurde, konnten wir spüren, dass wir ruhiger, gelassener geworden sind. Beim Faktor Zeit, im alltäglichen Hamsterrad zwischen Job und Familie, Bankkredit und Freizeitplanung ein viel zu knappes Gut, können wir plötzlich aus dem Vollen schöpfen. Wir gewöhnen es uns ab, voraus zu planen, wir leben Tag für Tag, intensiv und bewusst.

So bewegen wir uns viel langsamer als anfangs gedacht in Richtung Osten, raus aus Europa. Und mit jedem Kilometer, mit dem wir uns in für uns neue, unbekannte Regionen vorwagen, lernen wir, den unbezahlbaren Wert unserer neuen Lebensweise zu erkennen. Wir nutzen jede sich uns bietende Gelegenheit, den persönlichen Kontakt mit den Menschen um uns herum so intensiv wie möglich zu gestalten, denn nur dadurch lernen wir Neues kennen. Andere Lebensweisen und Traditionen werden so verständlich, die Toleranz gegenüber fremden Kulturen und Religionen bekommt eine ganz andere Chance.

Wir spüren, je weniger die Menschen für das eigene Leben zur Verfügung haben, umso herzlicher ist die grenzenlose Gastfreundschaft, die uns widerfährt. Geld und Besitztum, bei uns in Europa der wichtigste Gradmesser, werden hier eher zum Störfaktor. Nie verspüren wir Neid, obwohl natürlich nicht zu übersehen ist, dass wir über unerreichbare Möglichkeiten verfügen, keine der unzähligen Einladungen wird unterschwellig als eigene Vorteilsnahme benutzt. Es wird beteuert, dass wir nun zur Familie gehören, und dass wir jederzeit willkommen sind, egal, wann und unter welchen Umständen wir wieder kommen.

Immer wieder wurden wir gefragt, welches der von uns bereisten Länder nun das Beste, das Schönste war, wo die Menschen am freundlichsten. Dies zu beantworten, ist eigentlich nicht möglich, denn jedes Land hat seine tollen Seiten. Aber wenn wir so darüber nachdenken, so können wir doch den Iran und seine Menschen ein bisschen hervorheben, denn das, was uns in den acht langen Wochen dort widerfahren ist, sucht dann doch seinesgleichen. Und tagtäglich wurde uns dort vor Augen geführt, wie peinlich und arrogant doch das Verhalten der westlichen Welt ist, wenn es um die Beurteilung ihr fremder Menschen geht.

Nun also 2013. Was wird uns auf unserem weiteren Weg wohl so alles erwarten? Sicher ist, dass wir unseren gefundenen Lebensstil fortsetzen werden, denn er ist die Erfüllung unseres gemeinsamen Daseins, das uns miteinander unglaublich glücklich sein lässt. Tagein, tagaus zu Zweit auf zwölf Quadratmetern, für die Meisten eine Horrorvorstellung, für uns unser Lebenswunsch. Sicher ist auch, dass wir jedes Jahr für einige Wochen zu unseren Familien fahren oder fliegen werden, denn sie sind unser Rückhalt und sie bleiben trotz räumlicher Trennung unser wichtigster Anker. Wir sind in unseren Gedanken immer bei ihnen und dank der modernen Technik auch oft und regelmäßig in Live-Kontakt via Skype und Mail.

Unsere visuellen und schriftlichen Reiseberichte bringen inzwischen vielen Interessierten unsere Welt und ihre Menschen ein Stückchen näher, und zwar so, wie sie wirklich ist, ungeschönt und unzensiert. Wir würden uns freuen, wenn wir dadurch ein wenig mehr Verständnis und Interesse an den Lebensumständen dieser Menschen wecken können. Und vielleicht regen wir auch ein bisschen zum Nachdenken über das eigene Leben an…

Wir wünschen Euch allen, die ihr uns auf unserer Lebensreise begleitet, ein ehrliches und fröhliches neues Jahr, bleibt gesund und genießt Euer Leben, denn ihr habt nur das Eine!

 

Qurayyat
Omans Zukunft
Omans Tradition
im Fort von Ras al-Hadd
im Wadi Bani Khalid
in der Wüste Ramlat al-Wahibah
in der Wüste Ramlat al-Wahibah
Oase von Birkat al-Mauz
Sonnenaufgang über dem Plateau von Sayq
Terrassendörfer im al-Akhdar-Gebirge

 

Oman  -  3.Teil

4.Januar 2013 - 19.Januar 2013

Wir haben uns versöhnt mit dem Oman. Nach den häufig nervigen Erlebnissen mit zu vielen Touristen sind wir nun doch noch angekommen in diesem schönen Land. Für uns war die Umstellung vom Iran zum Oman einfach zu groß, wahrscheinlich hatten wir das dort Erlebte noch nicht verarbeitet und waren einfach noch nicht bereit für Neues.

 

Der Tiermarkt von Nizwa

Jeden Freitagmorgen, meist lange bevor die Sonne sich über die umliegenden Berge schiebt und die Mauern der Altstadt in ein weiches Licht taucht, ist der zentrale Platz vor dem schönen Fort von ängstlichem Geblöke und Gemecker unzähliger Schafe und Ziegen, Rinder und Kälber erfüllt. Von weit her kommen Anbieter und Interessenten, Pickups aus Abu Dhabi und Dubai sind ebenso vertreten wie  aus dem gesamten Oman.

Gegen sieben Uhr geht die Show dann los. Der kreisrunde Versteigerungsplatz unter den Schatten spendenden Palmen ist überfüllt mit Menschen, außen herum sind die angebotenen Tiere angepflockt. Laut anpreisend führen die Verkäufer nun zuerst Schafe und Ziegen immer wieder im Kreis herum, bis ein Interessent durch das Werfen eines kleinen Steines in Richtung des Anbieters signalisiert, dass er das Tier gerne näher begutachten möchte. Sofort führt der Anbieter sein Tier zu dem Interessenten, der nun mit kräftigen Griffen das Tier auf dessen Gesundheit und Allgemeinzustand prüft. Natürlich ist er mit dem ausgerufenen Preis nicht einverstanden, und so beginnt ein heftiger und lautstarker Handel, der meist durch das zustimmende Nicken der im Hintergrund wartenden Frau des Interessenten zum Abschluss kommt. Geldscheine und Tier wechseln bei entsprechender Einigung den Besitzer, der seine widerstrebende Errungenschaft nun seinerseits außerhalb des Rondells anbindet, um es später auf seinen Pickup zu verladen.

Rund zwei Stunden dauert das lautstarke Spektakel, das seit vielen Jahrzehnten unverändert diese Tradition hochhält. Frauen in bunten Gewändern, verborgen hinter geheimnisvollen Gesichtsmasken und Männer im wallenden Weiß ihrer Dishdashas prägen das Geschehen, das konzentriert, aber auch mit viel Spaß jeden Freitagmorgen bestimmt. Anschließend trifft man sich zum arabischen Kaffee unter den Bäumen innerhalb der Altstadt, um über die getätigten Geschäfte zu debattieren und vielleicht noch ein Gewehr oder zumindest einen Khanjar, den omanischen Krummdolch, zu erstehen, bevor es wieder ins heimatliche Dorf zurück geht.

 

Die Forts, mächtige Trutzburgen aus unruhigen Zeiten

Kaum ein anderes Land kann eine solche Dichte an Befestigungsbauwerken vorzeigen wie der Oman. Das zeigt die wichtige, strategische Lage, in der sich das Land schon immer befunden hat. Kriege, Wind und Wetter, und der stete Zahn der Zeit nagten jahrhundertelang so intensiv an den Zeugen der Vergangenheit, dass vielerorts nur noch in sich zusammengefallene Mauern und Lehmklumpen vorhanden waren.

Seit einigen Jahren nun werden diese das Land überziehenden Festungen renoviert, um sie für die Nachwelt zu erhalten und die Geschichte Omans lebendig zu halten. So erheben sich heute die meisten dieser Burgen wieder hoch über den Wipfeln der sie umgebenen Palmenhaine, prägen weithin sichtbar das Ortsbild vieler Städte und Oasen und bilden so den Mittelpunkt historisch gewachsener Siedlungen. In einigen dieser Anlagen zeigen detailverliebte Ausstattungen das damalige Leben nach, kleine Museen lehren Geschichtsbewusstsein.

So tragen diese beeindruckenden Lehmbauten viel dazu bei, dem modernen Oman eine historische Identität zu geben und uns Besuchern ermöglichen sie einen interessanten Einblick in die Vergangenheit.

