Afrika – Marokko – 1.Teil

23. Juli – 05. August 2014

Marokkos Norden

 Und jetzt also Afrika. Zum Einstieg Marokko. Uns ja wohlbekannt, vor allem von unserer erst drei Jahre zurückliegenden Testreise mit „Manni“. Und doch wieder neu, denn die Jahreszeit ist eine andere als damals und wir wollen natürlich eine ganze Menge Ecken besuchen, die wir seinerzeit nicht bereist haben. Und im Gegensatz zu damals haben wir nun Zeit im Überfluss, und so können wir ohne ein bestimmtes Tagesziel reisen, denn Ziele verschließen dem Reisenden oft den Blick auf die kleinen Dinge unterwegs, die sich links und rechts des Weges auftun.

 

Durch das Rifgebirge

Die Einreise in Tanger Med, dem modernen Hafen an der Nordküste gegenüber Gibraltar, verläuft absolut entspannt, da die polizeilichen Registrierungen von Personen und Fahrzeugen schon während der Überfahrt auf der Fähre abgewickelt wurden. Die Fahrzeugkontrolle beschränkt sich dann auf ein paar belanglose Blicke in zwei geöffnete Außenstaukästen, und nachdem mir die französischen Übersetzungen für die Nivellierungskeile und die elektrische Kettensäge, auf deren neutrale Verpackungen er wichtig deutet, nicht geläufig sind, ist es dem Zöllner auch schon zu blöde mit mir und wir dürfen samt unserer unzähligen, aber gut versteckten Rotweinflaschen passieren.

Entlang der kurvenreichen Straße hinüber nach Ceuta holen uns dann sehr schnell die akuten Flüchtlingsprobleme Afrikas und Europas ein. Dutzende Schwarzafrikaner lungern entlang der Straße herum, immer ein freundliches Lachen und Winken parat, aber doch in einer hoffnungslosen Spirale verfangen. Weit weg von zuhause, kein Geld in der Tasche und immer in der Hoffnung lebend, den Sprung nach Europa zu schaffen. Rund 60.000 (!) dieser bedauernswerten Menschen hausen an der Nordküste Marokkos in erbärmlichen Lagern, es gibt keinen Ausweg. Ein paar Kilometer weiter dann üppiges Grün rund um moderne Ferienanlagen, Golfplätze und einen der zahlreichen Königspaläste. Kontraste…

In Tetouan bummeln wir durch die urige Medina, auch wenn aufgrund des Ramadans eine fast unwirkliche Ruhe in den engen Gassen herrscht, und holen uns die erste Packung orientalisches Feeling. Lebende Hühner, eisgekühlte Fische, Obst und Gemüse, frische Minze, Datteln und Nüsse, alles auf dem staubigen Boden ausgebreitet und die entsprechenden Düfte verbreitend, lassen uns  eintauchen in die von uns so geliebte arabische Atmosphäre. Die Moderne holen wir uns anschließend im Telecomladen in Form eines Modems mit Internetflatrate und sind ab sofort mit der Restwelt verbunden.

Die nördliche Küste Marokkos ist erst seit wenigen Jahren mit einer vernünftigen Straße erschlossen, und auf der kriechen wir nun mehr als wir fahren in ständigem Auf und Ab über die schroffen Küstengebirge, hinab in die nun meist ausgetrockneten Oueds, und durch landwirtschaftlich geprägte Dörfer, auf deren Straßen die Bäuerinnen noch mit den typischen bunten Quaddeln an den weit ausladenden Strohhüten herum wuseln. Herrliche Strände locken weit unterhalb der kurvenreichen Straße, doch meist sind sie unerreichbar. Alle paar Kilometer wacht ein Militärposten über der Küste, damit in Europa kein zweites Lampedusa entsteht.

Unter der Obhut eines solchen nächtigen wir schließlich am Strand von Et-Tieta-de-Oued-Laou, bevor wir uns wieder den endlosen Kurven der neuen Küstenstraße widmen. In Cala Iris, einem gottverlassenen Nest mit überdimensioniertem Fischerhafen, finden wir unsere Traumbucht. Ein Standplatz unter zwei staubigen Palmen, eingerahmt von einigen weiteren undefinierbaren Gehölzen, vor uns drei Inselchen im klaren Wasser und der unvermeidliche Gendamerieposten, der uns versichert, auf uns aufzupassen, während wir es uns hier gut gehen lassen. Na denn…

Al Hoceima lassen wir buchstäblich links liegen, die Stadt hat nichts wirklich Spannendes zu bieten. In endlosen Kurven queren wir nun das Rifgebirge, drei Pässe bezwingen wir und eine Endlosbaustelle hinunter nach Taza. Dort tauchen wir in den vorabendlichen Souk ein, der gerade zu pulsierendem Leben erwacht. Eng an eng schieben sich die Menschen durch die schmalen Gassen, durch bröckelige Torbögen und vorbei an am Boden ausgebreiteten Waren. Lautstark werden die Waren feilgeboten, flinke Hände prüfen das Angebotene, Münzen und Scheine wechseln die Besitzer. Schlagartig sind wir dort, wo wir hin wollen – in einer anderen Welt. Tütenweise schleppen wir Obst und Gemüse, Fleisch und Brot zum „Manni“, sind nun ausgerüstet für die kommenden Tage in den Bergen südlich von Taza.

 

Im nördlichen Mittleren Atlas

Schroffe Karstfelsen, dichte Wälder mit Stein- und Korkeichen, Berghänge mit Zedern und Olivenbäumen, so präsentiert sich uns die herrliche Gegend um den Jbel Tazzeka. Auf den fruchtbaren Hochplateaus wird jeder Meter für den Anbau von Getreide und Gemüse genutzt, ärmliche Gehöfte liegen oft kilometerweit entfernt irgendwo im Nichts.

Die Straße, die wir nehmen ist schmal, ausgefranzt und löchrig, die harten Winter machen sie immer wieder kaputt. Doch für „Manni“ natürlich kein Problem, aber nur langsam geht es voran. Die wenigen Menschen, die wir sehen, sind durchwegs freundlich, lachen und winken uns zu. Hoch geht es bisweilen hinauf, die 2000er Marke wird gekratzt und dann genommen, der Teer verliert sich in einer guten, aber steilen Piste. Viele Nomadenzelte stehen hier oben, die Hirten sind mit ihren Tieren den Sommer über unterwegs. Erst weit über uns sehen wir die eigentlichen Gipfel, allesamt jenseits der 3000 Meter.

Nach Süden hin weichen die Bäume schließlich der kargen Steinlandschaft der Wüstenplateaus, auch die bewirtschafteten Flächen verlieren sich so langsam. Immer trostloser präsentiert sich die Gegend, genauso trostlos wie das schmale und wellige Restteerband, das kerzengerade, nur von Strommasten begleitet, dem flimmernden Horizont zustrebt. Erst kurz vor Zaida bekommt die Landschaft wieder Konturen, doch staubig bleibt es allemal.

 

Said

Vor drei Jahren waren wir schon mal hier in diesem Nest, wollten etwas Einkaufen und haben schlussendlich die halbe Hauptstraße unterhalten mit dem Eintauschen unserer mitgebrachten Klamotten. Wir halten an, und sofort erinnert man sich an „Manni“ und wir fragen nach Said, der seinerzeit in einem Straßenrestaurant arbeitete und mit dem wir viel Spaß hatten. Wir werden zu seinem Haus in einer staubigen Gasse geführt und es fallen ihm fast seine großen Augen aus dem Kopf, als er uns erkennt. Die Freude ist echt, die Umarmung herzlich, und wir werden in die gute Stube gebeten. Fatima, seine junge Frau und die inzwischen drei Kinder scharen sich um uns und dann gibt es viel zu erzählen, was allerdings nicht ganz einfach ist, da Saids Französisch sehr spärlich und unser „Berberisch“ durchaus ausbaufähig ist. Aber wie immer in solchen Situationen, es wird viel gelacht und schnell funktioniert die Konversation nahezu reibungslos.

Später schlendern wir durch den Ort, werden gegrüßt und zum Tee gebeten, Fatima kocht inzwischen auf, denn es ist der letzte Tag des Ramadan, und ab morgen darf endlich wieder normal gegessen und getrunken werden. So ist die ganze Nacht herzlich wenig an Schlaf zu denken.

Wir sind bei einer arabischen Großfamilie eingeladen, werden bekocht und im Tee ertränkt, Conny mit Henna verziert und die Jungs mit einem Fußball beschenkt. Abends bereitet Fatima dann einen traditionellen Couscous mit viel Gemüse und allerlei undefinierbaren Innereien eines Schafes. Die können wir allerdings routiniert umgehen und verabschieden uns dann schon recht bald totmüde in unseren vor dem Haus parkenden „Manni“.

Beim Abschied gibt es fast Tränen, oder liegt es am Holzkohlenrauch im Straßenlokal, in dem Said seit heute endlich wieder einen Job hat, nachdem er rund zehn Monate keine Arbeit hatte? Winkend und hupend verlassen wir Zaida mit seinen herrlich netten Menschen…

 

Im Zedernwald von Azrou

Der nördliche Mittlere Atlas bietet das größte zusammenhängende Waldgebiet mit Zedern. Auf stellenweise abenteuerlichen Pisten queren wir steile Oueds, erleben ärmliche Ansiedlungen und genießen erfrischende Seen. Der Hauptanziehungspunkt aller Reisenden ist allerdings die inzwischen abgestorbene Riesenzeder „Cedre Gouraud“ oberhalb von Azrou. Dort treffen wir auch wieder Mohammed, einen liebenswerten älteren Herrn, der hier oben Andenken an die Touristen verkauft. Die Begrüßung ist unglaublich herzlich, und wir verbringen einen wunderbaren Abend bei ihm zuhause im Kreis seiner Familie. Natürlich besuchen wir auch jeden Tag die Berberaffenfamilien im Wald um die Cedre Gouraud und erfreuen uns an den putzigen Zeitgenossen und ihren Späßen.

Fünf Tage sind wir hier oben im Wald, und es ergeben sich lustige Treffen mit Lisi und Martin aus Linz, mit Karsten und Cedric aus Zürich und mit Renate und Wolfgang aus Salzburg, alles Traveller, die wie wir unterwegs sind auf dieser schönen Welt und mit denen wir über Mail verbunden sind.

Und dann „freuen“ wir uns auch noch über unsere erste Reifenpanne! Vermutlich hat sich ein Stück Metall hineingebohrt…

 

einsame Buchten am Mittelmeer
Sonnenuntergang in der Bucht von Cala Iris
gebirgige Landschaften im Mittleren Atlas
steile Pässe im Mittleren Atlas
Said in seinem Element als Tajinekoch
wir feiern das Ende des Ramadan
spannende Pisten im Mittleren Atlas
Übernachtungsplatz am Aguelmame Azigza
Tommy mit seinen Affenfreunden im Zedernwald
Wochenmarkt in Azrou

Afrika – Marokko – 2.Teil

06.August – 16.August 2014

Von der Küste in den Hohen Atlas

Meknes, Rabat, Casablanca. Unsere Rundfahrt zu den Großstädten des Landes ist eher ernüchternd. In Meknes blättert in der Altstadt der Putz an allen Ecken und Enden, Rabat wirkt steril und etwas seelenlos und Casablanca ist der typisch afrikanische Moloch von der Innenstadtglasfassade bis hin zur Wellblechhütte am Stadtrand. So fällt uns die Entscheidung leicht, nach unserem Werkstattbesuch wieder in die Berge abzudrehen.

 

Ein weiteres Mal durch den Mittleren Atlas

Das satte Grün der Steineichen und Olivenbäume tut gut nach dem öden Gelb der abgeernteten Felder in den heißen Ebenen. Das rudimentäre Teerbändchen, das notdürftig die holprige Piste bedeckt, schlängelt sich tapfer über die ersten Pässe. Winzige Gehöfte ducken sich in die trockene Erde, die Sommerernte wird überall eingebracht, kleine Herden ziehen mit ihren meist jugendlichen Hirten über die Hügel. Und dann dieses Lachen. Winken. Blitzende Augen. Gleichgültig ob Männer, von der Feldarbeit kommend oder auch nur im Schatten sitzend, ob Frauen, Wasser von den runden Ziehbrunnen holend oder mit Feuerholz schwer beladene Esel vor sich her treibend, oder vor allem die Kinder, schüchtern lächelnd oder frech johlend hinter uns her laufend – selten haben wir eine solch wundervolle Freundlichkeit am Straßenrand erlebt. Kein Betteln, kein Steine werfen, nichts. Nur nette Gesten, Freude, Zufriedenheit. Unglaublich schön…

Ein winziges Dorf. Das löchrige Teerband endet direkt am Dorfbrunnen, gegenüber ein Lokal, auf wackeligen Stühlen sitzend grüßen uns die Männer. Wir schließen unseren Wasserschlauch am Hahn an, der Druck ist nur mäßig. Wir werden zum Tee gebeten, die Runde ist interessiert an dem, was wir tun. Die Zeit rinnt unauffällig dahin, unser Wassertank füllt sich nur langsam, egal. Wir lachen mit den Männern, die blecherne Teekanne kreist, der süße Tee schmeckt. Als wir aufbrechen, winkt uns das ganze Dorf hinterher…

Ein Geheimtip. Noch. Gleich in den Bergen hinter Tizi-n-Isly, da versteckt sich ein gewaltiger Canyon, nicht einmal die Marokkaner kennen ihn bislang. Auf einem schmalen Band in schwindelerregender Höhe Ruinen. Grenier de Falaises d`Aoujgal. Ruinen von Speicherhütten, die hier die Lebensmittel der Menschen von Aoujgal über Jahrhunderte sicher vor Räubern lagern ließen, erst vor wenigen Jahrzehnten aufgegeben. Den Hirten der Umgebung ist noch nicht so recht klar, warum seit einiger Zeit immer wieder mal Fremde den beschwerlichen Weg hier herauf finden, sie haben kein Bewusstsein für Historisches, ihr Alltag ist dafür zu hart. Wir parken direkt an der Abbruchkante, der Blick ist überwältigend.

Die Piste verlangt uns alles ab. „Manni“ macht sich ganz schmal, um sich zwischen Abgründen und stacheligem Geäst hindurch zu schmuggeln, es kratzt und knirscht, doch es passt. Höchste Konzentration beim Fahren ist angesagt, ein Fehler ist fatal. Conny muss oft raus, abschätzen, einweisen. Zentimeterarbeit. Dann eine Furt, die Piste weggespült, die Anfahrt extrem schräg. Zu schräg für „Manni“? Kein Risiko, wir füllen mit großen Steinen auf, zwei Hirten helfen uns spontan. Dann wagen wir es. Die Steine ächzen sich unter „Mannis“ Gewicht, doch es funktioniert, wir sind durch. Wir danken den beiden Hirten, sie winken ab, nicht der Rede wert, kein Fordern nach Belohnung. Danke…

 

Im Hohen Atlas

Wie zwei Tränen in einem faltigen Gesicht, so scheinen sich die beiden klaren Seen von Imilchil in die karge Landschaft einzufügen. Kommst du die staubige Piste hinunter aus den einsamen Bergen, dann erscheinen sie dir wie ein kleines Paradies. Zartes Grün beschattet die Ufer des Lac de Tislit, die Blätter der Pappeln und Birken rauschen im Wind, sanft plätschert das Wasser in leichten Wellen über die Steine. Der Blick schweift weit über den einer Mondlandschaft gleichenden Horizont. Stille, ja Frieden breitet sich aus… Wir sitzen in einer großen Runde, direkt am Seeufer, unter den schützenden Bäumen. Das Feuer glimmt, eine leckere Taijne köchelt seit Stunden vor sich hin. Die Teekanne kreist zum wiederholten Male, Lachen klingt hell in der hereinbrechenden Dunkelheit. Adil, Hicham, Samir und 3 x Mohamed, eine lustige Radlertruppe aus Meknes, hat uns zu sich gebeten, und nun genießen wir gemeinsam den hell leuchtenden Vollmond über dem Lac de Tislit. Wieder mal so ein fast schon magischer Moment…

In Imilchil zweigt eine Piste ins Oued Asif Melloul ab. Staubig und immer schlechter werdend schlängelt sie sich weit hinein in das canyonartige, saftig grüne Tal. An den Lehmbauten eines Dorfes scheitern wir fast, so schmal ist der Weg zwischen  den Häusern hindurch, an einer Stelle ist die Strecke gefährlich unterspült und abgebrochen. Und dann sind wir da, in Ougazi. Wir halten am Ortsrand an. Ungläubiges Staunen löst sich schnell in fröhliche Herzlichkeit auf. Das halbe Dorf folgt uns, als wir uns durch den Ortskern hinunter zum Fußballplatz manövrieren, dort dürfen wir parken. Unglaubliche Szenen spielen sich ab, die Frauen und Mädchen nehmen sofort Conny in Beschlag, Lachen und Kichern klingt herüber, jede will fotografiert werden, tausend Fragen werden gestellt. Wir Jungs tauschen inzwischen fachgerecht die aktuellen Fußballnews aus… Said, der Wortführer und Zaid, sein jüngerer Bruder, der recht gut Französisch spricht, nehmen uns mit auf einen ersten Rundgang durch das Berberdorf, zeigen uns stolz Schule, Krankenstation, Moschee und natürlich ihr eigenes Haus, wo wir im Besucherzimmer, auf dicken Berberteppichen sitzend, mit Tee und Gebäck verwöhnt werden. Die Großmutter und die Schwester kommen hinzu, und wir gehen mit den Menschen auf die Felder und zum Fluss, um mehr über ihr beschwerliches Tagwerk zu erfahren. Und immer winkt man uns zu, lacht uns an, freut sich, dass wir den Weg zu ihnen herauf gefunden haben. Abends dann besucht uns der junge marokkanische Doktor, der hier im abgeschiedenen Berberdorf ein praktisches Jahr leisten muss und erzählt uns stundenlang von seinen oft sehr schwierigen Erfahrungen mit den in ihren Traditionen verhafteten Menschen. Als wir am nächsten Tag gegen Mittag wieder aufbrechen, winkt man uns noch lange nach und einige der Jungs begleiten uns mit ihren Fahrrädern ein weites Stück hinaus…

„Gibt es in Deutschland auch Berber?“ – „Nein, leider nicht…“

Schade eigentlich. Lange denken wir noch über diese interessante Frage nach, die Herzlichkeit dieser einfachen und auch armen Menschen hat uns wieder einmal tief beeindruckt.

 

 

herzliche Begegnungen unterwegs
Greniers de Falaises d´Aoujgal
Greniers de Falaises d´Aoujgal
spannende Pistenfahrten vom Mittleren in den Hohen Atlas
Übernachtungsplatz am Lac de Tislit
Tajineessen mit unseren marokkanischen Freunden
Dorf Oulgazi im Asif Melloul
erste neugierige Blicke der Dorfbewohner
Einladung zum Tee bei Said und seiner Familie
harte Feldarbeit im Asif Melloul

Afrika – Marokko – 3.Teil

17.August – 28.August 2014

Vom Hohen Atlas in den Anti-Atlas

Die meist einsam gelegenen Dörfer im Hohen Atlas waren früher nur auf beschwerlichen Maultierpfaden erreichbar, bevor erste Pisten in das grobe Gestein geschlagen wurden. Im Winter unter hohen Schneemassen begraben, waren sie nach der Schneeschmelze oft wochenlang unpassierbar. Heute führen immer öfter schmale Teerbänder oder zumindest noch deren Reste hoch hinauf auf die kargen Pässe, sichern betonierte Furten die Durchfahrten der Oueds. Und doch gibt es sie noch, die abenteuerlichen Verbindungen zwischen den Tälern und deren Dörfern. Wir haben ein paar von ihnen gefunden…

 

Pistenabenteuer…

Von der Todra-Schlucht hinüber zum Dades-Canyon rumpelte man einst über scharfkantige Gesteinsstufen, querte in gefährlicher Schräglage so manchen erodierten Hang. Davon bleibt man heute allerdings verschont, wir fahren entspannt die gut trassierte Piste bis hinauf zu ihrem Scheitelpunkt auf 2635 Meter Höhe. Es bleibt dabei genügend Muße, die wüstenhafte Berglandschaft zu genießen, während die wenigen, hier lebenden Nomaden freundlich grüßen. Kehrseite der Medaille – schnelle Geländewagen mit Dutzenden von guidegeführten Touristen ziehen lange Staubfahnen hinter sich her und verwandeln die einst einsame Passhöhe in eine schnatternden Caféhausatmosphäre.

Vom Dades-Tal ins Rosental zweigt eine unmarkierte Piste direkt hinter dem Weiler Ait Youl nach Westen ab. Langsam holpern wir durch das Oued, es wird immer enger, und schließlich findet „Manni“ gerade noch so einen Durchschlupf im ausgetrockneten Flussbett. Jetzt schlängelt sich die gut befestigte Piste in weiten Schleifen über die sanfte Hügellandschaft, ab und an wird ein weiteres Oued gequert, und plötzlich stehen wir vor einem gewaltigen Tal, dem Ait M`ghoun, das sich hier als enger werdende Schlucht quer durch den Hohen Atlas zieht. Ein Bilderbuchblick bietet sich uns, ein sattgrünes Band aus Palmen und Feldern füllt jeden Quadratmeter dort unten zwischen den steinigen Hängen.

Durch das Rosental in das Land der Kasbahs führt nun unser weiterer Weg. Serpentinen mit engen Radien geleiten uns hinunter ins Ait M`ghoun, wir passieren ein staubiges Dorf im Talgrund, die Furt ist schlammig, aber seicht. Hinter dem nächsten Bergkamm dann eine Überraschung, eine nicht erwartete Teerstraße schont „Manni“ für rund 20 Kilometer, dann endet sie abrupt mitten in einem kleinen Dorf. Unter den tief hängenden Ästen einer Obstplantage und einem weiteren Nest hindurch, immer begleitet vom freundlichen Winken der Menschen, finden wir den Weg hinauf auf eine steinige Hochebene und folgen der knüppelharten Strecke zwischen den hoch aufragenden Bergen. Auch hier leben vereinzelt Nomaden, in primitiven Höhlenwohnungen Schutz suchend vor der sengenden Sonne und den eiskalten Winterstürmen. Viele quer zu unserer Fahrtrichtung verlaufende Wasserläufe behindern unser Fortkommen, oft müssen wir uns den Weg abseits der eigentlichen Piste über das Geröllfeld suchen. Die Kurven an den Berghängen sind stellenweise so eng und ausgewaschen, dass wir froh sind über „Mannis“ kurzen Radstand.

Und dann stehen wir am oberen Tand eines canyonartigen Oueds. Hier müssen wir hinunter. Zu Fuß erkunden wir den ersten Teil der steilen Strecke, es sieht nicht sehr vertrauenswürdig aus, die Piste scheint nicht mehr unterhalten zu werden. Das Wasser hat ganze Arbeit geleistet, viele kleine Murenabgänge zwingen zu waghalsigen Schrägfahrten am Hang, die Randbefestigungen sind unterspült oder gar ganz weggerissen. Doch für „Mannis“ Spurbreite müsste es ausreichen. Wir wagen es, Conny zu Fuß voran, um einzuweisen, „Manni“ mit untersetztem Getriebe für die richtige Traktion und ich angespannt und konzentriert. Meter für Meter tasten wir uns vorwärts, verdammt eng und auch schräg wird es. „Gib Gas, gib Gas, der hintere Reifen hängt schon in der Luft, „Manni“ stürzt ab!“ Doch ein kurzer Druck auf das Gaspedal befreit und aus dieser durchaus prekären Situation und „Manni“ hat wieder festen Boden unter den Schlappen. „Mehr nach links, mehr nach links, Du bist schon am Abgrund!“ Doch mehr links geht nicht, da ist der Berg. Noch dreimal wiederholt sich dieser Drahtseilakt zwischen Schrägfahrt am Berghang und Abbruchkante in die Schlucht, doch dann haben wir das Gröbste geschafft! Conny zittert am ganzen Leib, ich bin noch zu angespannt, um zu realisieren, wie knapp es wirklich war, nur „Manni“ wummert souverän, als sei nichts gewesen, gleichmäßig vor sich hin…

Die Besichtigung der weiteren Strecke bringt Erleichterung, nur noch eine etwas haarige Passage fordert die Nerven etwas, dann sind wir unten im Oued. Es fängt leicht an zu regnen. Nicht auszudenken…

Leichtsinn, Unsinn, unnötig, da doch Alternativrouten vorhanden wären? Oder einfach eine Herausforderung, kalkulierbares Risiko, Lust auf Abenteuer? Ich weiß es nicht…

 

Zwischen Tradition und Moderne

Wir werden spontan eingeladen. Fouad und Khadija mit ihren drei Kindern nehmen uns mit zu ihrer Familie in den Palmenhain von Skora. Es wird eine Art Opferfest für die sechsjährige Noor gefeiert, ihr zu Ehren wurde ein Hammel geschlachtet. 40 Tage nach der Geburt bis zum zehnten Lebensjahr ist die Zeitspanne, in der dieses Fest begangen werden muss. Streng getrennt halten sich Männer und Frauen mit den Kindern in verschiedenen Räumlichkeiten auf. Ein Islamgelehrter ist geladen, er und auch andere der anwesenden Gäste tragen in regelmäßigen Abständen Suren aus dem Koran vor, das Ganze ist sehr feierlich und ernst. Aus den Räumen der Frauen und Kinder klingt immer wieder helles Lachen, rhythmisches Klatschen und Gejohle der Kinder zu uns herüber. „Die haben es gut, die feiern Party…“, flüstert mir Fouad unbemerkt von den anderen ins Ohr. „Bei uns Männern ist immer alles so ernst.“ – „Gehst Du eigentlich auch in die Moschee zum Beten?“ frage ich den in Marseille aufgewachsenen, modern gekleideten Mann. „Ach was, das ist alles nur noch Tradition für mich, wenn ich hier im Urlaub bei der Familie bin.“ Nach Stunden des Betens und Erzählens wird das Festessen gereicht, das Hammelfleisch, garniert mit Pflaumen und Nüssen schmeckt vorzüglich, gegessen wir mit der rechten Hand, Brotstücke dienen als Besteck. Der Abend endet abrupt, ein Zusammensitzen nach dem Essen ist nicht üblich, die Herren verabschieden sich und verschwinden in der Dunkelheit.

Am nächsten Tag besuchen sie uns am Stausee, wo wir Quartier bezogen haben. 20 Personen drücken sich in den Schatten von „Manni“, es gibt ganz traditionell zubereiteten Couscous. Khadija, eine aufgeschlossene Frau, wirkt ein wenig wie ein Fremdkörper zwischen den Mitgliedern ihrer Familie, auch ihren Kindern merkt man den gewohnten europäischen Alltag deutlich an. Es ist nicht leicht für sie, dieser Spagat zwischen Tradition und Moderne, das spürt man, und sie freuen sich schon auf ihr neugebautes Haus in den Vororten von Marseille…

 

Ein marokkanisches Märchen

Wir schreiben das Jahr 1964. Oder 1966. Man weiß es nicht genau, denn es wird keine Statistik, kein Familienbuch geführt in der postkolonialen Ära. Ein winziges, in den Bergen über der Todra-Schlucht abgelegenes, nur über steile Pfade erreichbares Dorf, Tizgui. Hier wird Houssaine Baali geboren, als das siebte Kind der Familie, die eine traditionelle Lehmkasbah bewohnt, ihre Ziegen und Schafe hütet und bescheidene Landwirtschaft betreibt. Keines der Kinder, geschweige denn die Eltern, kann lesen oder schreiben, hatten nie eine Schule besucht. Als Houssaine acht Jahre alt ist, wird in Marokko die allgemeine Schulpflicht eingeführt, unten im Tal steht das neue Gebäude. Die Mutter jammert und klagt, als der kleine Houssaine nun jeden Tag dort hinunter marschiert, sie hat Angst, dass man ihm seine Berberidentität dort nimmt. Doch er setzt sich durch, meistert die Grundschulklassen mit Bravour, doch der weitere Weg in die Mittelschule bleibt ihm vorerst verwehrt, da er nicht nachweisen kann, wer er wirklich ist und wie alt er ist. Erst drei Jahr später gibt ein Onkel überzeugend einfach ein selbstgewähltes Geburtsdatum bei den Behörden an, und jetzt endlich darf Houssaine ins Internat nach Tinerhir.

Drei Jahre lernt er dort, holt verbissen die verlorenen Jahre auf, und mit mittlerweile rund 15 Jahren schicken sie ihn ins Gymnasium nach Boumalne Dades. Dort mach er drei Jahre später sein Abitur. Die Schule hatte einen amerikanischen Englischlehrer, Mr. Killy, und der legt ihm nun nahe, nach Marrakech auf die Universität zu gehen, um die englische Sprache zu studieren. Dieser Schritt ist ein riesiger, doch nach vier weiteren Jahren legt er seinen Bachelor ab –  mit 22 Jahren er ist nun Englischlehrer!

Was für ein Werdegang!

Er geht nach Ouarzazate, der aufstrebenden Stadt am Rande des Hohen Atlas und unterrichtet seitdem bis heute an der dortigen Schule. Zufällig trifft er englische Professoren mit ihren Studenten, wird mehrmals nach England eingeladen, gründet auf eigene Kosten gemeinsam mit Sheila Barry, einer in Marokko verheirateten Engländerin, eine Sprachenschule und ruft Schüleraustauschprojekte mit verschiedenen Schulen in Europa ins Leben, damit die jungen Menschen aus England, Deutschland und der Schweiz einen Einblick in den marokkanischen Alltag erhalten.

Seine Familie lebt weiterhin in Tizgui, niemand dort kann bis heute lesen oder schreiben…

 

unterwegs auf der Piste von der Todraschlucht ins Dadestal
unterwegs auf der Piste von der Todraschlucht ins Dadestal
Nomaden auf ihrem Weg von der Quelle zurück zu ihren Zelten
Manni auf spannender Fahrt durch ein enges Oued
gefährlich-spannende Piste, von Wasser und Steinen zerstört
gefährlich-spannende Piste, von Wasser und Steinen zerstört
typische Dörfer im südlichen Hohen Atlas
Couscousessen in Mannis Schatten
Houssaine Baali - ein ganz besonderer Mensch
Painted Rocks bei Tafraoute

Afrika – Marokko – 4.Teil

29.August – 10.September 2014

Zwischen Atlantik und Hochgebirge

Nur wenig Fahrtzeit liegt hier im Süden Marokkos zwischen den endlosen Stränden des Atlantiks und den über 4000 Meter hohen Gipfeln des Hohen Altas. Und dazwischen lockt die alte Königsstadt Marrakech mit ihrem bunten Treiben.

 

Essaouira

Ohrenbetäubendes Kreischen tausender und abertausender hungriger Möwen kündigen vom nahen Fischereihafen und den einlaufenden Trawlern. Dutzende kleiner blauer Ruderboote dümpeln zwischen der hochseetauglichen Fischfangflotte, die nun von vielen Helfern entladen wird. Sardinen, Doraden, Tintenfische, und unzählige uns unbekannte Meeresbewohner werden sortiert, auf Eis gelegt und sofort verladen oder verkauft. Lauthals preisen die Fischer ihren frischen Fang der drängelnden Kundschaft an. Restaurantbesitzer und Privatleute, Grossisten und auch wir schlagen zu, frischer geht es wirklich nicht.

Gegen Mittag ist der umtriebige Spuk vorbei, jetzt beleben sich die schmalen Gassen in der von einer alten portugiesischen Festungsmauer geschützten Medina. Längst vergangen ist die Zeit der Hippies und Beatniks wie Jimi Hendrix, Bob Marley oder Jim Morrison, die hier die Cafés und Bars in den Siebzigern aufmischten und am musikalischen Mythos Essaouiras mitwirkten. Heute sind es hauptsächlich Pauschaltouristen, die in Hotpants und Trägershirt ihren kulturellen Sachverstand für ein muslimisches Land durch die belebten Gassen schieben. Und so lebt Essaouira heute in erster Linie vom Touristentandverkauf, von Imbissbuden und Klamottenläden, die so überall auf der Welt sein könnten.

Nur rund um die alte Mellah, versteckt in halb verfallenen Häusern, da findet man noch die winzigen Handwerksbetriebe, in denen Schneider, Teppichweber oder Holzschnitzer für den Nachschub der Bazare sorgen. Hier, im Schatten der schmalen Gassen, die kaum ein Tourist betritt, wo es so gut nach frischem Thuyaholz und gefärbter Schafwolle riecht, da lebt noch das ursprüngliche Essaouira. Und dort hört man dann plötzlich wieder Bob Marley…

 

Bei Nadija und Omar

Wir sind kurz vor Amizmiz, einer unbedeutenden Kleinstadt an den westlichen Ausläufern des Hohen Atlas. Überraschend grün ist es hier, die Bäume wachsen bis hoch hinauf in die Berghänge. Es ist später Nachmittag, wir brauchen so langsam einen ruhigen Übernachtungsplatz. Zwischen den vielen Dörfern und verstreut liegenden Gehöften taucht rechterhand ein staubiger Fußballplatz auf, eine kleine Moschee steht am Rand einer Olivenplantage, höhere Bäume und Kakteenhecken bieten Sichtschutz. Wir biegen ab, parken zwischen den locker gepflanzten Olivenbäumen. Ein kleiner Achtjähriger lugt aus sicherer Entfernung schüchtern zu uns herüber, wir winken uns zu, er läuft zu einem niedrigen, unter Feigenbäumen versteckten Haus. Die Eltern sind zu sehen, wir gehen auf sie zu – Bonjour, ca va – aber Französisch spricht hier niemand, also Bodylanguage.

Nadija und Omar bitten uns zum Tee, keine Widerrede, schon sitzen wir im blitzsauberen Innenhof des Häuschens. Nadija strahlt über das runde Gesicht, brät frische Eier, selbstgebackenes Brot und Nüsse kommen auf den Tisch, die Teekanne macht mehrmals die Runde. Sie zeigen uns stolz ihren Besitz, fünf oder sechs Schafe, einige Hühner, ein paar Olivenbäume, gebacken wird in kleinen Lehmöfen, die auch das Badehaus befeuern. Ich drehe mit Omar eine Runde durch die Olivenhaine, Conny sammelt einstweilen einige Frauen und Mädchen um sich und „Manni“, ihr Lachen ist noch weit zu hören.

Wie ein Lauffeuer spricht sich unsere Anwesenheit herum, der Dorfvorsteher kommt mit seinem Mofa angetuckert, begrüßt mich, frägt zweimal, ob wir auch genügend zu essen und zu trinken… - Ja, ja, wir haben… - weil sonst würde er dafür sorgen… – nein, wir sind Gäste bei Omar, alles bestens…

Wir sollen umparken, Omar will, dass wir direkt vor seinem Haus stehen, unter seiner Aufsicht, zwischen Feigenbäumen und den Hühnern. Glänzende Augen freuen sich über ein paar Geschenke, für den Kleinen ist es das erste Spielzeug überhaupt. Nadija bäckt für uns frisches Brot, in der Küche brutzelt eine leckere Tajine mit Rindfleisch und Bohnen, das Hochzeitsvideo der Schwester unterstützt die rudimentäre Konversation. Spät erst gehen wir ins Bett, reichhaltig bewirtet und herzlichst aufgenommen von diesen wundervollen Menschen…

Als wir im Lauf des Vormittags aufbrechen, fließen Tränen. Omar nehmen wir gleich mit nach Amizmiz, zum Wochenmarkt. Lange noch stehen sie vor ihrem kleinen Haus, Nadija und ihr Sohn, und winken uns nach.

Mal sehen, was wir das nächste Mal erleben dürfen, wenn wir einfach wieder nach rechts abbiegen. Oder nach links…

 

Mythos Marrakech

Keine andere Stadt in Marokko ist bekannter, häufiger besucht, geschichtsträchtiger. Und keine andere Stadt polarisiert mehr. Schon immer war sie die eigentliche Hauptstadt des Landes, heute allerdings nur noch die Touristenmetropole.

Die Gegensätze in der Stadt sind enorm. Nirgendwo sonst in Marokko trifft die moderne Jugend des Landes so direkt auf ausgeprägte Traditionen, prallt Wohlstand so offen auf bittere Armut. Und dazwischen hunderttausende Besucher aus der ganzen Welt, die der Stadt ihren so eigenen Stempel aufdrücken.

Zentrum dies allem ist der berühmte Place Djamâa el-Fna. Wo früher die Köpfe der Gehenkten zur Schau gestellt wurden, präsentieren sich heute die Gaukler und Schlangenbeschwörer, die Geschichtenerzähler und unzählige Imbissbuden. Dichter Rauch steigt von den heißen Grills auf, die bunten Wagen der Orangensaftverkäufer blitzen gelb in der Abendsonne. Trommler und Bläser lärmen um die Wette, Schlepper der Straßenrestaurants buhlen lautstark um die Gunst der vorbeischlendernden Touristen.

Hinter dem großen Spektakel taucht man ein in die verwirrenden Gassen der Medina, und je weiter man sich hinein wagt, umso ursprünglicher wird das Ambiente. Sobald man die Zonen mit den touristischen Angeboten verlassen hat, wird man aufgesogen von der uralten Welt der Menschen, die hier schon immer gelebt haben. Dort arbeiten die winzigen Handwerksbetriebe, in denen viele der Produkte hergestellt werden, die weiter vorne feilgeboten werden. Und hier kann man auch wieder ungestört dem Treiben zusehen und den Geräuschen lauschen, ohne ununterbrochen freundlich aber hartnäckig aufgefordert zu werden, sich dem dargebotenen Sortiment zu widmen.

Die Geschichte der Stadt zeigt sich am eindrucksvollsten in den prunkvollen Räumen des El Bahia Palastes oder auch in der ruhigen und abgeschiedenen Atmosphäre der Saadiergräber. Und natürlich an der Kutubiya-Moschee, dem berühmten Wahrzeichen der Stadt, deren wuchtiger Turm über all dem quirligen Treiben wacht. Und so präsentiert sich Marrakech heute vielleicht nicht mehr als das Märchen aus 1001 Nacht, so wie sie oft besungen wurde. Aber für die Meisten bleibt sie nach wie vor der aufregende Einstieg in die orientalische Welt, auch wenn vieles heute etwas aufgesetzt wirkt.

 

Eine kleine Episode am Rande…

Bei unserer Marokkoreise vor drei Jahren übernachteten wir mitten in der Pampa bei Ait Ourir. Ein Schäfer und sein damals etwas 15jähriger Sohn begrüßten uns schüchtern, wir boten Oliven an und Brot, schenkten dem Burschen ein T-Shirt, da seines ziemlich zerrissen war. Am nächsten Tag kam der Junge extra nochmal bei uns vorbei, brachte zum Dank sechs frische Hühnereier.

Nun stehen wir hier am selben Platz. Und tatsächlich, die beiden kommen wieder mit ihren Schafen vorbei, der Bursche von damals inzwischen zum jungen Mann gereift. Erst ein wenig unsicher, dann erkennen sie uns wieder, können es kaum glauben. Wir begrüßen uns herzlich, doch die Verständigung ist schwierig. Am nächsten Morgen reitet der junge Mann zu uns herauf, bringt uns frisch gebackenes Brot, wir revanchieren uns mit einem nützlichen Geschenk.

„Bis bald“, winkt er, als er wieder zu seinen Tieren zurück reitet…

 

im Hafen von Essaouira
Fischverkauf im Hafen von Essaouira
Färberei im Handwerkerviertel von Essaouira
herzliche Begegnungen...
Omar bei der traditionellen Teezeremonie
Nadja im Hof mit Badehaus und Backofen
Marrakech Place Djamâa el-Fna
Saadier Gräber in Marrakech
Palais de la Bahia in Marrakech

Afrika – Marokko – 5.Teil

11.September – 28.September 2014

Der weite Süden

Südlich des Hohen Atlas, dort, wo die Berge weniger schroff, die Winter milder und die unendlichen Weiten der Sahara sich andeuten, da wird das Land trockener, die Stürme heftiger und die Lebensbedingungen der Menschen dadurch nicht leichter. Wir genießen die Gastfreundschaft der Berber hier im Anti-Atlas, trotzen der starken Winde der nahezu menschenleeren Atlantikküste und rollen durch die nicht enden wollende Weite der Westsahara nach Süden.

 

Die Agadire im Anti-Atlas

Meist wachen sie schon weithin sichtbar über die kargen Ebenen, trutzige Speicherburgen, Agadire genannt, aus Schiefersteinen ohne Mörtel errichtet, in denen die Dorfgemeinschaften der Berberstämme im Anti-Atlas seit Jahrhunderten bei heranziehender Gefahr Schutz fanden. Im Inneren dieser schwer zugänglichen und immer streng bewachten und ummauerten Burgen finden wir hunderte abschließbarer Aufbewahrungszellen für Lebensmittel, Waffen oder auch wichtiger Urkunden, es gibt Zisternen, Bienenzellen, Gemeinschaftsküchen und natürlich auch eine Moschee. Bis weit hinein in die Fünfzigerjahre des letzten Jahrhunderts wurden diese Agadire noch aktiv von den Familien der Dorfgemeinschaften genutzt, erst mit der Unabhängigkeit Marokkos und der daraus resultierenden Ordnung und Sicherheit wurden sie nach und nach aufgegeben. Heute sind sie ein interessantes Zeugnis der Geschichte der Berberstämme.

 

Die Westsahara – Marokko oder doch nicht?

Es ist ein riesiges, vorwiegend flaches Wüstengebiet, unwirtlich einsam, von wenigen Nomadenstämmen der Saharawis nur noch spärlich bevölkert, das wir auf unserem weiten Weg hinunter nach Westafrika durchqueren. Von Marokko vor 40 Jahren annektiert und seither kontrolliert und inzwischen auch überwiegend von Marokkanern aufgrund steuerlicher Anreize bevölkert, immer wieder von der algerisch unterstützten Freiheitsbewegung Polisario attackiert, um die Unabhängigkeit zu erreichen, schwelt hier seit dem Abzug der Spanier ein nicht enden wollender Konflikt. Die militärische Präsenz Marokkos ist erdrückend, unzählige Straßencheckpoints müssen helfen, den Deckel auf dem brodelnden Topf zu halten.

Kilometer um Kilometer zieht sich die schmale und an ihren Rändern meist ausgefranzte Straße nach Süden. Nur drei nennenswerte Städte auf 850 Kilometern zeugen von der Einsamkeit, die einen hier umgibt. Meist tosen heftige Stürme über das Land, aufgeheizt von der Unendlichkeit der Sahara oder Kühle bringend aus den Weiten des Atlantiks. Unwirtlich, lebensfeindlich, stoisch den Gewalten der Natur trotzend, präsentiert sich dieser Landstrich dem Reisenden, sicher einer der ödesten der Welt. Wir begegnen nur wenigen Menschen da draußen, meist sind es Fischer, die unter ärmlichsten Bedingungen in winzigen Zelten oberhalb der Steilküste hausen und versuchen, dem Fischreichtum des kalten Kanarenstroms etwas abzuringen.

Die spärlichen städtischen Ansiedlungen dagegen sind marokkanisch dominiert, die wenigen noch verbliebenen Saharawis weitgehend assimiliert. Es ist vor allem der Rohstoff Phosphat, der diese Region für die Marokkaner so interessant macht. Und natürlich die strategische Lage. So wird sich wohl auch in Zukunft nichts an dieser festgefahrenen Situation ändern…

 

Fazit Marokko

„Marokko? – Nein, da fahren wir nicht mehr hin! – Da ist ja übelste Abzocke, andauernde Belästigung, Steine werfende und bettelnde Kinder. – Keinem kannst Du dort trauen! –  Du kannst nicht frei campen, Du wirst überfallen! - Und schmutzig ist es dort, Dreck und Müll ohne Ende…“

Immer wieder hören und hörten wir auch solche Töne. Ansichtssache… Jeder Reisende empfindet und erlebt eben anders.

Marokko? Immer wieder gerne! Über zwei Monate waren wir nun wieder einmal hier, und wir haben ausschließlich Positives erleben dürfen. Abgezockt wurden wir nie, wir fragten halt vorher, was es kostet und signalisierten damit, dass wir uns mit den Preisen auskennen. Belästigt? Nein, nicht wirklich. Wir machten freundlich auf unsere Unwilligkeit, etwas zu erwerben, aufmerksam, und schon wurden wir in Ruhe gelassen, fanden immer Zeit für ein nettes Gespräch.

Steine werfende Hirtenjungen gehören endgültig der Vergangenheit an, ein freundliches Winken und Lachen verhindert schon im Ansatz eine solche Idee. Das Betteln ist heute oftmals ein lustiger Versuch ohne echte soziale Not, der sich mit einigen witzigen Worten meist schnell erledigt hat. Nur das mit dem Schmutzig, das stimmt leider. Der Müll ist uferlos, ganze Städte und Dörfer versinken im Unrat und Plastikresten. Aber auch hier gibt es inzwischen erfreuliche Lichtblicke. So manche Kommune hat das Problem erkannt und erfolgreiche Gegenmaßnahmen ergriffen.

Marokko ist ein absolut sicheres Reiseland. Wir übernachteten bis auf eine Handvoll Ausnahmen immer irgendwo in der Natur oder in den Ortschaften und fühlten uns nie unsicher. Im Gegenteil, jedermann beteuerte uns, hier sei alles absolut sicher und man würde persönlich ein Auge darauf werfen…

Und hier sind wir bei der unglaublichen Gastfreundschaft angelangt. Die meisten Besucher Marokkos bekommen sie gar nicht so wirklich mit, da sie sich mehrheitlich in Gruppen zwischen Touristenzentren und Campingplätzen ghettoisieren. Dazu verhindert das aufgeschwatzte Misstrauen gegenüber Fremdem, auf die Menschen offen zuzugehen. Wir haben jeden Kontakt, jede Einladung, jedes Gespräch genutzt, um mit den Menschen wirklich Zeit zu verbringen. Und wir erlebten unglaublich viele herzliche und emotionale Momente. Vielen Dank für all die wundervollen Begegnungen!

Und dann, klar, die abwechslungsreiche Natur! Unendliche Strände am stürmischen Atlantik, dichte Zedernwälder im Mittleren Atlas, geheimnisvolle Königsstädte voll historischer Erinnerungen und pulsierendem Leben, schroffe Viertausender im Hohen Atlas, grüne Palmenoasen, versteckt in schwer zugänglichen Canyons oder geschützt hinter hohen Sanddünen, herrschaftliche Kasbahs und trutzige Agadire im Anti-Atlas, und schließlich die horizontweite Leere im tiefen Süden.

Marokko wird immer eines unserer Lieblingsziele bleiben – inch`allah…

Und nun, auf nach Mauretanien!

 

Marokko ist und bleibt eines unserer Lieblings-Reiseländer
Speicherburg Id Aissa bei Amtoudi
Bienenzellen in der Speicherburg Id Aissa bei Amtoudi
Vorratskammern in der Speicherburg Id Aissa bei Amtoudi
alte Schriftrollen aus der Speicherburg Id Aissa bei Amtoudi
Piste zur Speicherburg Mharz
wunderschöner Platz im Oued Chbika
Atlantikküste im Oued Crâa
Übernachtungsplatz im Oued Crâa
die Lagune von Dakhla

Afrika – Mauretanien

29.September – 20.Oktober 2014

Durch die Sahara

Der Weg hinunter ins wahre Afrika, der führt immer durch die scheinbar endlosen Weiten der Sahara. Wir wählen dafür anspruchsvolle und spannende Pisten, die uns durch entlegene Gebiete Zentralmauretaniens führen werden.

Grenzübergang afrikanisch – die Erste…

Die Luft flimmert, es ist heiß. Sahara eben. Ständiger Wind macht es aber halbwegs erträglich, zumindest die Temperatur. Dafür ist es sandig. Sehr sandig. Im „Manni“, unter dem Hemd, in den Augen. Beim Kauen knirscht es. Überall Sand.

Vor uns zwei Dutzend Senegalesen in vollgepackten „alles was so fährt“. Heimreise. Nur stockend geht es vorwärts. Dann, endlich im Zollhof bei den Marokkanern. Freundlicher Empfang. Erst Polizei – Stempel. Dann Zoll – Stempel. Dann wieder Polizei – Zollstempel prüfen. Dann zum Scanner, „Manni“ röntgen. Dauert alles unendlich. Und der Sand. Vorher alles eintragen in ein großes Buch, persönliche Daten, Autodaten. Warten. „Waffen dabei? Sprengstoff, Macheten? Gasspray?“ Klar, jede Menge… Was für ein Unsinn! Schrecksekunde – unser Zollzettel ist plötzlich weg! Wieder da… Dann nochmal Zoll und Stempel vom Chef. Endkontrolle, nochmal Polizei. Wieder alles in ein großes Buch…

Endlich, raus aus dem Zollhof. „Bon route…“

Das Niemandsland. Vier Kilometer übelste Steinpiste mit Weichsandfeldern. Die Ränder vermint, kein Ausweichen möglich. Die Ersten bleiben stecken, für „Manni“ kein Problem.

Der mauretanische Grenzposten. Kurz vor Ladenschluss. Erst mal die Schlepper abwimmeln, dann zum Beamten. „Was wollt ihr denn noch hier! Visa? Na gut, schnell, schnell!“ Fingerabdrücke, Foto, jeder 50 Euro – fertig. Das flutscht ja richtig hier! Der Zoll – kleine Menschentraube vor der Amtsstube. Papier ausfüllen, der Offizier hilft mit, will ja Feierabend machen. „Ihr braucht ein Laissez-Passer, einen Passierschein, kostet 10 Euro oder 100 Dirham“. Ich hab`s beobachtet, die Scheine wandern ohne Quittung in die Schublade. Ich zeige ihm den Schein, halte ihm unser Carnet de Passage vor die Nase, quatsche ihn voll. Mein Schein wandert wieder unauffällig zurück zwischen meine Unterlagen, er merkt es nicht. Kann ich auch, die afrikanische Masche… Währenddessen das Carnet abgestempelt, prima.

Raus zur Fahrzeugkontrolle. Steht da einer mit einem Parkticket, will Geld. