Marokko 2011
Impressionen aus dem nördlichen Afrika
Eine Reise zwischen Atlas und Atlantik
Unsere diesjährige Reise führt uns nach Marokko. Das Land am nordwestlichen Rand Afrikas bietet eine landschaftlich unglaubliche Vielfalt und eine reiche kulturelle Vergangenheit. Kurz vor unserer Abreise erschüttert das Attentat von Marrakech die Öffentlichkeit zusätzlich zu den Unruhen in anderen arabischen Staaten und ließ unser Umfeld an unserer Geisteshaltung zweifeln, ausgerechnet jetzt dorthin zu fahren. Doch Marokko ist anders…
20.05. – Bad Tölz/Ellbach – Sterzing – 170 km
„Manni“ steht voll bepackt auf dem Hof und scharrt ungeduldig mit seinen dicken Michelins tiefe Löcher in den Boden. Wir können es kaum erwarten, endlich wieder auf große Fahrt zu gehen. Am Nachmittag geht`s los! Vorbei am Achensee, hinunter ins Inntal und via Innsbruck über den Brenner nach Sterzing - ein gemütlicher Auftakt bringt uns in drei Stunden nach Südtirol. Im Schatten eines alten Stadels übernachten wir das erste Mal auf unserer diesjährigen Reise.
21.05. – Sterzing – Livorno – 525 km
Die Fähre erwartet uns heute Abend in Livorno, deshalb rollen wir ohne große Pausen gen Süden. Vorbei an Bozen und Verona, an Modena und Bologna und über den Apennin hinunter nach Florenz bringt uns die Autostrada zügig unserem Ziel entgegen. Wir finden unser Schiff trotz italienischer Organisation und sind von einem Moment auf den anderen in Afrika – abenteuerlich aufgepackte Transporter trotzen jeglicher Physik und schwanken an Bord der „Ikarus Palace“, arabisches Stimmengewirr fängt uns ein, erste Kontakte werden geknüpft. Gegen acht Uhr ist „Manni“ sicher verstaut und wir beziehen unsere Kabine, in der wir die nächsten drei Nächte verbringen müssen.
22.05. – Fähre
Es soll ja Menschen geben, die finden Kreuzfahrten ganz toll… Nun gut, es zieht sich. Ringsum Wasser, sonst nichts. Abends gibt es dann endlich Abwechslung, wir legen in Barcelona an. Die Einfahrt in den Hafen der katalonischen Hauptstadt ist wirklich schön und wir genießen die Stunden der Abendstimmung entlang der Skyline.
23.05. - Fähre
Wasser, sonst nichts…
24.05. – Tanger Med – Chefchaouen – 160 km
Land in Sicht! Rechts von uns taucht der Felsen von Gibraltar aus dem Dunst auf, und links von uns künden die „Säulen des Herkules“ den afrikanischen Kontinent an. Es ist immer wieder faszinierend, diese Meerenge zwischen Europa und Afrika zu passieren, die einzige Stelle, von der aus diese beiden Kontinente gleichzeitig zu sehen sind. Wir werden begleitet von Delphinschwärmen und schon bald taucht der neue Hafen Tanger Med am Horizont auf, eine der größten Hafenanlagen Afrikas, vor kurzen neu erbaut an der Nordküste Marokkos zwischen Tanger und Ceuta. Die Einreise gestaltet sich sensationell entspannt für afrikanische Verhältnisse, wer das Einreiseprozedere von früher kennt, glaubt es kaum – ruckzuck sind die nötigen Stempel besorgt, eine Fahrzeugkontrolle findet überhaupt nicht statt – was ist hier los?
Uns soll es natürlich recht sein, so können wir unsere umfangreichen Weinvorräte ganz entspannt einführen und uns gemütlich auf den Weg nach Chefchaouen machen, unserem heutigen Tagesziel. Wir fahren auf der alten Nationalstraße nach Tetouan, vorbei an neu erbauten Hotelresorts, dem königlichen Feriendomizil und uniformen Wohneinheiten der marokkanischen Neuzeit. Ein „Marjane“ Supermarkt bringt uns nochmal kurz nach Europa zurück, doch eigentlich wollen wir da ja gar nicht mehr hin. Wir nehmen die Küstenstraße, die zur Zeit neu trassiert wird – 40 km Dauerbaustelle vergällt uns ein bisschen die wirklich schönen Ausblicke auf die einsamen Sandbuchten, die sich tief unter uns an die Steilküsten schmiegen. In Oued-Laou, einem herrlich gelegenen Küstenstädtchen, biegen wir ab, hinein ins Rifgebirge, hinauf nach Chefchaouen. Eine tolle Berglandschaft mit tief eingeschnittenen kleinen Canyons und im Sonnenlicht glitzernden Wasserfällen entschädigt uns für die vorangegangene Zuckelei durch die endlose Schlaglochpiste.
In Chefchaouen angekommen gönnen wir uns entgegen unseren sonstigen Gepflogenheiten die Nacht auf dem dortigen Campingplatz, da er einfach genial oberhalb der Stadt liegt und wildcampen in der dicht besiedelten Umgebung nicht einfach ist.
25.05. – Chefchaouen – Fes – 205 km
Den ganzen Vormittag lassen wir uns durch Chefchaouen treiben – ziellos schlendern wir durch diese Symphonie aus blau und weiß. Hinter jeder Ecke überrascht uns auf ein neues Pittoreskes – mal sind es blau getünchte Hauseingänge, mal stilvoll drapierte Tonkrüge mit üppiger Bepflanzung. Die ganze Stadt ist ein kleines Kunstwerk mit andalusischen Wurzeln. Wir fühlen uns sofort wohl zwischen den alten Gemäuern und genießen diesen farbenfrohen Einstieg in unser marokkanisches Abenteuer.
Gegen Mittag starten wir gen Süden. Die alte Königsstadt Fes ist unser heutiges Ziel. Eigentlich nicht allzu weit entfernt, aber wir wählen ab Ouazzane die Nebenstrecke über Karia-Ba-Mohamed, die auf rund 60 km einer Dauerbaustelle gleicht. So zieht sich die Fahrt doch gewaltig, und als wir kurz vor Fes entscheiden, nicht auf einen der städtischen Campingplätze zu gehen, sind wir ziemlich erledigt. Wir finden aber einen super schönen Stellplatz neben einem Feld fernab der Hauptstraße, grüßen die Bauern bei ihrer Feldarbeit, genießen noch das Lichtermeer der alten Königstadt unter uns und freuen uns auf den morgigen Tag.
26.05. – Fes – Azrou/Cedre Gouraud – 125 km
Wir parken direkt am Bab Guissa, dem nördlichsten Stadttor dieser mittelalterlichen Königsstadt. Über die Straßen der Tischler dringen wir ein in das orientalische Treiben des wundervollsten Souks Marokkos. Nur wenige Augenblicke später sind wir gefangen von den Gerüchen der winzigen Marktstände, auf denen die fremdartigsten Gewürze und erntefrisches Gemüse, lebende Hühner und handarbeitliches Allerlei unter lautem Anpreisen feilgeboten werden. Verschleierte Frauen und schwer bepackte Männer schieben uns durch die engen, meist überdachten Gässchen, vor winzigen Garküchen hängen halbe Hammel von der Decke, orientalische Gerüche laden zu einen zweiten Frühstück ein.
Die schmalen Gassen der Handwerker zeigen uns archaisch anmutende Arbeitsweisen der Schmiede und Schuhmacher, der Schneider und Teppichweber. Schwer beladene Esel tragen unter anfeuernden Rufen ihrer Treiber Waren aller Art durch dir schmalen Gänge und sorgen immer wieder für hoffnungslose Engpässe. Höhepunkt ist jedoch das Viertel der Gerber, wo unzählige Felle verschiedenster Tiere gewaschen, gefärbt und gegerbt werden. Bestialischer Gestank erfüllt die Luft und wir erschaudern angesichts der unmenschlich anmutenden Arbeitsbedingungen.
Tief beeindruckt von diesem Ausflug in das mittelalterlich erscheinende Fes fahren wir am Nachmittag weiter, hinauf in den mittleren Atlas. Es regnet, als wir die dichten Zedernwälder um Azrou erreichen, doch erste Begegnungen mit den zutraulichen Makakenäffchen erfreuen uns sofort. Wir entdecken einen wirklich romantischen Übernachtungsplatz auf einer Lichtung im herrlich satten Grün der Zedernwälder und verziehen uns ob des starken Regens und der schnell hereinbrechenden Nacht schon bald in unser rollendes Heim.
27.05. – Azrou/Cedre Gouraud – Gorges de Jaffar – 150 km
Dieser Tag wird es in sich haben! Doch das wissen wir am Morgen natürlich noch nicht. Den Vormittag verbringen wir an der Cedre Gouraud, der leider vor einigen Jahren abgestorbenen riesigen Zeder, dem Wahrzeichen der Gegend um Azrou. Dutzende von putzigen Makakenäffchen erfreuen uns stundenlang mit ihren witzigen Spielchen. Sie sind so zutraulich, dass sie sich gerne füttern lassen und so frech, dass sie sogar den direkten Kontakt suchen und uns an den Hosenbeinen ziehen.
Gegen Mittag verlassen wir diesen netten Platz und fahren über Timahdite in Richtung Süden. Kurz vor Zeida geraten wir in eine ominöse Radarkontrolle, die unsere Reisekasse um DH 300,00 erleichtert – ärgerlich! Aber was soll`s… Unser Einkaufsstopp in Zeida wird zu einer tollen Begegnung mit den Menschen dort, als wir mitgebrachte, gebrauchte Klamotten als Währung anbieten. Wir öffnen unseren „Basar“ und tauschen unter viel Gelächter und Gefeilsche Lebensmittel und CD`s und werden am Schluss sogar noch zum Essen in ein Restaurant eingeladen.
Unser heutiges Ziel ist aber eigentlich der Jbel Ayachi, mit 3737 Metern der höchste Berg im östlichen Hohen Atlas. Der Weg dorthin führt uns nach Ait-Orrhar und dann über eine leidlich gute Piste an den Rand eines tollen Canyons. Eine steile und kiesige Abfahrt wird unsere erste Bewährungsprobe, die wir aber problemlos bestehen. Unten im Talboden stehen wir am Eingang einer schmalen Schlucht, die Piste verliert sich im wasserführenden Kiesbett. Wir wagen die Einfahrt und kommen auch recht ordentlich voran. Doch die Steine werden größer, die Passagen schmaler und schwieriger. Immer öfter müssen wir einen befahrbaren Durchschlupf schaffen, schleppen Steine und füllen Löcher im Bachbett, stehen bis zu den Knien im eiskalten Wasser. Die Dämmerung bricht unmerklich an und wir machen den Fehler, weiter zu fahren, obwohl die Sicht schlechter wird.
Und da passiert es. Wir übersehen einen Felsen im Wasser und knallen mit dem rechten Tank voll dagegen. Durch die Wucht des Aufpralls wird der Tank übel gestaucht, bleibt allerdings dank der Schutzvorrichtung dicht. Auf der anderen Fahrzeugseite beschädigen wir dabei den hinteren Staukasten, so dass er sich nicht mehr öffnen lässt. Sehr, sehr ärgerlich, aber schlussendlich unter der Rubrik Lehrgeld abzuhaken, nachdem wir uns etwas beruhigt hatten. Inzwischen ist es stockdunkel, wir sind völlig fertig und müssen mitten im Flussbett übernachten, was angesichts der instabilen Wettersituation prekär werden könnte. Doch wir haben Glück im Unglück, in dieser Nacht regnet es nicht mehr, und wir können auf einem etwas erhöhten Buckel oberhalb des Baches einigermaßen gerade stehend die Nacht verbringen.
28.05. – Gorges de Jaffar – Imilchil/Lac d`Iseli – 160 km
In dieser Nacht schlafen wir kaum. Die Erschöpfung und die Unsicherheit, wie es weiter gehen wird, lässt uns fast kein Auge zumachen. Kaum schickt die aufgehende Sonne ihre ersten Strahlen in die enge Schlucht hinein stehen wir auf, sichten die Schäden des Vortages und erkunden den weiteren Weg durch das mit zum Teil großen Steinen blockierte Flussbett. Wir machen den Weiterweg gangbar für „Manni“, ein paar knifflige Stellen fordern nochmal unseren ganzen Einsatz. Doch bald darauf haben wir es geschafft, wir erreichen den Ausgang der Schlucht, die Landschaft weitet sich etwas. Ein leidlicher Pistenrest führt uns nun zu den Nomaden in den Cirque de Jaffar, die hier wirklich abgelegen leben. Aufgeregt gestikulierende und lachende Kinder nehmen uns schon vor den Hütten in Empfang und die ungläubigen Gesichter der Erwachsenen ob unserer Richtung, aus der wir soeben kommen erklären uns, dass sonst wohl kaum jemand durch die Schlucht hierher findet. Wen wundert es…
Freundlich werden wir hereingebeten in eine der einfachen und niedrigen Lehmhütten, wir sitzen auf dem Boden auf selbstgewebten Teppichen und werden bewirtet mit süßem Tee und einem warmen Brei mit frischem Brot. Neugierig aber respektvoll sitzen die Kinder und jungen Frauen an der Wand, während wir mit zwei jungen Männern über die hiesigen Gegebenheiten sprechen. Für solche Begegnungen haben wir unsere reichhaltigen Kleiderspenden dabei und die Freude ist natürlich riesig, als wir unsere Transportkisten öffnen. Sofort werden diese umlagert und bestürmt wie die Wühltische im Kaufhaus am ersten Tag des Sommerschlussverkaufs. Jeder wird bedacht und als wir uns nach geraumer Zeit wieder auf den Weg machen, bietet sich einer der jungen Männer an, uns den Weg aus dem Cirque hinauf in die Berge zu zeigen. Seine Hilfe ist willkommen, vor allem, als es gilt, ein vom Wasser weggespültes Pistenstück neu für die Durchfahrt zu präparieren. Gemeinsam schaffen wir auch diese Passage und wir verabschieden uns mit einem angemessenen Geschenk von unserem eifrigen Helfer.
Als wir schlussendlich oben am Rand des Cirque de Jaffar stehen und einen Blick hinunter in diesen schönen Bergkessel werfen, werden wir uns der Anstrengung der beiden letzten Tage bewusst und wir sind froh, es geschafft zu haben. Die nun weiterführende Piste ist zwar schmal, so schmal, dass direkt neben den Reifen oft die steile Abbruchkante droht, aber sie ist gut befahrbar und weist keine schwierigen Passagen mehr auf. Kurz hinter dem Forsthaus von Mitkane stoßen wir dann auf die neue Teerstraße, die uns über Tagoudit und Anefgou durch herrliche Gebirgslandschaften rasch nach Imilchil bringt. In der Umgebung des etwas trostlos wirkenden Ortes liegen die beiden Bergseen Lac de Tislit und Lac d`Iseli. Am Ufer des letzteren schlagen wir unser Lager auf und begeistern uns an der durch die abendliche Gewitterstimmung noch wilder erscheinenden Szenerie dieser kargen Mondlandschaft.
29.05. – Imilchil/Lac d`Iseli – Goulmima/Gaouz – 220 km
Am nächsten Morgen lassen wir uns viel Zeit, relaxen am Lac de Tislit, bevor wir uns auf den Weg in Richtung Süden machen. Die Straße ist neu geteert und die früher nur über abenteuerliche Pisten erreichbaren Gebirgstäler dieser herrlichen Region können nun entspannt befahren werden. Über Agoudal und den 2700 Meter hohen Tizi-Tirherhouzine erreichen wir Ait-Hani, wo wir in das Rheris-Tal abbiegen. Über Assoul und Amellago, immer entlang des Ait Morrhad- Gebirges folgen wir dem enger werdenden Tal des Oued Rheris hinaus in die Ebene um Goulmima. Dichte Palmenhaine und erste kleine Sandverwehungen zeugen von der Nähe der Sahara. Wir fahren durch kleine Weiler hinaus nach Gaouz und finden einen windgeschützten Übernachtungsplatz am Rand einiger Felder. Der Besitzer kommt mit seiner kleinen Tochter auf dem Mofa vorbei und heißt uns willkommen, ein auf einem der Felder arbeitendes Paar gesellt sich noch zu uns. Wir kochen Tee für uns alle und verbringen gemeinsam einen wirklich netten Abend.
30.05. – Goulmima/Gaouz – Erfoud – 130 km
Heute Vormittag besichtigen wir unter sachkundiger Führung die hochinteressante Altstadt. Dieser uralte Lehmksar ist auch heute noch bewohnt und zeigt deutlich die Lebensverhältnisse der Menschen, wie sie seit Urzeiten nahezu unverändert Bestand haben. Ohne Touristenrummel ist dieser Bummel durch die engen und dunklen Gassen ein echtes Erlebnis.
Mittags besuchen wir unseren Gastgeber von gestern Abend in seinem kleinen Restaurant, das er gemeinsam mit seinem Bruder unterhält. Die Beiden lassen es sich nicht nehmen, uns zu einer schmackhaften Tadjine einzuladen. Beeindruckt von diesen schönen Stunden in Goulmima brechen wir am Nachmittag in Richtung Erfoud auf, dem Tor zum Erg Chebbi. Unterwegs erleben wir an einem Ziehbrunnen eine große Karawane von Dromedaren, die dort von Nomaden getränkt werden, bevor sie majestätisch weiter durch die Steinwüste ziehen.
Erfoud enttäuscht, ist staubig und heiß, und so flüchten wir erst mal auf einen nagelneuen Campingplatz an der Straße nach Rissani, wo wir uns am herrlich erfrischenden Pool bei einem Glas Gin Tonic den Sonnenuntergang über den fernen Bergen reinziehen…
31.05. – Erfoud – Erg Chebbi(Ostseite) – 70 km
Entspannt und erholt versöhnen wir uns mit Erfoud, kaufen auf dem lebendigen Markt für die nächsten Tage ein und starten in Richtung Wüste. Der Erg Chebbi ist ein ansehnliches Dünengebiet mit bis zu 200 Meter hohen Sanddünen, das auf seiner Ostseite nur über Pisten erreichbar und somit ziemlich ruhig geblieben ist. Wir verringern den Luftdruck an den Reifen und gleiten problemlos durch den weichen Sand. In einem kleinen Weiler mit einem Brunnen, an dem wieder eine Herde Dromedare getränkt werden, sind wir die Attraktion für unzählige Kinder, die mit uns durch die Dünen tollen und sich über ihr eigenes Bild auf dem Display unserer Kamera freuen.
Wir finden die Piste, die am dichtesten an den Dünen entlang führt und genießen in der Abendsonne das herrliche Spiel der länger werdenden Schatten über den scharfkantigen Dünenkämmen. Abseits der Piste entdecken wir einen romantischen Übernachtungsplatz, wo wir noch lange nach Sonnenuntergang den grandiosen Sternenhimmel in seiner Einzigartigkeit genießen, wie es wohl nur in der Wüste möglich ist.
01.06. – Erg Chebbi (Ostseite) – nahe Hassi Fougani – 120 km
Ein herrlicher Morgen zwischen den Dünen des Erg Chebbi lässt uns dort den Vormittag verbringen mit herumwandern, genießen und fotografieren. Erst spät machen wir uns auf, passieren den verlassenen Ort Mtis und erreichen schließlich Taouz, den Endpunkt der Teerstraße. Hier beginnt nun die Piste nach M`hamid im Vallee du Draa. Sie ist ohne Schwierigkeiten zu finden und auch meistens gut befahrbar. Steinige Abschnitte oder wellige Passagen wechseln sich ab mit Oueddurchfahrten und leichten Sandstücken.
Wir erreichen Hassi Ouzina, ein kleines Nest, wo wir uns bei der Weiterfahrt etwas verfahren, schlussendlich aber mit Hilfe einiger junger Mofafahrer die richtige Passage durch das sandige Oued finden. Tolle Wüstenlandschaften wechseln nun im Halbstundentakt, eine Fahrt durch alle Facetten, die Wüsten zu bieten haben. Hassi Remlia liegt verschlafen in der Nachmittagssonne, die Weiterfahrt durch Weichsanddünen ist eine nette Herausforderung, die „Manni“ problemlos meistert.
Auf einem Plateau zwischen den Bergen kurz vor Hassi Fougani nutzen wir den Halbschatten einer Akazie und richten unser Lager ein. Eine herrliche Ruhe senkt sich über das Hochtal und lässt uns eine weitere Wüstennacht genießen.
02.06. – nahe Hassi Fougani – nahe Nesrate – 125 km
Unsere Wüstenfahrt geht weiter, sie bleibt so ereignisreich wie am Vortag. Riesige Salzpfannen wechseln sich mit schwarzen Bergen und gelb leuchtenden Dünen ab, schnelles Fahren auf brettebener Hammada weicht Schritttempo über kinderkopfgroße Brocken. Tamasint entpuppt sich als größerer Ort mit reger Bautätigkeit, die kleinen Weiler Agoult und Zguilma liegen auf unserem weiteren Weg.
Ein wirklich steiler Pass stellt sich uns in den Weg, auf schmaler und steiniger Piste überwinden wir ihn und erreichen eine weite Ebene, die das Draatal ankündigt. Unser heutiger Übernachtungsplatz ist schon fast kitschig schön, inmitten kleiner Wanderdünen mit lockerem Baumbestand finden wir zwei große Akazien, ein Nomadenmädchen besucht uns und treibt ihr Schafe und Ziegen an unserem Lagerplatz vorbei und die Sonne verschwindet milchig im Dunst der warmen Abendluft. Auf dem Grill brutzeln zwei schöne Fische (der Tiefkühltruhe sei Dank…) und der gekühlte Wein lässt uns leicht wohlig hinübergleiten in eine andere Welt - wir spüren Afrika…
03.06. – nahe Nesrate – Erg Chegaga – 110 km
Bei Tagounite erreichen wir die Teerstraße, die durch das Draatal bis nach M`hamid führt. Nach drei Tagen verschiedenartigster Pisten schweben wir fast auf dem schwarzen Asphaltband. Doch in M`hamid ist damit wieder Schluss.
M`hamid ist der Ausgangspunkt für den Lac Iriki und das große Dünengebiet Erg Chegaga. Wind kommt auf, erst leicht, dann immer stärker werdend. Wir kurven durch ein kleines Dünengebiet, immer die beste Passage suchend. Danach wird die Piste steiniger, am Schluss quälen wir uns im Schritttempo bis zur Quelle Abd-er-Rahmane. Nun geht’s querfeldein zum Erg Chegaga, der Wind lässt etwas nach und gibt uns Hoffnung auf den morgigen Tag. Ein geschützter Übernachtungsplatz zwischen hohen Dünen ist schnell gefunden und wir machen alles dicht, um uns vor dem Sand zu schützen, der vom Wind durch die Dünen getragen wird.
04.06. – Erg Chegaga – Agdz – 240 km
Die Nacht war heftig. Der Wind erreichte zum Teil Orkanstärke, der Sand pfiff ums Auto und fand immer wieder einen Weg ins Innere. Da wir kein Fenster öffnen konnten, lagen wir bei ungefähr 40° im Bett und an Schlaf war nicht zu denken. Am Morgen ist die Situation nicht wirklich besser, die Sicht beträgt teilweise keine 30 Meter. Am späten Vormittag beschließen wir, das Lager abzubrechen, da der Sturm ja auch mehrere Tage dauern kann, aussitzen könnte sich also hinziehen…
Dank GPS und hervorragender Karte gelingt es, uns aus dem sandigen Inferno heraus zu navigieren. Stundenlang umkurven wir niedrige Dünen, versuchen, halb verwehten Fahrspuren zu folgen und erreichen im Blindflug die glatte Pfanne des Lac Iriki. Hier geht’s dann richtig flott durchs Nichts, bis wir am Rand des ausgetrockneten Sees wieder auf eine knüppelharte Steinpiste stoßen. Die restlichen Kilometer bis nach Foum-Zguid ziehen sich daher und wir sind froh, dort wieder Teer unter den Reifen und vor allem wieder Sicht zu haben.
In rascher Fahrt fahren wir nun nach Norden und biegen vor dem Tizi-n-Taguergoust nach Agdz im Valle du Draa ab. Dort wollen wir auf den Campingplatz, um „Manni“ und uns vom Sand zu befreien, doch die Hauptzufahrtsstraße ist gesperrt und wir zirkeln uns in Millimeterarbeit durch die Altstadt mit ihren Lehmbauten. Tiefhängende Telefonleitungen, abstehende Wasserrohre und unnachgiebiger Gegenverkehr lassen uns und die Anwohner bis zuletzt zweifeln, ob wir durchkommen. Doch wir kommen durch…
Auf dem Camp bekommt dann „Manni“ die Druckluftpistole zu spüren und wir den erfrischenden Pool und alles ist wieder gut…
05.06. – Agdz – Nekob – 90 km
Nach dem gestrigen Stresstag hängen wir heute den halben Tag in Agdz ab, tauschen und kaufen diversen Schmuck, füllen unsere Vorräte wieder auf und fahren erst am Nachmittag weiter. Bis Tansikht folgen wir noch dem Vallee du Draa mit seinen unzähligen Palmenhainen und Speicherburgen aus Lehm, dann biegen wir in Richtung Nekob ab. Etwas oberhalb von Nekob bleiben wir auf einer Kuppe stehen, wieder mal ein super Übernachtungsplatz. Am Horizont wird es pechschwarz, dutzende greller Blitze zucken durch die Wolkenberge und tauchen die Berge in ein gespenstiges Licht. Eine tolle Szenerie…
06.06. – Nekob – Tinerhir/Gorges du Todra – 120 km
Wir wollen quer durch die Bergkette des Jbel Sarhro. Die Piste ist anfangs noch gut, sie führt hinunter in eine schmale Schlucht, vorbei an unzähligen Bauernhäusern und Feldern. Bei Bab-n-Ali mit den beiden markanten Tafelbergen besuchen wir die dortige Grundschule, in der zeitgleich ca. 15 Schüler in vier Jahrgangsstufen in einem Raum von einem Lehrer unterrichtet werden. Wir verschenken einen Karton mit Schreibmaterialien, machen Porträtfotos aller Kinder und versprechen, sie zu schicken.
Die Piste steigt nun steil an, hinauf ins Gebirge. Sehr steil und auch sehr steinig. Schritttempo ist wieder mal angesagt und rangieren in den Kehren, alles hart am Abgrund. Aber wir kommen langsam vorwärts und irgendwann erreichen wir die Passhöhe, den Tizi-n-Tazazert auf rund 2300 Metern Höhe. Ein toller Rundblick über den Jbel Sarhro entschädigt für die etwas mühselige Auffahrt während der wir kaum ein Auge für die tolle Landschaft hatten.
Auf der anderen Seite des Passes ist die Piste deutlich besser und vor Ikniounn ist die Straße inzwischen sogar ein Stück geteert. Die weitere Strecke hinunter nach Tinerhir ist bereits weitgehend neu trassiert und hervorragend zu fahren, jedoch macht einsetzender Regen das Ganze zu einer leichten Schlammpartie und „Manni“ sieht danach entsprechend aus wie Sau.
Wir erreichen Tinerhir, das Tor zur Todraschlucht und gönnen uns den Camping Atlas, direkt am Fluss, herrlich unter Palmen gelegen. „Manni“ wird abgespritzt und wir genießen eine lange und warme Dusche.
07.06. – Gorges du Todra – Tamtattouchte – 35 km
Heute wollen wir zum Klettern gehen, denn die hohen Wände der Todraschlucht eignen sich hierfür ganz hervorragend. Doch zuerst besuchen wir Hassan, der marokkanische Kletterpapst schlechthin. Er hat die meisten der rund 1000 Routen vor Ort selbst eröffnet und auch abgesichert. Sein handgezeichnetes Topo ist Gold wert für jeden Kletterer in der Todraschlucht. Wir überbringen ihm ein halbes Dutzend Helme und Klettergurte als Geschenk unserer DAV-Sektion für die lokalen Kletterer. Die Freude darüber ist natürlich riesengroß und er erklärt und zeigt uns gerne sein Revier.
Um uns an den extrem rauen und scharfkantigen Fels zu gewöhnen, wollen wir am Nachmittag einige Toprope-Routen klettern. Kurz vor unserem Start hält plötzlich ein Expeditions-LKW aus Holland bei uns – Mariska und Jan sind auf der ersten Etappe ihrer Weltreise. Natürlich haben wir alle viel zu erzählen, und so starten wir mit dem Klettern erst sehr viel später.
Wir klettern ungefähr ein dutzend Seillängen und fühlen uns danach fit für den nächsten Tag, da wollen wir dann die ganze Wand durchsteigen. Gegen Abend durchfahren wir noch die gesamte Todraschlucht bis kurz vor Tamtattouchte, wo wir einen herrlichen Übernachtungsplatz entdecken.
08.06. – Tamtattouchte – Gorges du Todra – 20 km
Gegen 9:00 Uhr steigen wir in unsere Klettertour ein. Schnell haben wir unseren Rhythmus gefunden, die Sicherungen sind exzellent und die Route ist problemlos zu finden. Höher und höher kommen wir, einige wirklich knifflige Stellen gibt es zu lösen, und nach rund sechs Stunden herrlichster Genusskletterei im griffigen Fels erreichen wir den Ausstieg auf dem Gipfelplateau. Ein gigantischer Tiefblick in die Todraschlucht, rund 500 Meter unter uns, und hinaus bis nach Tinerhir, belohnt uns für unsere Mühen.
Der Abstieg ist bald geschafft und nach insgesamt acht Stunden stehen wir wieder unten am Eingang der Schlucht und werden von Hassan zum obligatorischen Tee gebeten. Ein tolles Erlebnis liegt hinter uns, die außergewöhnliche Perspektive der Todraschlucht hat uns begeistert.
Heute übernachten wir wieder auf dem Camping Atlas, wo wir am Abend noch Aline und Regis aus Frankreich treffen, die wir im Erg Chegaga kennen gelernt hatten.
09.06. - Camping Atlas – 0 km
In der Nacht ging`s los – Bauchkrämpfe, Durchfall und Erbrechen. Schöne Scheiße…
An eine weitere Klettertour oder die Weiterfahrt war nicht zu denken, ein Erholungstag war angesagt. Gegen Abend ging es mir dann schon wieder besser…
10.06. Gorges du Todra – Stausee Mansour ed Dahbi/Ouarzazate – 285 km
Alles wieder gut, wir fahren weiter…
In Boumalne Dades biegen wir ein in die Dadesschlucht. Eine tolle Landschaft erwartet uns, kleine Dörfer mit auffälligen Kasbahs säumen unseren Weg, das Tal wird schmäler, die Straße windet sich in engen Serpentinen hinauf zum eigentlichen Schluchtendurchbruch. Durch die Regenfälle der letzten Tage ist die Straße dort immer noch leicht überschwemmt, dies stellt allerdings kein Problem dar. Immer höher kommen wir, bis wir oberhalb des Canyons fahren. Grandiose Ausblicke hinunter in die tief unter uns liegenden grünen Bänder, die der Fluss in Jahrmillionen gegraben hat, begeistern uns. Am oberen Ende der Schlucht erreichen wir Msemrir, dort wenden wir und fahren das herrliche Tal wieder hinaus.
Vorbei an El-Kelaa M`Gouna und Skoura erreichen wir am späten Nachmittag den Stausee Mansour ed Dahbi, an dessen Ufer wir eine kleine Bucht finden, ein idealer Platz, um den Abend und die Nacht dort zu verbringen. Wenig später gesellen sich zwei Männern aus Ouarzazate zu uns, und gemeinsam verbringen wir einen informativen und unterhaltsamen Abend bei einigen Flaschen Bier und Gläsern Gin Tonic . Spät in der Nacht wiegt uns dann lautes Quaken unzähliger Frösche in einen tiefen Schlaf.
11.06. - Stausee Mansour ed Dahbi/Ouarzazate – nahe Ait Ourir – 180 km
Unser erstes Ziel heute ist Ait Benhaddou, ein altes Ksar, das in den letzten Jahren auch mehrfach als Filmkulisse herhalten musste. Entsprechend ist die Vermarktung, und so beeindruckend die ganze Anlage aus der Ferne ist, so enttäuschend ist ein Besuch innerhalb der Mauern. Zu viele Touristen belagern zu wenig Sehenswertes, und so sind wir auch bald wieder raus aus der verlassenen Siedlung.
Die Straße über Tamdakht hinauf nach Anemiter und weiter nach Telouet ist inzwischen durchgehend geteert und daher problemlos zu befahren. Dem herrlichen Tal tut das keinen Abbruch, im Gegenteil, man hat jetzt entspannt Zeit, die tollen Ausblicke zu genießen. In Telouet treffen wir Aline und Regis zufällig wieder und gemeinsam kehren wir in ein gemütliches Lokal am Straßenrand ein.
Nun ist es nicht mehr weit zum Tizi-n-Tichka, mit 2260 Metern der Hauptübergang im Hohen Atlas. Die sehr gut ausgebaute Straße windet sich nun in abenteuerlicher Führung hinunter in die Ebene um Marrakech. Doch so weit wollen wir heute nicht. Kurz von Ait Ourir, einem landwirtschaftlich geprägtem Ort, entdecken wir einen ruhigen Platz inmitten lichter Wälder und weiter Felder.
12.06. – nahe Ait Ourir – Imlil – 100 km / 12 km zu Fuß
Imlil ist das Bergsteigerzentrum des zentralen Hohen Atlas. Der kleine Ort liegt am Ende eines schmalen Tales, das von Asni hoch in Richtung des Jbel Toubkal, dem mit 4167 Metern höchsten Berges Marokkos führt - und auf den wollen wir hinauf.
Über Ouriki und Tahanaoute erreichen wir Asni und schließlich Imlil. Wir packen unsere Rucksäcke mit dem für zwei Tage notwendigen Equipement und marschieren gegen 15:00 Uhr los. Fünf Stunden Aufstieg bis zum Basislager in 3200 Meter Höhe liegen vor uns – und die ziehen sich in der nachmittäglichen Hitze. Vorbei an Aroumd, dem letzten Dorf hinten im Tal, steigen wir unserem morgigen Ziel, das wir schon von Imlil aus sehen können, entgegen. Ein guter Steig führt erst steil hinauf und dann sanft ansteigend immer weiter tief hinein ins Gebirge, bis wir einen kleinen Weiler Sidi Chamharouch erreichen. Immer entlang des unter uns rauschenden Baches geht es höher und höher, tosende Wasserfälle fliesen über mehr als tausend Meter herab und sorgen für ein überraschend grünes Umfeld. Und das Basecamp mit den Berghütten will einfach nicht auftauchen.
Endlich, nach gut fünf Stunden Marsch ist es soweit, die Hütten kommen in Sicht. Wir bauen unser Zelt auf bevor es dunkel wird und gönnen uns einen heißen Tee in der Hütte. Bald darauf sind wir im Schlafsack, denn morgen geht es schon früh los.
13.06. – Jbel Toubkal/4167m – 19 km zu Fuß
Kurz vor sieben Uhr starten wir. Mächtig steil zieht sich der Steig durch Schutt und große Blöcke nach oben, einige harte Schneefelder müssen gequert werden. Dann erreichen wir ein breites Hochtal, in dem noch viel Schnee liegt. Doch er ist gut zu begehen, in der morgendlichen Kälte ist er noch fest. Am Ende des Hochtals steilt sich der Berg auf, eine hart gefrorene, steile Flanke muss überwunden werden. Doch in den beinharten Schnee geschlagene Tritte erleichtern den Aufstieg und ein weiteres sanftes Hochtal weitet sich vor uns. Dieses ist dank südöstlicher Lage schneefrei und wir kommen rasch auf den Gipfelgrad. Über diesen erreichen wir mühelos, aber vorsichtig wegen einiger steiler und gefrorener Flanken, die noch gequert werden müssen, den Gipfel.
Es ist geschafft! Drei Stunden nach unserem Aufbruch vom Basecamp stehen wir glücklich auf dem höchsten Berg Marokkos, ja ganz Nordafrikas. Der ganze Hohe Atlas liegt uns nun zu Füßen, hinter uns steht die Phalanx der weiteren 4000er. Fast zwei Stunden genießen wir das gigantische Panorama, dann geht’s wieder hinunter, erst zum Basecamp, uns dann weiter bis ins Tal – 2500 Meter bergab liegen vor uns…
Über die vielen und langen schneebedeckten Flanken können wir schnell und zügig abfahren, und so sind wir schon bald bei unserem Zelt, packen alles wieder zusammen und machen uns auf den langen Marsch nach Imlil. Unsere Knie hängen ganz schön durch, als wir fünf Stunden später durch das Dorf zu unserem „Manni“ schleichen. Im Abendlicht grüßt der Jbel Toubkal noch einmal hinunter ins Tal - eine große und eindrucksvolle Bergtour liegt hinter uns.
14.06. – Imlil – Marrakech – 65 km
Ein bisschen müde sind wir schon noch, als wir uns heute in Richtung Marrakech aufmachen, aber wir müssen ja nicht mehr laufen. Als wir wieder durch Tahanaoute kommen, halten wir beim dortigen Wochenmarkt. Sofort tauchen wir in eine komplett andere Welt ein. Unter abgespannten Zeltplanen bieten die Bauern und Metzger, Hühnerzüchter und Handwerker der Umgebung ihre Waren feil. Ein riesiger Esel- und Muliparkplatz zeigt uns das immer noch auf dem Land vorherrschende Verkehrsmittel, mobile Friseure und Zahnärzte bieten lautstark ihre Dienste an. Dutzende winziger Garküchen verbreiten herrliche Düfte und dem können wir natürlich auch nicht widerstehen.
Nur schwer lösen wir uns aus dieser fremden Welt, doch Marrakech erwartet uns. Wir parken unweit des berühmten Place Djamaa el-Fna hinter der Kutubiya-Moschee, wo wir auch die Nacht verbringen können. Von hier aus sind es nur ein paar Meter bis ins Zentrum der alten Königsstadt.
Gegen Abend spazieren wir dorthin und sind sofort vom lebendigen Treiben gefangen. Musikanten und Gaukler, Geschichtenerzähler und Schlangenbeschwörer buhlen um unzählige Touristen, die Garküchen auf dem Platz hüllen uns mit dicken Rauchschwaden ein und dutzende Stände mit frisch gepresstem und eiskaltem Orangensaft locken ihre Kundschaft mit witzigen Sprüchen an. Die Souks dagegen wirken ein bisschen steril, zu touristisch. Wir setzen uns an den Rand des Platzes und lassen das Treiben auf uns wirken, doch wir stellen schnell fest, dass uns das alles eigentlich zu viel Rummel ist.
Bevor die Nacht so richtig beginnt, trollen wir uns wieder und sinken, noch müde vom Vortag, ins Bett.
15.06. – Marrakech – Tessaout-Tal/Ait Bouwli – 185 km
In schneller Fahrt erreichen wir Demnate und die Naturbrücke von Imi-n-Ifri. Hier hat ein Fluss in hartnäckiger Arbeit eine beeindruckende Steinbrücke aus dem Fels gefräst. Tausende Vögel nisten in den unzähligen Felsspalten und Nischen und erfüllen die Umgebung mit ihrem Gezwitscher. Ein kleiner Spaziergang unter der Brücke hindurch lässt uns die Dimensionen erst richtig erkennen.
Eine neue, schmale Teerstraße führt nun hinein ins Gebirge in Richtung der Berge um den Ighil M`Goun und seinen Trabanten. Doch diese neue Straße endet nach einigen Kilometern in einem kleinen Dorf im Nirgendwo, auch unser GPS zeigt uns nun, dass da, wo wir jetzt sind, eigentlich nichts ist. Auf unser Nachfragen beteuert man uns jedoch, dass die Piste weiterführt bis ins Tessaout-Tal nach Agouti, und da wollen wir ja auch hin. Nun gut…
Und die Piste, die uns jetzt erwartet, ist gar nicht schlecht. Zwar oft gerade mal LKW-Breite, aber gut trassiert, führt sie tief hinein ins wilde Gebirge und schließlich hoch hinauf auf einen namenlosen Pass. Gigantische Farben und Formen prägen die umliegenden Berge, wir können uns kaum satt sehen. Kleine Weiler schmiegen sich an steile Hänge, auf terassenartigen Feldern wird alles Lebensnotwendige angebaut. Auf der anderen Seite des Passes öffnet sich dann plötzlich das Tessaout-Tal, unser Ziel. Unweit des Ortes Ait Bouwli mit seinen freundlichen Bewohnern finden wir einen tollen Übernachtungsplatz auf einer kleinen Kuppe und genießen ein schon fast kitschig schönes Panorama.
16.06. – Tessaout-Tal/Ait Bouwli – nähe Zaouia-Ahanesal – 85 km
Die heutige Strecke ist fantastisch. Bis Agouti windet sich die hier wirklich schlechte Piste abenteuerlich durch die zerfurchte Landschaft, dann erwartet uns plötzlich Teer, der bald in eine sehr gute Piste übergeht. Entspannt geht’s nun vorbei an unzähligen kleinen Dörfern hinauf nach El Had, dem Ende des Ait Bouguemez-Tals. Dieses Tal ist gesäumt von hohen und wilden 3000ern, ein Eldorado für jeden Bergsteigen und Kletterer. Eine ausgewaschene Piste führt nun hoch hinauf auf den Tizi-Tirghist auf rund 2600 Meter. Ab dort ist die Piste wieder sehr gut in Schuss und zügig passieren wir den Tiz-n-Illissi, auch auf rund 2600 Metern, und fahren hinunter in Richtung Zaouia-Ahanesal. Aufziehende schwarze Gewitterwolken schaffen ein gespenstiges Bild über dem Jbel Aroudane, den Dolomiten Marokkos, als wir unterhalb dessen senkrechten Wänden die Nacht verbringen.
17.06. – nähe Zaouia-Ahanesal – Stausee Bin el-Ouidane/Ouaouizarht – 115 km
Auch heute erwarten uns wieder fantastische Landschaften. Steil geht es hinunter nach Zaouia-Ahanesel, viele Dörfer mit auffälligen Lehmksaren prägen die Täler in dieser Region. Die gute Piste überwindet Pässe und steile Flanken, schmale Brücken überspannen Oueds, die nach Regenfällen unpassierbar werden. Die Cathedrale des Roches taucht plötzlich vor uns auf, eine gigantische Felswand über dem Tal von Temga. In vielen Serpentinen kurbeln wir uns hinunter in den Talboden, eine mannibreite Brücke überspannt den hier reißenden Fluss. Ab Es Sebt wird die Piste wieder zur Teerstraße und nach einen weiteren Pass öffnet sich vor uns das riesige Tal des Stausees Bin-el-Ouidane.
Rote Erde prägt diesen Landstrich, der tiefblaue See bringt einen tollen Kontrast. Über eine lange Hängebrücke, die ein bisschen an die Golden Gate im Handtaschenformat erinnert, interessanterweise nur bis fünf Tonnen freigegeben (was wir allerdings ob der arabischen Schriftzeichen nicht lesen können…), wechseln wir ans nördliche Ufer. Den Nachmittag verbringen wir mit Baden und relaxen direkt am Strand.
An späteren Abend werden wir von einem, wie sich später bei der Polizei herausstellt, ortsbekannten Schizophrenen mit Pfefferspray angegriffen, was uns unseren schönen Stellplatz räumen und in der Nähe der örtlichen Polizeistation nächtigen lässt. Übrigens unser einziger negativer Vorfall in fünf Wochen…
18.06. – Stausee Bin el-Ouidane/Ouaouizarht – Bergsee Aguelmame Azigza – 220 km
Wir sind raus aus dem Hohen Atlas, die Landschaft wird lieblicher, Landwirtschaft prägt das Bild. Über Taguelft kurbeln wir über unzählige Höhenzüge hinunter nach El-Ksiba und erreichen dort die Hauptstraße in Richtung Norden. In Tighassaline, einem quirligen Straßenort, kehren wir zur Überraschung der anwesenden Marokkaner in ein Lokal ein, das wohl nie von Touristen besucht wird. Man hat so seine liebe Müh mit uns. Erst wollen sie Gläser zum Wasser, dann auch noch Besteck zu Essen…
In Khenifra jedoch biegen wir wieder ab in die Berge des Mittleren Atlas, wir kommen immer höher hinauf, karstige Plateaus mit unendlich vielen Schafherden prägen das Bild. Wir steuern den Aguelmame Azigza an, einen herrlich klaren Bergsee, der zum Baden einlädt und an dem einige Nomaden leben, aber auch einige Ausflügler aus der Umgebung das nahende Wochenende genießen. Doch abends sind wir wieder so ziemlich alleine mit den dort lebenden Nomaden und es kehrt Ruhe ein.
19.06. – Bergsee Aguelmame Azigza – Moulay-Idriss – 205 km
Nach einer herrlich ruhigen Nacht und einem morgendlichen Bad im erfrischenden See besuchen wir die Quellen von l`Oum-er-Rbia. Ein Wasserfall und unzählige weitere Quellen speisen hier in einem engen Tal einen reisenden Bach, an dessen Ufer sich viele kleine Teestuben und Restaurants eingerichtet haben. Das Ganze hat fernöstliches Flair und lädt ein zum entspannten verweilen und relaxen.
Über steinige Hochalmen und dichte Zeder- und Kiefernwälder nähern wir uns wieder der großen abgestorbenen Cedre Gouraud. Wir verbringen nochmals ein paar wirklich lustige Stunden mit den halbzahmen Makakenäffchen, bevor wir weiter in Richtung Norden aufbrechen.
Über Azrou und Meknes fahren wir noch bis zur altern Römerstadt Volubilis, die wir im schönsten Abendlicht ganz alleine genießen. Die Mauerreste des Forums, der große Triumphbogen und die vielen Säulen längst eingestürzter Tempel zeugen auch heute noch von der ehemaligen Größe des Römischen Reiches. In der Ferne leuchten die weißen Mauern der heiligen Stadt Moulay Idriss zu uns herüber, an deren Rand wir in einem Olivenhain einen ruhigen Übernachtungsplatz entdecken.
20.06. – Moulay Idriss – Tanger – 265 km
Heute gilt es, Strecke zu machen, da der Abfahrtstermin unserer Fähre immer näher kommt. Vorbei an Sidi-Kacem und Souk-el-Arab du Rharb, an Ksar-el-Kebir und Larache fahren wir durch bis Asilah. Dieses nette Städtchen mit seinen strahlend weißen Mauern liegt direkt am Atlantik oberhalb weiter Sandstrände und hat sich zu einem beliebten Künstlerdomizil entwickelt. Wir streifen ein wenig durch die engen Gassen und leisten uns frischen Fisch zu Mittag.
Den Nachmittag verbringen wir ein paar Kilometer weiter am fast menschenleeren Strand und in den Wellen des Atlantiks. Gegen Abend fahren wir dann noch nach Tanger, der quirligen Metropole des Nordens. Auf dem Campingplatz Miramonte, mitten in der Stadt, hoch auf einem Hügel gelegen verbringen wir unsere letzte marokkanische Nacht.
21.06. – Tanger – Tanger Med – 50 km
Entlang der Hafenpromenade von Tanger fahren wir hinaus zum Cap Malabata, von wo wir einen umfassenden Blick zurück auf die Stadt genießen. Die Küstenstraße schlängelt sich um Buchten und kleine Dörfer, der Blick über das Meer lässt bereits Spanien im Dunst erkennen. In Ksar-es-Seghir, dem letzten Ort vor dem großen Hafengelände, stellen wir uns direkt an den Strand, essen vorzüglichen, frischen Fisch und machen uns dann auf, die Ausreiseformalitäten im Hafen zu erledigen. Alles läuft wieder sehr zügig, und nach einer Stunde stehen wir bereits vor unserer Fähre.
Doch jetzt gibt es eine außerplanmäßige Verzögerung. Dutzende aufgebrachter, ankommender Marokkaner blockieren die Fähre, da sie sich beim Erwerb ihrer Tickets übers Ohr gehauen fühlen. Mit siebenstündiger Verspätung verlassen wir schlussendlich Marokko.
22.06. – Fähre
Es soll ja Menschen geben, die finden eine Kreuzfahrt… - aber das hatten wir ja schon…
23.06. – Fähre
Wir liegen in Barcelona, den ganzen Vormittag. Erst gegen 14:00 Uhr geht’s weiter, warum auch immer…
24.06. – Livorno – Trento/Faedo – 425 km
Endlich haben wir wieder festen Boden unter den Reifen. Gegen Mittag verlassen wir die Fähre und machen uns auf nach Hause. Schnell ist Florenz erreicht, und über den Apennin, vorbei an Bologna, Modena und Verona reihen wir uns ein in den Pfingstferienrückreiseverkehr. In Trento ist Schluss für heute, wir fahren ein paar Kilometer steil hoch aus dem Etschtal hinauf durch die Weinberge und finden einen tollen und vor allem ruhigen Platz auf einem Wanderparkplatz mitten im Wald.
25.06. – Trento/Faedo – Bad Tölz/Ellbach – 280 km
Der Rest ist Routine. Bozen, Brenner, Innsbruck, rauf zum Achensee und ab nach Hause! Nach 5235 km stehen wir wieder bei uns auf dem Hof. Schade…
Fazit:
Marokko ist ein traumhaft schönes Reiseland. Unendliche Sandstrände am Atlantik, schneebedeckte 4000er im Hohen Atlas, goldgelbe Sanddünen am Rande der Sahara, dichte Wälder mit vielen klaren Bergseen im Mittleren Atlas, Steilküste mit unzähligen kleinen Buchten am Mittelmeer, alte islamische Königsstädte, herrlich natürliche Wochenmärkte. Relaxen oder sportlich unterwegs sein, kulturelles oder alltägliches, für jeden ist hier etwas dabei.
Aber das Beste an Marokko, das sind seine Menschen. Freundlich, hilfsbereit, ehrlich, interessiert und offen – nie hatten wir das Gefühl geneppt oder genervt zu werden. Natürlich gibt es bettelnde Kinder, selbsternannte Fremdenführer, Teppichhändler und Souvenirverkäufer. Aber alles in einem wirklich erträglichen und verständlichen Rahmen. Und es kommt natürlich auch auf die eigene Einstellung an, wie man den Menschen begegnet.
Unsere reichhaltige Sammlung abgelegter, jedoch neuwertiger Kleidungsstücke hat vielen Menschen geholfen, vor allen den Kindern und Müttern bei den Nomaden konnten wir hier sehr viel Freude bereiten. Auch unsere mitgebrachten gebrauchten Kletterhelme und Gurte fanden dankbare Abnehmer in der Kletterszene.
Wir haben jede Begegnung mit den Menschen Marokkos genossen, viele nette Kontakte geschlossen und freuen uns schon darauf, diesen Menschen in zwei Jahren beim Start zu unserer Weltreise wieder zu begegnen. Aber dann nehmen wir uns mehr Zeit für Marokko, viel mehr…
- in sha`allah…