 

Aflajs, die Lebensadern der Oasen

Seit Jahrtausenden sind sie aus den Gärten Omans nicht mehr wegzudenken. Aus Steinen aufgeschlichtet, aus Ziegeln aufgerichtet, aus Beton gegossen; so haben sie sich im Lauf der Zeiten zwar verändert, das System ist jedoch immer dasselbe geblieben. Dieser weltweit einzigartigen Perfektion von Bewässerungsgräben hat es der Oman zu verdanken, dass seine Gärten blühen, seine Felder Erträge abwerfen und seine Tiere nicht verdursten. Kunstvoll überwinden sie kilometerlange Strecken, effektiv teilen sie sich an ihren Zielen. Sie brauchen keine Maschinen und keine Energie, nur ein wenig Gefälle und eine ausgeklügelte Technik, und schon spenden sie Leben.

 

Musandam

Erst seit einigen Jahren kann man diese einstmals so abgeschiedene Halbinsel über Land besuchen. Die meisten der winzigen Fischerdörfer, die sich tief zwischen steil aufragenden Bergen in den fjordähnlichen Buchten verstecken, sind auch heute noch nur mit dem Boot erreichbar. Eigene Sprachen und Gebräuche haben sich hier im Schatten der Geschichte entwickelt und bis in unsere Zeit gerettet.

Doch auch hier ändern sich langsam die Bedingungen. Strom und Wasserversorgung sind heute gewährleistet, erste Straßen und Pisten überwinden Pässe und Wadis. Und doch bleibt die Ursprünglichkeit in vielen Bereichen unangetastet, zu unnahbar zeigt sich das Land.

Es ist eine ganz eigene Symbiose zwischen dem unruhigen Meer und dem wilden Bergland entstanden. Und das macht diese herbe Landschaft so einzigartig in dieser Region.

 

 

auf dem Tiermarkt in Nizwa
auf dem Tiermarkt in Nizwa
legaler Waffenhandel in Nizwa
das Fort von Bahla
Innenhof im Wohnfort von Jabrin
Wohnraum im Fort von Nizwa
Fort von Yanqul
Falaj im Palmengarten von Misfah
Grand Canyon von Oman am Jebel Shams
unterwegs in Musandam

 

Fazit Oman

Oman – allein der Name klingt nach orientalischem Märchen, nach wogenden Sanddünen, durch die  Kamelkarawanen mit eleganten Schritten zu dattelpalmbestückten Oasen streben, nach verwinkelten Souqs, in deren schmalen Gassen ein exotisches Gemisch aus Weihrauch und fremden Gewürzen wabert. Geheimnisvoll verschleierte Frauen huschen hinter verdeckenden Fenstern, in deren verspieltem Schnitzwerk sich das Licht der heißen Sonne bricht, und weißgewandte Männer lenken souverän die Geschicke des alltäglichen Lebens.

All das findet man tatsächlich auch heute noch im Oman. Doch ist auch hier inzwischen die Moderne eingezogen, statt Kamelen flitzen meistens japanische Pickups zwischen den Dörfern hin und her, die Oasengärten sind längst nicht mehr die Hauptversorgungsquelle der Menschen, einkaufen geht man lieber in klimatisierten Supermärkten, die verschleierten Frauen fahren Auto und sitzen am Computer, nur das mit den weißgewandten Männern hat auch heute noch uneingeschränkte Gültigkeit.

Der Spagat zwischen Tradition und Zukunft gelingt dem Land sehr gut, man findet keine Wolkenkratzer wie in den Emiraten, die jedes urbane Bild neu gestalten, jede Stadt fügt sich gewachsen in ihre natürliche Umgebung ein. Das Leben geht einen sehr beschaulichen Gang, Alltagssorgen sind eigentlich unbekannt, die Versorgung ist perfekt, die Einkommen gut, soziale Probleme werden sofort gelöst.

Doch ein - modernes - orientalisches Märchen? Nicht ganz, denn Vieles geht trotzdem verloren auf dem schnellen Weg in die Zukunft. Aber das stört nur uns, die Reisenden, die mit einer bestimmten Vorstellung hierher kommen. Man setzt ganz bewusst auf den Tourismus, und der verändert ein Land, eine Kultur, eine Tradition immer am nachhaltigsten, das wissen wir alle, die wir aufmerksam unterwegs sind, aus eigener Erfahrung. Bleibt zu hoffen, dass es noch ein Weilchen andauert, das orientalische Märchen…

Das Reisen an sich ist im Oman extrem entspannt. Die Infrastruktur ist perfekt, ein effektives Straßennetz sorgt für stressfreies Fortkommen, riesige Supermärkte verleiten zu übertriebener Vorratshaltung, herrliche Übernachtungsplätze laden zum Verweilen in der Natur oder selbst in den Städten ein. Nie gab es Probleme mit einem Stellplatz, wir waren immer und überall sehr gerne gesehen.

Die Menschen sind überaus freundlich, ständiges Nachfragen nach unserem Befinden und das Angebot, jederzeit bei Problemen sich telefonisch melden zu dürfen zeugen von echtem Interesse, dass es uns immer gut geht. Die Geschlechtertrennung im täglichen Leben verhindert allerdings in der Regel persönliche Einladungen in private Bereiche, nur selten öffnen sich im arabischen Raum diese Türen wirklich. Doch dies tut dem gesellschaftlichen Kontakt keinen Abbruch.

Die Natur zeigt sich für ein Wüstenland überraschend vielfältig. Türkisfarbenes Wasser an kilometerlangen Sandstränden, schroffe Berge, durch die reißende Flüsse weite Wadis und tiefe Canyons gegraben haben, unendlich erscheinende Sanddünen, die sich zu unüberwindbaren Barrieren auftürmen, Palmenoasen, in denen exotische Pflanzen und Früchte üppig gedeihen. Doch manchmal bedrohen gigantische Wassermassen diese paradiesischen Flecken, reißen schmutzige Fluten ganze Landstriche mit sich fort. Es ist also Vorsicht geboten, die Unbeschwertheit kann sich schnell zur Katastrophe wandeln.

Wir waren sehr gerne hier, es war jedoch ein bisschen wie Urlaub, nicht wie zuhause…

 

Vereinigte Arabische Emirate  -  1.Teil

20.Januar 2013 - 4.Februar 2013

Abu Dhabi, Dubai, Sharjah, Ajman, Umm al Qaiman, Ras al Khaimah, Fujeirah

Es waren einmal sieben Beduinenstämme, die vor rund 200 Jahren unter schwierigsten Bedingungen in der Wüste und an den Küsten der südlichen arabischen Halbinsel ums Überleben kämpfen, meist auch gegeneinander. Nach der Vertreibung der Perser und der Portugiesen mit Hilfe der Briten übernahmen diese die Schutzherrschaft, um in erster Linie ihren Seeweg nach Indien zu sichern. Perlentauchen und Piratentum waren die Haupteinnahmequellen, und erst vor ungefähr hundert Jahren war diese Ecke soweit befriedet, dass sich lukrativer Handel entwickeln konnte.

Etwa zur gleichen Zeit wurde in der Wüste von Abu Dhabi Öl gefunden, doch bis dieses gewinnbringend gefördert und verkauft werden konnte, vergingen noch einmal fast fünfzig Jahre. Noch in den Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts gab es in den einzelnen Scheichtümern weder Strom noch brauchbare Straßen, kaum Schulen und keine Krankenhäuser.

Ende der Sechziger zogen sich die Briten endgültig zurück und die Emirate, wie sie inzwischen hießen, mussten sich zu einer Föderation zusammenschließen, um überleben zu können. Denn ausschließlich auf dem Gebiet von Abu Dhabi befindet sich Öl, allerdings in solch Riesenmengen, dass die anderen Emirate unterstützt werden können. Und jetzt explodierte die Entwicklung förmlich. Die neuen Verträge mit den Ölunternehmen sind jetzt so lukrativ, dass die Emirate, die auch heute noch „Familienunternehmen“ sind, Unsummen an Geld erwirtschaften. Doch die Scheichs sind klug, sie stecken nicht alles in ihre eigenen Taschen, sondern fördern ihre Ländereien mit allen Errungenschaften unserer Zeit. Und so leben heute alle, egal ob Angehörige der alteingesessenen Familien, ausländische Unternehmer und deren Mitarbeiter oder auch Hilfskräfte aus Indien und Pakistan, aus Bangladesh und den Philippinen völlig steuerfrei und rundumversorgt in den Boomtowns am Golf.

Natürlich ist trotzdem nicht alles Gold, was glänzt, doch insgesamt kommt das Leben hier diesem Ziel schon bedrohlich nahe. Und so genießen auch wir völlig unbeschwerte Tage am Strand von Dubai, schätzen die absolute Sicherheit vor Ort und die Möglichkeiten, alles zu bekommen, was das Herz begehrt. Wir brauchen diese Relaxphase auch, um die vergangenen, intensiven neun Monate mal in Ruhe zu verarbeiten, damit Kopf und Seele wieder Luft bekommen zum Aufnehmen der kommenden Erlebnisse. Und wir spüren, dass unsere Akkus wieder aufgeladen werden in der frischen Meeresluft und wir schon bald wieder bereit sind für Neues…

 

am Creek in Dubai
am Creek in Dubai
Dubai City
Skyline von Dubai mit Burj al-Arab
Burj Khalifa, mit 828 m das höchste Gebäude der Welt
Wasserspiele am Burj Khalifa
Skyline von Dubai
 

 

Vereinigte Arabische Emirate - 2.Teil / Fazit V.A.E. / Transit Saudi-Arabien

5.Februar 2013 - 21.Februar 2013

 

In den Arabischen Emiraten gibt es, ganz grob unterteilt, eine Dreiklassengesellschaft, die untereinander so gut wie keinen Kontakt hat. In einer nicht ganz ernst gemeinten Darstellung versuchen wir, diese Gesellschaft mal zu charakterisieren. Doch wie immer findet man dabei sicher auch ein Fünkchen Wahrheit…

Der Emirati – auch „Local“ genannt:

Traditionell gekleidet mit gestärkter, schneeweißer Chellabah und der eleganten, typisch arabischen Kopfbedeckung wirkt er mit seiner betonten Lässigkeit und einem leichten Hang zur Arroganz wie ein echter Herrscher. Doch es sind nur die wenigsten derer wirkliche Herrscher, die anderen sind reine Nutznießer einer weiten verwandtschaftlichen Verzweigung über viele Generationen hinweg. Diese fallen dann eher durch konzentriertes Nichtstun auf denn durch aktive Förderung der Gemeinschaft. Vor allem am Abend promeniert der durch Familienzugehörigkeit zu Geld Gekommene gerne und ausgiebig mittels seines italienischen Nobelsportwagens oder seines getunten Range Rovers unablässig die angesagten Meilen in den Cities auf und ab, immer auf der Such nach Menschen, die bewundernd seine Eleganz und seinen Reichtum bestaunen. Wenn er dann irgendwann bemerkt, dass dies eigentlich niemanden wirklich interessiert, liefert er sich bevorzugt mit Schicksalsverwandten innerstädtische „von Ampel zu Ampel“-Rennen, bei denen derjenige den Sieg davonträgt, dem es als erstem gelingt, völlig verängstigte Fußgänger zu Tode zu erschrecken.

Der Expat:

So nennt man gemeinhin den westlichen Ausländer, der hier leben darf, solange er arbeitet. Er hält dieses Land eigentlich am Laufen, denn durch sein Know-How, seinen Fleiß und seinen Willen, in möglichst kurzer Zeit möglichst viel Geld zu verdienen, geht hier wirklich etwas voran. Am liebsten bleibt er unter seinesgleichen, wo sich dann herrlich über die Locals und die im Land herrschenden Ungerechtigkeiten schimpfen lässt. Doch sie alle genießen auf der anderen Seite die wirtschaftlichen Möglichkeiten, die sich hier bieten, auch wenn sie hier immer nur geduldet bleiben, solange sie der Gesellschaft von Nutzen sind. So ergibt sich eine perfekt funktionierende Zweckgemeinschaft, von der beide Seiten profitieren.

Der Gastarbeiter:

Die eigentlichen Helden dieser eigentümlichen Gesellschaft sind jedoch all die kleinen Helferleins, die als billige Zeitarbeiter in Indien, Pakistan, Bangla Desh, den Philippinen, etc. angeheuert werden. Sie leben meist in Wohnheimen und beziehen ein winziges Gehalt, das sie zuhause allerdings zu kleinen Königen macht. Sie sind es, die den achtlos weggeworfenen Dreck aufsammeln, Horden verwöhnter Kinder hüten, Putzen und Bauen, Reparieren und Handeln, und so den ganzen Laden erst überleben lassen. Sie machen rund 80% der Bevölkerung aus und so mancher Local hat insgeheim wahrscheinlich schon Angst, eines Tages seines Landes verwiesen zu werden…

Noch funktioniert dieses Gesellschaftssystem, denn die Klammer des Zusammenhalts ist schlicht Geld. Kommt es allerdings zu einer ernsthaften Krise, so wie 2008 schon einmal geschehen, dann bekommt dieses System schnell unübersehbare Risse. Es bleibt spannend zu beobachten, wie viele Krisen ein solch künstliches System schlussendlich übersteht…

 

Fazit Vereinigte Arabische Emirate

Nun, was soll man sagen, wir verlassen die Arabischen Emirate mit sehr zwiespältigen Gefühlen. Warum?

Man wird nicht warm mit diesem Land, denn es bleibt dem Ausländer verschlossen. Und es ist das erste Mal auf unserer Reise, dass wir uns immer als Ausländer, als nur geduldeter Gast fühlten. Sicher, die Emiratis sind durchweg freundlich zu uns gewesen, wir hatten auch nie Probleme, wochenlang am Strand in Dubai oder auch in Abu Dhabi im Prominentenviertel zu stehen und zu übernachten. Und wir wurden oft angesprochen, nach dem „woher“ und „wohin“. Aber es fehlte das Persönliche, das Herzliche, das wirkliche Interesse. Bei allen ausgesprochenen Einladungen spürten wir, dass sie pro forma waren und deshalb auch nie wirklich zustande kamen.

Anders dagegen die Kontakte mit den sogenannten „Expats“, den „Gastarbeitern“ aus Europa und Amerika. Sie freuten sich, dass wir mit dem eigenen Fahrzeug bis hierher unterwegs sind, und es ergaben sich nette Abende mit interessanten Menschen, die hier seit Jahren leben und arbeiten, und denen es durchweg ebenso ergeht wie uns, sie bleiben geduldete Gäste, mehr nicht.

Landschaftlich bietet dieser Landstrich ebenfalls nichts wirklich Tolles. Vor allem, wenn man vorher im Oman unterwegs war, in den Dünen und den Bergen, in den Wadis und den alten Städten mit ihren traditionellen Bauweisen, dann ist man mit den Emiraten schnell durch. Einzig Boomtown Dubai sticht hier hervor, mit dem höchsten Gebäude der Welt und vielen verrückten Attraktionen der Neuzeit. Doch wirklich spannend ist dies natürlich auch nicht…

Und doch war für uns diese eher ereignislose Zeit sehr wichtig, denn wir konnten das bisher Erlebte, und das war ja fürwahr nicht gerade wenig, mal in Ruhe verarbeiten. So freuen wir uns jetzt wieder richtig auf die Weiterreise, auf neue Erlebnisse mit den Menschen dieser Welt.

 

Transit Saudi-Arabien

Es ist ein riesiges, ein geheimnisvolles Land, das sich ausländischen Besuchern nur sehr zögerlich und sporadisch öffnet. Dies mussten auch wir erfahren, als es uns nur umständlich gelang, zumindest ein Dreitages-Transitvisum zu ergattern. Und das für mehr als 2000 Kilometer…

Da bleibt natürlich nicht viel Zeit für Erlebnisse neben dem Fahren, doch diese wenigen Begegnungen mit den Menschen waren persönlicher als all die oberflächlichen Smalltalks mit den Locals in den Emirates. Vor allem das Zusammentreffen mit Hakem bei der alten Nabatäerstadt Madain Salih gibt uns einen sehr intensiven Einblick in die Lebensumstände der Saudis.

Die Nabatäerstadt selbst ist eine archäologische Sensation. Nahezu 2000 Jahr war sie unbeachtet zwischen den bizarren Felsen des Jabal Al Khuraimat und dem Jabal Ethlib eingebettet und versteckt. Bis vor 30 Jahren lebten sogar noch Menschen im Schatten dieser monumentalen Grabanlagen, bevor die UNESCO das gesamte Gelände zum Weltkulturerbe bestimmte und den Menschen moderne Häuser außerhalb gegeben wurden.

Auf gut Glück haben wir diesen Abstecher gemacht, denn wir wussten, dass es ohne aufwändiges Genehmigungsverfahren eigentlich nicht möglich ist, Zugang zu bekommen. Doch wir hatten wieder mal die Gunst der Stunde nutzen können und einfach die richtigen Leute kennen gelernt.

Alle Menschen in diesem unbekannten Land waren extrem bemüht, uns die Zeit bei ihnen so angenehm und sicher zu machen wir nur irgendwie möglich. Besonders bei den Offiziellen spürte man, dass ihnen der Umgang mit Individualtouristen völlig fremd ist, ihre Unsicherheit war groß. Für uns ist klar, dass wir für unseren nächsten Besuch versuchen werden, ein normales Visum zu bekommen, um mit viel Zeit im Gepäck auch dieses Land intensiv zu bereisen.

 

Skyline Abu Dhabi
Sheikh Zayed Moschee, Abu Dhabi
Sheikh Zayed Moschee, Abu Dhabi
Sheikh Zayed Moschee, Abu Dhabi
unterwegs in Saudi-Arabien
Nabatäerstadt Madain Salih, Saudi-Arabien
Nabatäerstadt Madain Salih, Saudi-Arabien
Nabatäerstadt Madain Salih, Saudi-Arabien
Nabatäerstadt Madain Salih, Saudi-Arabien
Nabatäerstadt Madain Salih, Saudi-Arabien

 

Jordanien  -  1.Teil

22.Februar 2013 - 5.März 2013

Zauberhaftes Wadi Rum

Tief im Süden Jordaniens, zwischen den weiten Ebenen der flachen Steinwüste und der saudischen Grenze, hat die Natur in Jahrmillionen ein spektakuläres Szenario geschaffen. Bis zu tausend Meter hohe, rotbraune Granitberge und Felsen erheben sich majestätisch aus dem spärlich bewachsenen Wüstensand, bilden mit ihren bizarren Formen eine fast unwirklich erscheinende Kulisse.

Ein kleines Dorf schmiegt sich eng an die steilen Wände des Jabal Rum, hier lebt die Mehrzahl der im Tal ansässigen Zalabia-Beduinen, die heute hauptsächlich Touristen in ihren uralten Pickups durch ihre wundervolle Heimat fahren. Wir können dies auf eigene Faust erleben, denn unser „Manni“ packt die vielen sandigen Pisten locker und bringt uns so zu allen phantastischen Plätzen in diesem Gebiet.

Wir können uns kaum sattsehen an den vielfältigen Formationen und Farben der Wüste, finden traumhafte Übernachtungsplätze, die uns durch ihre Exponiertheit unglaubliche Weitblicke eröffnen. Stundenlang sitzen oder wandern wir inmitten dieser Märchenwelt, lassen uns einfangen und verzaubern. Es ist eine Welt ganz nach unserem Geschmack…

 

Verzauberndes Petra

Inmitten einer erodierten Felslandschaft, unsichtbar versteckt hinter hoch aufragenden Bergen, da verbirgt sich ein wahres Wunder längst vergangener Kulturen. Das geheimnisvolle Volk der Nabatäer nutzte vor rund 2000 Jahren den weichen Sandstein, um hunderte gigantische Felsengräber aus den senkrechten Flanken zu meißeln, tausende Wohnhöhlen zu schaffen, mit unzähligen Treppen begehbare Verbindungen zwischen den verschiedenen Ebenen zu schaffen und ein ausgeklügeltes Wasserversorgungssystem zu bauen.

Durch den über zwei Kilometer langen, nur wenige Meter breiten Siq, einem tiefen Canyon, vom Wasser in Jahrmillionen aus dem weichen Gestein geschliffen, betritt man eine unglaubliche Welt. Der schmale Spalt des Siq gibt den Blick frei auf den Khazne Faraun, das Meisterwerk schlechthin. Staunend stehen wir vor diesem filigranen Bauwerk, schlendern dann weiter entlang hoher Fassaden wuchtiger Felsengräber. Das weite Halbrund eines in den Stein gehauenen Theaters füllt den Platz vor uns, von dort fällt der Blick auf die Königswand mit den imposanten Mausoleen nabatäischer Könige. Eine einst prächtige, römische Kolonnade, der Cardo Maximus führt vorbei am Großen Tempel und endet am Temenos-Tor, dem Eingang in den heiligen Bezirk. Der wuchtige Bau des Qasr el Bint Faraun bildet den Mittelpunkt dieses Areals, wiederum umgeben von unzähligen Felsenwohnungen und Grabfassaden.

Ein steiler Treppenweg zeigt den Steig hinauf zum Tempel von Ed Deir, dessen unglaubliche Säulenfassade plötzlich überraschend inmitten dieser Bergwelt auftaucht. Ehrfürchtig verweilen wir eine lange Zeit, lassen den Blick immer wieder hinunter schweifen über die weit unter uns im Talgrund zu erkennenden Königsgräber. Wir wandern hinauf auf den großen Opferplatz, zentral über der Stadt gelegen und erfassen so erst die erstaunliche Ausdehnung des ehemals bewohnten Gebietes. Immer wieder sitzen wir einfach zwischen den roten, violetten und gelblichen Fassaden, die mit ihren von der Natur geschaffenen Maserungen auch dem Lebensgefühl eines Gaudi oder Picasso entsprungen sein könnten.

Petra, das ist die perfekte Symbiose menschlichen Schaffens und dem Spiel der Natur. Bedauerlicherweise geht der Charme des Ganzen ein wenig verloren zwischen hetzenden Touristen und lautstarken Souvenirverkäufern, denn das heutige Petra ist vor allem ein Geschäft. Hat man jedoch die Muse, die ausgetretenen Wege zu verlassen, so wird man den Zugang dann doch noch finden…

 

Bezaubernde Gastfreundschaft

Es sind die verschiedenen Beduinenstämme, die hier im Süden des Landes die Bevölkerungsmehrheit stellen. Seit ehedem ziehen sie mit ihren Tieren zwischen den ihnen bekannten Weidegründen umher, sind aber auch immer öfter sesshaft geworden im Lauf der Zeit. Doch ihr Leben ist hart geblieben, der Boden gibt nicht viel her, dementsprechend karg ist ihr Alltag. Aber ihr Herzen, ihre Seelen, die sind reich, voller Leben. Ihre Tiere bestimmen ihren Lebensrhythmus, natürlich auch die Jahreszeiten.

Wir sind offen für diesen Rhythmus, lassen uns Zeit, um mit ihnen in ihre Welt einzutauchen, süßen Tee zu trinken, über das steinige Land zu schauen. Es bedarf nicht vieler Worte, um die ausstrahlende Gelassenheit zu verspüren, die von ihnen ausgeht. Sie teilen mit uns, was ihre Beutel hergeben, und sei es noch so wenig, denn der Gast ist ihnen heilig. Schnell ist ein kleines Feuer entfacht, der verbeulte und vom Ruß pechschwarz gewordene Teekessel direkt in die Glut gestellt, und schon wenig später wärmt der heiße und zuckersüße Tee den Magen und die Seele. Selbstgebackenes Brot und harter Käse machen die Runde, es reicht aus, den Hunger zu besänftigen.

Meist sitzen wir stumm beieinander, hängen unseren Gedanken nach und fühlen uns ganz nahe den archaischen Abläufen hier draußen…

 

Wadi Rum
Wadi Rum
Wadi Rum
Wadi Rum
Wadi Rum
erster Einblick in die Nabatäerstadt Petra
Khazne Faraun in der Nabatäerstadt Petra
Felsengräber in der Nabatäerstadt Petra
die Natur als Künstler in Petra
Tempel von Ed Deir in Petra

 

Jordanien  –  2.Teil

6.März 2013 - 18.März 2013

Land der Mosaike

Jordaniens Berge sind bunt. Die Vielfalt der hier zu findenden Gesteine animierte schon vor über 2000 Jahren viele Künstler, die Böden von Kirchen und herrschaftlichen Häusern fantasievoll auszuschmücken. Und so entstanden einzigartige Meisterwerke filigraner Handwerkskunst, die Szenen des täglichen Lebens, Tiere und Pflanzen und natürlich sakrale Darstellungen mit Hilfe abertausender, winziger Steinchen zu lebendigen Zeugen der damaligen Zeit werden ließen.

Die wertvollste dieser Arbeiten ist sicherlich die riesige Landkarte des gesamten Vorderen Orients in der Georgskirche von Madaba. Diese einmalige zeitgenössische Darstellung der damaligen Welt ist erstaunlich genau und man erkennt alle wichtigen Städte und Orte der Region. Mittelpunkt ist die Darstellung von Jerusalem mit Bethlehem, Jericho, dem Jordan und dem Toten Meer.

Das Verbot menschlicher und tierischer Darstellungen, die damit auch verbundene Zerstörung vieler dieser herrlichen Werke, beendeten diese Kunst. Die meisten dieser schmuckvollen Intarsien überlebten die letzten 1500 Jahre verborgen unter dem meterhohen Schutt eingestürzter Mauern und ermöglichen es uns heute, das damalige Leben besser nachvollziehen zu können.

 

Land der Kulturen

Der Norden Jordaniens war von alters her ein bevorzugter Platz für die Menschen längst vergessener Epochen, sich hier nieder zu lassen. Edom,  Moab und Ammon hießen die ersten Reiche. Die Israeliten zogen auf ihrem Weg ins gelobte Land hindurch, Assyrer und Babylonier eroberten und zerstörten es. Als schließlich erst die Griechen und dann die Römer die Region  ihren Staatengebilden zufügten, begann eine enorme Bautätigkeit, die sich in einer Vielzahl heute bekannter Ruinenstätten dem interessieren Reisenden zeigt.

Allen voran begeistert hierbei Gerasa, die wichtigste Stadt der römischen Provinz Arabia. Eine außergewöhnlich reichhaltige Bausubstanz, angenehm zurückhaltende Restaurationen und ein Schuss Fantasie erwecken diesen Handelsplatz schnell wieder zum Leben. Man kann das damalige Treiben auf den prachtvollen Straßen zwischen den säulengesäumten Häuserfronten fast spüren, wenn man sich in der milden Sonne an eines der filigran gearbeiteten Friese lehnt und sich Zeit nimmt, in die Vergangenheit einzutauchen.

Aber auch Gadara begeistert, freilich auf eine ganz andere Art und Weise. Zwischen den leuchtenden Farben unzähliger Frühlingsblumen versteckt, möchte diese Stadt Stück für Stück entdeckt werden. Und das gelingt nur mit viel Ruhe. Findet man dann den Zugang, dann wächst vor dem geistigen Auge das damalige Leben aus den Trümmern und formt sich zu einem verständlichen Ganzen.

Die islamischen Eroberer und ein verheerendes Erdbeben beenden diese Epoche, die inzwischen byzantinischen Städte geraten in Vergessenheit. Doch wandelt man heute über die buckligen Pflastersteine, dann erwacht sie wieder, die Geschichte…

 

Land der Natur

Tecktonische Verschiebungen in den Urzeiten der Erdgeschichte schufen einen gigantischen Grabenbruch, der sich bis hinunter nach Ostafrika zieht. Seinen Anfang nimmt er am See Genezareth, von wo aus der Jordan durch das tiefste Tal der Erde seinen Weg zu Toten Meer gefunden hat, das den höchsten Salzgehalt aller Gewässer aufweist und damit jegliches Leben unmöglich macht. Gut 400 Meter unter dem Meeresspiegel ist die Sauerstoffkonzentration so hoch, dass der Sonnenuntergang  farbintensiver erscheint und im Sommer unglaubliche Temperaturen von mehr als 50°C herrschen.

Diese Verschiebungen in der Erdkruste schufen auch riesige Canyons, die quer zum eigentlichen Grabenbruch verlaufen und die hügelige Landschaft markant teilen. Bis zu 800 Meter tief fallen die Ränder hier ab, bilden so natürliche Grenzen zwischen den Regionen und historischen Reichen. Heute verändern Stauseen den Grund dieser enormen Wadis und kühn angelegte Straßen überwinden die Höhenunterschiede.

 

Byzantinische Mosaike in Madaba
Byzantinische Mosaike in Madaba
Ansicht von Jerusalem, St. Georgskirche in Madaba
Jerash/Gerasa
Jerash/Gerasa
Jerash/Gerasa
Umm Qais/Gadara
Umm Qais/Gadara
Sonnenuntergang am Toten Meer
Grand Canyon Wadi Mujib

 

Fazit Jordanien

Ein fataler Blick

 

Auszug aus dem 5.Buch Mose, Deuteronomium 34, 1-8: „Mose stieg aus den Steppen von Moab hinauf auf den Nebo, den Gipfel gegenüber Jericho, und der Herr zeigte ihm das ganze Land. Der Herr sagte zu ihm: Das ist das Land, das ich Abraham, Isaak und Jakob versprochen habe mit dem Schwur: Deinen Nachkommen werde ich es geben.“

Mount Nebo, irgendwann im Jahre 1280 v.C. Der Prophet Moses steht, gestützt auf seinen Hirtenstab, auf dem windumtosten Gipfel und blickt versonnen nach Westen. Dort erkennt er das blaue Band des Jordan, der träge der weithin sichtbaren Wasserfläche des Toten Meeres entgegen fließt, er sieht die Mauern und Türme der Stadt Jericho in der flimmernden Hitze, und er erahnt die aufsteigenden Hügel der Berge am Horizont, die das Ziel seiner Mission darstellen: „Bring das Volk Israels in das gelobte Land“, so lautete der göttliche Auftrag, der ihn und die seinen aus Ägypten fliehen lies.

Und damit begann das Übel, das bis in unsere Zeit keinen Frieden mehr aufkommen lässt in dieser so geschichtsträchtigen Region. Moses erreicht das Ziel nicht mehr, doch Joshua packt die Trompeten aus und stürzt die Mauern von Jericho, er vertreibt die Philister, die Vorfahren der Palästinenser, von ihrem Grund und Boden, und er und seine Nachfolger, allen voran die Könige David und Salomo, knechten das Land mit dem Schwert und dem Feuer.

Auf dieser geschichtlichen Basis begründet das heutige Israel seine fragwürdige Berechtigung, dort zu existieren. Seit der zweiten fatalen Entscheidung vor rund 70 Jahren, als jüdische Politiker unter Absegnung der Amerikaner und Briten den Staat Israel auf palästinensischem Gebiet proklamierten, schwelt hier ein ununterbrochener Krisenherd vor sich hin, der immer wieder mal in einen Krieg ausbricht. Und ein Ende ist nicht abzusehen…

Jordanien leidet unter dieser festgefahrenen Situation besonders. Sicher, das Land hatte als Einziges in der Region nie direkt unter einem Krieg mit dem ungeliebten Nachbarn zu leiden, doch der Verlust der Westbank im Sechstagekrieg brachte eine riesige Welle von Flüchtlingen ins Land, ebenso wie alle nachfolgenden Auseinandersetzungen. Und so besteht die heutige Bevölkerung Jordaniens zu rund 60%(!) aus Flüchtlingen aus Palästina, aus dem Irak, aus dem Libanon und seit Neuestem auch aus Syrien. Für all diese Menschen gibt es keine richtige Zukunft, denn Arbeitsplätze sind rar gesät, denn es gibt keine nennenswerte Industrieproduktion, kein Öl.

Das zweite, ganz große Problem Jordaniens ist das fehlende Wasser. Schon in der Antike musste durch raffinierte Konstruktionen die Trockenheit überlistet werden, doch damals lebten nur einige zehntausend Menschen in diesem Landstrich. Heute sind es bald zehn Millionen, die unter diesem Manko leiden. Pausenlos sieht man die Wasserlaster über das Land fahren, jedes Dorf, jede Beduinensiedlung muss versorgt werden. Wasser ist rationiert, muss teuer verteilt werden.

So ist der überwiegende Teil der Bevölkerung arm. Arm und ohne Perspektiven. Denn durch die immerwährenden Krisen in der Region investiert kein ausländischer Konzern, gibt es keine Zukunft. Weiß man um diese fatalen Situationen, dann verwundert es, wie friedlich und freundlich die Jordanier sind, wie stoisch sie ihr Schicksal meistern. Es bleibt ihnen zu wünschen, dass sich ihr Leben eines Tages verbessern möge…

Anm. d. Verfassers: Diese Zeilen haben nichts mit Antisemitismus zu tun, sie beruhen auf historischen Tatsachen.

 

Palästina  -  1.Teil

19.März 2013 - 30.März 2013

 

Die meisten unserer Leser werden sich wundern, dass wir hier immer von Palästina sprechen und nicht die international übliche Bezeichnung für dieses Land verwenden. Als Freunde der arabischen Nachbarn können und wollen wir uns jedoch nicht mit der Politik dieses Staates identifizieren und verwenden daher den in der arabischen Welt üblichen Namen für diesen Landstrich. Wir möchten allerdings ganz bewusst darauf hinweisen, dass die überwiegende Mehrzahl der Bürger dieses Staates überaus freundlich und das Reisen hier ausgesprochen angenehm ist.

 

Die Einreise

Früher dachte ich ja immer, dass die ehemalige Grenze zur DDR das Nonplusultra der Abschottung ist. Doch gegen das, was hier entlang des Jordan aufgebaut ist, und welchen Prozeduren sich der Reisende unterziehen muss, war das damals ein bisschen wie Kinderkram.

Panzersperren und Schlagbäume bis zum ersten Vorhof. Gut, noch nichts besonderes. Aber Dutzende MG-Träger in Zivil, schon etwas bedrückend. Jeder, auch der letzte Wachmann, mit elektronischem Knopf im Ohr, nichts wird dem Zufall überlassen, keine Sicherheitslücke wird zugelassen.

Dann die überraschend freundliche Begrüßung des persönlichen Sicherheitsoffiziers, auch in Zivil, der nun das zu erwartende Prozedere erklärt. Kernpunkt ist das absolut komplette Entladen des Fahrzeugs mit der Entschuldigung, dass dies eben zu den Sicherheitsbestimmungen gehört und man Verständnis hat, wenn man nun wieder nach Jordanien zurückfahren würde.

Bei einem normalen PKW ist dies eine einigermaßen zumutbare Aktion, bei einem prall gefüllten Expeditions-LKW eine tagesfüllende Aktion. Dies erkennen Gott sei Dank die Jungs dann auch so, großes Glück gehabt! Schlagen einen Deal vor, der von uns natürlich sofort akzeptiert wird. Also nach der Passkontrolle im beladenen Zustand zum Röntgen. Große Ausnahme!  Anschließend dann die Identifikation der Gegenstände, die beim Röntgen nicht eindeutig zu erkennen waren.

Danach folgt eine weitere Fahrzeugkontrolle in einer abgeschotteten Halle, ohne Beisein der Insassen, warum auch immer. Jede dieser Kontrollen ist immer von mehreren, schwer bewaffneten Ziviloffizieren begleitet, Elektrozäune mit Stacheldraht sichern jeden Hof und jede Halle, Kameras überwachen alles. Jegliches Bewegen des Fahrzeug wird persönlich begleitet.

Schlussendlich ist noch eine teure Versicherung für das Fahrzeug abzuschließen, alle Daten werden nochmals registriert, Verabschiedung per Handschlag vom persönlichen Sicherheitsoffizier, nochmals Bedanken für den fairen Deal, eine Endkontrolle vor der Ausfahrt, dann hebt sich die finale Schranke. Keine fünf Stunden später ist man drin im Hochsicherheitstrakt Palästina…

Kann man sich unter solchen Umständen wohlfühlen? Oder sollte man mal darüber nachdenken, ob man am nachbarschaftlichen Verhältnis so langsam etwas ändern müsste?

 

Galiläa

Der weite Blick vom Mount Tabor offenbart die fast schon paradiesische Schönheit dieses lieblichen Landstrichs, des Kernlandes christlichen Glaubens. Hier hat Jesus seine Reise zu den Seelen und Herzen der Menschen begonnen, verbrachte erste Wunder und begründete so eine Religion, deren Anfänge sich hier hinter nahezu jedem Hügel entdecken lassen. Nazareth und Kana`a, Tabgha und Kapernaum, der Berg der Seligpreisungen und die vielen Taufstellen am Jordan sind nur einige dieser Plätze, zeugen von dieser Zeit.

 Jeder noch so kleine Zipfel dieser Region ist effizient bewirtschaftet, mehrere Ernten pro Jahr zeugen von der Kraft des reichen Bodens. Auf den grünen Hügeln drängen sich weiße Häuser zu dicht besiedelten Dörfern und Städten, wir erkennen Nazareth und Tiberias am See Genezareth, der sich in der tiefen Senke des Jordantals versteckt. Dahinter ragen die mit Weinstöcken kultivierten Golanhöhen aus dem Dunst des Horizonts, der im Norden von den immer noch schneebedeckten Flanken des Mount Hermons begrenzt wird. Hinter den bewaldeten Bergrücken von Zefat und Karmi`el schlägt die Brandung des Mittelmeeres an die felsigen und sandigen Küsten, die schon vor Urzeiten von der Festung Akko beschützt wurden. Heute leuchtet vor allem Haifa mit seinen schicken Häusern entlang des Carmelbergs weit hinaus über die Wellen, hinaus in die Zukunft.

Doch was ist die Zukunft? Juden und Christen, Moslems und Drusen, Baha`i-Anhänger und junge Menschen ohne eine ausgeprägte Neigung zu einer bestimmten Religion leben hier oben im Norden Palästinas scheinbar friedlich zusammen, teilen sich das Land und die Orte, leben ihren Glauben, ohne vom Nachbarn behelligt zu werden. Doch dieser Eindruck täuscht, das Paradies hat wackelige Fundamente, die immer wieder mal zum Schwanken gebracht werden. Und dann werden sich die hier lebenden Menschen wieder bewusst, in welch diffiziler Gemeinschaft sie sich befinden.

Die schwer bewaffnete Staatsmacht ist allgegenwärtig, die professionell gesicherten Grenzen zu Syrien und dem Libanon warnen vor Leichtsinn, das Miteinander ist von Misstrauen und Angst bestimmt. Niemand kann sagen, ob sich dies je ändern kann, zu viele Veränderungen wären notwendig. Die Köpfe sind festgefahren, die Herzen verbittert. Dabei könnte es hier tatsächlich ein wenig wie im Paradies sein…

 

See Genezareth mit Mt. Hermon
Mosaik der Brot- und Fischvermehrung
Mosaik in der Kirche der Brot- und Fischvermehrung
Sonnenuntergang am Strand von Achziv
Kreuzfahrerstadt Akko
Baha`i Mausoleum in Haifa
die hängenden Gärten der Baha`i in Haifa
Blick über Galiläa zum Mt. Tabor
auf dem Mt. Tabor
die Verklärungsbasilika auf dem Mt. Tabor

 

Palästina – 2.Teil

31.März 2013 - 11.April 2013

Jerusalem

Seit den fernen Zeiten der Könige David und Salomon, als der erste Tempel der Juden errichtet wurde, umgibt die Stadt zwischen den Hügeln des Kidrontales der Mythos des Besonderen. Daran änderte auch die Zerstörung der Mauern und des Tempels nichts. Zu biblischen Zeiten errang Jerusalem erstmals wichtige religiöse Bedeutung, die jedoch schon bald darauf von den Römern restlos vernichtet wurde. Übrig blieb allein die Westmauer des zweiten Tempels, die bis in unsere Tage das Heiligste für die jüdischen Gläubigen darstellt.

Unglücklicherweise steht auf dem darüber liegenden Tempelberg seit der Eroberung der Stadt durch die islamischen Heere der von denen verehrte Felsendom, dessen leuchtend goldene Kuppel das eigentliche Wahrzeichen Jerusalems darstellt. Hier ballt sich innerhalb weniger Schritte das gewaltigste, religiöse Konfliktpotential der Welt, umringt von einer mächtigen Mauer aus riesigen Quadern.

Zu guter Letzt findet auch das Christentum in all seinen Ablegern hier seinen geistigen Mittelpunkt. Gethsemane-Kirche, Via Dolorosa, Grabeskirche und unzählige weitere heilige Stätten und Kirchen prägen das Bild um Ölberg und Altstadt. So ist das Stadtbild geprägt von Pilgern der drei monotheistischen Religionen, wetteifern Muezzin und Glockengeläut um Aufmerksamkeit und bilden  einen Schmelztiegel von historischer Dimension.

Leider ist das heutige Jerusalem immer noch von den unschönen Begleitumständen dieser 3000 Jahre alten Entwicklung geprägt. So postieren schwerbewaffnete Soldaten an jeder Ecke der Altstadt, riegeln bei Bedarf das muslimische Viertel hermetisch ab, um jegliche Unruhe schon im Keim zu ersticken. Weithin sichtbar teilt eine hohe Mauer palästinensische Wohngebiete vom Stadtbereich ab, um eine bessere Kontrolle zu gewährleisten.

So sitzen wir denn mit sehr gemischten Gefühlen auf dem Ölberg gegenüber der Altstadt, erfahren von unseren palästinensischen Nachbarn - Taxifahrern, Friedhofswärter, Andenkenverkäufern und einfachen Passanten – so manches aus dem frustrierenden und wenig zukunftserhellenden Umständen des täglichen Kampfes mit den Herren des Landes. Jerusalem wird bei aller Historie, bei aller religiösen Ereiferung und auch bei allen Versuchen, kosmopolitisch zu wirken, ein brisanter Schmelztiegel bleiben, wo es nur wenig braucht, um den mühsam festgehaltenen Deckel hinwegzusprengen.

 

Palästinensische Autonomie oder doch nur ein besseres Gefängnis?

Nur ein Flickenteppich ist noch übrig geblieben von der ehemaligen Westbank, Kriege und Siedlungspolitik haben das Staatsgebiet der Palästinenser endgültig  in Einzelteile zerstückelt. An den Hauptstraßen blockieren streng bewachte Checkpoints die Einfahrten in die durch Stacheldrahtzäune abgeriegelten Gebiete, an den Abzweigungen zu den Städten und Dörfer warnen auffällige, rote Warnschilder die jüdische Bevölkerung davor, weiter zu fahren, da ernsthafte Gefahr für deren Leben droht.

„Was, da wollt ihr hinein, das geht doch gar nicht, das ist doch viel zu gefährlich!“ – Solche Warnungen liegen uns in den Ohren, als wir uns aufmachen zum Kloster Mar Saba, das östlich von Bethlehem in den Bergen versteckt liegt. An einer Autowerkstatt fragen wir nach dem Weg, freundlich wird uns weiter geholfen. Im ersten Ort nach den roten Warnschildern halten wir bei einem großen Obst- und Gemüsestand, um uns wieder Mal vernünftig mit Frischem einzudecken. Überrascht von unserem Besuch werden wir erst mal zum Kaffee eingeladen, dazu gibt es süße Melonenstücke. Auf unserer Weiterfahrt winken uns die Kinder immer wieder zu, und so erreichen wir unbeschadet unser Ziel. Dort werden wir von einem überaus netten Wachmann begrüßt, der uns zum Abendessen aus seinem nahegelegenen Dorf frisches Brot und einen von seiner Frau zubereiteten Bohneneintopf bringt. Und am nächsten Morgen hat er schon Frühstück für uns besorgt, obwohl er heute eigentlich seinen freien Tag hat und gar nicht hier sein müsste. Solchermaßen verwöhnt verlassen wir diesen gefährlichen Fleck anschließend wieder, nicht ohne in den Orten, durch die wir fahren, immer wieder zum Anhalten und Tee trinken aufgefordert zu werden.

Natürlich gibt es auch die andere Seite der Medaille: Molotowcocktails werfende Jugendliche, die anschließend erschossen werden, ziellos abgefeuerte Raketen, die vernichtende Gegenschläge auslösen, Demonstrationen, die Gewalt und Hass beschwören. Dann ist es nicht ratsam, sich innerhalb dieser Gebiete zu bewegen, zu leicht könnte man verwechselt werden. Und so wird dieser Konflikt wohl noch ewig schwelen, da man nicht in der Lage scheint, gemeinsam die Ursachen zu bekämpfen und eine friedliche Zukunft zu schaffen.

 

Jerusalem, Gethsemane-Kirche am Ölberg
Jerusalem, Grabeskirche Jesu
Jerusalem, Klagemauer
Jerusalem, orthodoxe Juden an der Klagemauer
Jerusalem, Felsendom
Jerusalem, auf dem Tempelberg
Jerusalem, auf dem Tempelberg
Jerusalem, Al Aqsa Moschee
griechisch-orthodoxes Kloster Mar Saba
Altstadt von Jaffa

 

Fazit Palästina

Tagelang habe ich mir den Kopf zerbrochen, um nicht der Gefahr zu erliegen, vielleicht ungerecht zu urteilen über ein Land und seine Menschen, das zerrissener nicht sein könnte. Doch es fällt mir unheimlich schwer, die passenden Worte zu finden.

Palästina ist ein Landstrich, der seit Jahrtausenden zum Spielball der jeweils Mächtigen wurde, angefangen von den Ägyptern und den Babyloniern, den Griechen und Römern, bis hin zu den islamischen Eroberungsheeren, den Osmanen, den Briten und schlussendlich den Juden. Und das ist der Grund, warum es bis in unsere Tage nie einen dauerhaften Frieden zwischen den hier lebenden Völkern gegeben hat und auch nicht geben wird, denn immer ist einer der Herr und der andere der Unterdrückte.

Die Menschen hier sind geprägt von dieser Situation, sie erscheinen meist misstrauisch, verschlossen, zuweilen arrogant. Sie schützen sich mit diesen Masken vor den jeweils Anderen, untereinander funktioniert es natürlich besser. Doch genau hier fangen die Probleme an, denn Toleranz und Akzeptanz für Andersdenkende und Andersgläubige ist das große Defizit. Und das betrifft sie alle, Juden wie Palästinenser.

Aufgeputscht von Eiferern die Einen und verfangen in der eigenen, passend zurechtgeschnittenen Geschichte die Anderen stehen sie sich unversöhnlich gegenüber, denn auch der in großen Teilen scheinbar funktionierende, gemeinsame Alltag ist bei näherem Hinsehen nur notdürftig unter dem Deckel eines brodelnden Topfes gehalten, der bei kleinsten Unregelmäßigkeiten überkochen kann. Und dann gibt es wieder Tote und Verletzte, werden Raketen geschickt und Bomben gelegt, und jeglicher Versuch der Annäherung ist wieder im Ansatz erstickt.

So taumelten wir ein wenig benommen durch das Land, befremdet von der Vielzahl der waffentragenden Menschen und eingeengt von Stacheldrahtzäunen und weltfremden Ansichten.

Dies hier ist auch der Landstrich, von dem aus die drei großen monotheistischen Religionen ihren Anfang nahmen, doch wenn man deren Gebote liest, die den verschiedenen Propheten für die Menschheit mit auf den Weg gegeben wurden, dann müssen wir leider feststellen, dass diese scheinbar niemand hier in ihren Kernaussagen verstanden hat. Schlimmer noch, es wird munter im Namen des jeweiligen Gottes getötet, gebrandschatzt und zerstört. Und so ist es fast eine Farce, die vielen betenden und pilgernden Menschen zu sehen, wie sie den Weg ihres Gottes zu finden versuchen und dabei die knallharte Gegenwart geflissentlich übersehen.

Nach drei Wochen sind wir froh, das Land verlassen zu dürfen, das ist uns bisher noch nie passiert…

 

Türkei, Griechenland

12.April 2013 - 23.April 2013

Türkei

Danke…

Tief im Inneren der alten Fähre wummern die Motoren gleichmäßig vor sich hin, bringen uns langsam vorbei am kriegsgeplagten Syrien. Wir lümmeln auf den Plastiksitzen einer halbrunden Bank und überlegen uns gerade, auf welchen dieser allesamt unbequem erscheinenden Möbel um uns herum wir die kommende Nacht möglichst ohne Wirbelsäulenschaden halbwegs entspannt überstehen werden.

Vier türkische Lastwagenfahrer sprechen uns an, die „Unterhaltung“ ist ein Mischmasch aus türkisch, englischen Bruchstücken, sowie Händen und Füssen. Nach dem Woher und Wohin ein unglaubliches Angebot:

„Habt ihr eine Kabine?“ – „Nein, wir schlafen hier auf den Bänken.“ – „Da kann man doch nicht schlafen!“ – „Naja, toll ist es nicht, aber wir werden die Nacht schon rumbringen. Ist ja nicht so lang…“

Es folgt ein kurzes Gespräch der Trucker untereinander, dann:

„Nix da, ihr bekommt unsere Kabine, da könnt ihr duschen, habt eine eigene Toilette, und könnt vernünftig schlafen.“ – „Aber, das geht doch nicht, nein, nein, das machen wir nicht, das ist doch eure Kabine…“ – „Papperlapapp, zwei von uns haben eine Viermannkabine, dahin ziehen mein Kollege und ich um, und dann nehmt ihr unsere Kabine.“ – „Aber das ist doch viel zu eng für euch, und ihr habt doch dafür bezahlt…“ – „Quatsch nicht, komm mit, sieh es dir an…“

Sie zeigen mir erst die Zweibettkabine, packen dabei ihre bereits ausgebreiteten Sachen wieder ein und wir gehen gemeinsam zur Viermannkabine. Die ist für vier ausgewachsene Trucker nun wirklich eher eine Folterkammer, doch ehe ich weiter protestieren kann, habe ich bereits den Kabinenschlüssel in der Hand.

„So, und jetzt gute Nacht, aber verrate niemandem von der Crew etwas.“ – „Nein, nein, ich gebe euch den Schüssel morgen früh unauffällig, es wird niemand etwas davon erfahren.“

Fassungslos von so viel spontaner Hilfsbereitschaft gehe ich zurück zu Conny, um ihr von diesen tollen Menschen zu erzählen, wobei ihr vor lauter Rührung die Tränen kommen. Als wir uns bei den Jungs später nochmal bedanken, winken sie nur unwirsch ab…

 

Schade…

Bucht an Bucht, meist nur über holprige Sandsträßchen erreichbar, säumt die weitgehend unberührte Küste. Glasklares Wasser plätschert sanft über runde Kiesel, muntere Wellen verlieren sich an feinsandigen Stränden. Vergessene Reste längst untergegangener Kulturen liegen versteckt zwischen uralten Olivenbäumen, sind überwuchert von bunten Blumenteppichen, Eichechsen huschen über zerborstene Säulen. Hin und wieder stößt man auf ein winziges Dorf, wo alte Frauen im Schatten knorriger Pinien sticken und auf ihre Söhne warten, die mit den Herden auf den kargen Hügeln unterwegs sind, während die Männer die Netze für die nächste Ausfahrt präparieren.

Kurze 30 Jahre sind seit damals vergangen, fast im Zeitraffer hat sich das Bild seither gewandelt. Auf vierspurigen Schnellstraßen düst der Verkehr um Neubausiedlungen, die mit ihrer durchgehenden Bebauung die Küstenlinie verschwinden lassen. Hässliche Hochhausfassaden verschandeln ganze Landstriche, die für die explodierte Bevölkerungszunahme notwendige Infrastruktur gibt der geplagten Natur den Rest. Blinkende Neonlichter erhellen die Gassen, die einfachen Lokantas sind längst angesagten Restaurants gewichen.

Die Türkei ist modern geworden, zumindest vordergründig. Vor allem hier im Westen und im Süden, entlang der Küste. Nur selten hört man noch den klagenden Ruf eines Esels oder das kollektive Blöken grasender Schafe, die Alltagsgeräusche sind längst untergegangen im Dröhnen der LKW`s, deren Staubfahnen einen traurigen Schatten auf die Relikte der Vergangenheit legen…

 

Griechenland

Und nochmal Danke…

Ein plötzliches Schlagen von Metall auf Metall reißt uns aus der Lethargie des Dahingleitens auf der Schnellstraße. Der sofortige Stopp zeigt uns das Malheur, der Auspuff ist komplett abgerissen, warum auch immer. Der Zufall lässt dies fast vor den Toren einer Landmaschinenwerkstatt passieren, deren Chef sich unser sofort annimmt, als ich unter „Manni“ hervorgekrochen komme:

„Probleme?“ – „Ja, der Auspuff ist ab, gibt es hier in der Nähe eine MAN-Werkstatt?“ – „Ja, da vorne, aber das kriegen wir hier auch hin. Wir müssen nur noch schnell das Gerät hier fertig machen.“ – „Ok, alles klar, super…“

Sechs(!) Stunden später ist die Landmaschine endlich startbereit und wir ziemlich angesäuert. Hätte er uns ja sagen können, dass sich das solange hinzieht. Doch nun geht es ruckzuck, und schon eine halbe Stunde später ist alles fachmännisch geschweißt und montiert.

„So, das hält jetzt ewig, gute Fahrt, und Entschuldigung, dass ihr solange habt warten müssen.“ – „Ach was, ist schon ok, Hauptsache, es hält jetzt wieder. Was kriegst Du denn für die Reparatur?“ – „Vergiss es, für eine solche Kleinigkeit nehmen wir kein Geld. Wollt ihr noch einen Kaffee…?“

 

Burg von Kizkalesi
Ruinen von Anamurium
Ruinen von Anamurium
Bucht von Antalya
Übernachtungsplatz bei Ayvalik
Sonnenaufgang am Mittelmeer

 

Ein Jahr auf Tour – ein erstes Fazit…

Wir sind wieder zuhause, zumindest vorübergehend. Vor genau einem Jahr, am 01. Mai 2012, starteten wir unseren „Manni“ zum ersten Mal im Rahmen unserer Lebensreise. Dieses erste Jahr, das wir unter das Motto „wir üben Weltreise“ stellten, sollte uns zeigen, ob wir mit unserer Entscheidung, alles in Deutschland aufzulösen, richtig lagen. Denn in der Theorie ist ja meist alles ganz toll, doch in der alltäglichen Praxis stellt sich dann so manches als nicht erreichbares Wunschdenken heraus.

Nach diesem Jahr, das gespickt war mit wundervollen Erlebnissen, geprägt von Begegnungen mit einzigartigen Menschen, und einem intensiven Miteinander, wie es zuhause im Alltag nie sein kann, können wir uneingeschränkt ja sagen zu unserer damaligen Entscheidung. Es ist genau die Art zu leben, die wir uns immer erträumt haben, und wir sind glücklich, das Privileg zu haben, dies in einem solchen Umfang genießen zu dürfen.

Mit „Manni“ haben wir das optimale Fahrzeug für unsere Leben auf Achse. Bisher gab es keine technischen Probleme und er ist wendig genug für schmale Bergepfade, kräftig genug für schwierige Passagen und komfortabel genug für lange Strecken. Wir sind zusammengewachsen zu einer perfekt funktionierenden Einheit und genießen unsere gemeinsamen Kilometer.

Die Raumaufteilung im Wohnkoffer hat sich für unsere Bedürfnisse bestens bewährt, wir fühlen uns pudelwohl und vermissen keinen einzigen der in der Vergangenheit gewohnten Quadratmeter Wohnfläche. Die Wasservorräte sind angenehm großzügig bemessen, die Solarzellen laden genügend Energie für den Betrieb der elektronischen Geräte wie Tiefkühltruhe oder Kühlschrank.

Die Schäden hielten sich in vertretbaren Grenzen. Der Ausfall der Heizung war sicher das lästigste Manko. Die Halterung der Außentreppe erwies sich in der Praxis als untauglich, das müssen wir verändern. Der Ausfall der Dieselpumpe zwischen den Tanks war nicht wirklich ein Problem. Der hintere, rechte Außenstaukasten hat sich bei einer allzu heftigen Geländefahrt verzogen, konnte aber wieder behoben werden. Der Abriss eines Reifenventils war schlussendlich auch kein Drama. Der von einem anderen LKW abgefahrene Außenspiegel war nicht weiter notwendig, der Zweite reicht aus. Und der abgerissene Auspuff konnte wieder fachmännisch angeschweißt werden. Diverse Risse in Fensterrahmen und Dichtungsgummis werden wir kitten, nur die unzähligen Kratzer von den Fahrten durchs Unterholz werden als Erinnerung bleiben….

Für die meisten Menschen sicher die größte Herausforderung, für uns der gelebte Traum – 24 Stunden rund um die Uhr immer zusammen zu sein. Wir genießen dieses Leben nach wie vor jeden Tag, ohne Streit, ohne Stress, ohne ein böses Wort. Wir kennen und respektieren die gegenseitigen Schwächen, versuchen nie, den anderen zu verbessern oder zu verändern, jeder darf so sein, wie er ist. Diese allgegenwärtige Nähe ist für uns nicht erdrückend, sondern sie ist eine wundervolle Lebenssituation.

Unser Alltag ist auch geprägt von klaren Aufgaben, von Pflichten, die notwendig sind, damit das Ganze reibungslos funktioniert. Dazu gehört, unseren kleinen Wohnraum penibel sauber zu halten, die Wäsche im Griff zu haben, „Manni“ regelmäßig zu kontrollieren, unsere Homepage regelmäßig zu aktualisieren und vor allem uns selbst so zu pflegen wie wir es gewohnt sind und auch voneinander erwarten.

Die Umsetzung unseres Traumes ist natürlich nur möglich mittels eines gewissen finanziellen Backgrounds. Der ist jedoch sehr eng bemessen und es bedarf einer genauen Buchführung, um nicht den Überblick über die Ausgaben zu verlieren. Unser monatliches Budget für die Kosten unterwegs beträgt € 1.200, mehr haben wir nicht zur Verfügung. Davon müssen alle Bedürfnisse des täglichen Lebens gedeckt werden, darüber hinaus muss davon der benötigte Diesel, Fährkosten, Reparaturen, Visas, Kleidung und was sonst noch so anfällt, beglichen werden. Bisher sind wir sogar mit rund € 1.100 monatlich ausgekommen, allerdings sind unsere Versicherungen in diesem Etat noch nicht berücksichtigt.

Wir wurden oft gefragt – „kann denn das jeder machen, so ein Leben auf Weltreise?“ Klare Antwort – nein! In erster Linie ist es eine Kopfsache, es muss ein Lebenstraum sein, sonst funktioniert es nicht. Mal eben losfahren, das geht so sicher nicht. Das muss man wirklich wollen, das kann man nicht lernen. Aber man kann hinein wachsen. In zweiter Linie ist die wirtschaftliche Möglichkeit der Umsetzung ein ganz entscheidender Punkt. Und dabei ist es gleichgültig, ob man zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit einem Expeditions-LKW unterwegs ist. Das Geld muss reichen, um vernünftig leben zu können, sonst macht es schnell einen Spaß mehr, ganz sicher.

Nun werden wir einige Wochen zuhause mit unseren Familien und Freunden verbringen, die sich alle schon riesig auf uns freuen – ein gutes Gefühl. Denn auch für sie war es eine enorme Umstellung und Gewöhnung, dass wir plötzlich nicht mehr ums Eck wohnen. Gut wir haben regelmäßig Kontakt über Skype oder über Mail, aber das ist eben doch etwas anderes, als mal eben rum zu kommen. Doch auch hier hilft schlussendlich die Gewöhnung an die neue Situation. Wir haben viele Menschen unterwegs kennen gelernt, die aus beruflichen oder persönlichen Beweggründen in anderen Ländern, in anderen Kontinenten leben als ihre Familien. Die fortscheitende Globalisierung der Lebensmöglichkeiten macht auch hier nicht Halt.

Ende Juni werden wir „Manni“ wieder starten, und dann heißt es endgültig -  „wir sind auf Weltreise!“ Dann werden wir jedes Jahr für einige Wochen mit dem Flieger nach Hause kommen, während „Manni“ einstweilen an einem sicheren Platz auf uns warten wird. Und dann kehren wir zu ihm zurück und leben unseren gemeinsamen Traum weiter…

Wir freuen uns, wenn ihr uns auch in Zukunft zumindest virtuell über unsere Homepage begleitet, und wir freuen uns ganz besonders über Euer Feedback zu unseren Berichten und Fotos und Eure Eintragungen in unser Gästebuch, denn nicht nur wir sind für Euch alle weit weg, sondern ihr alle auch für uns. Und jeder Kontakt mit Euch ist für uns auch ein Stück zuhause…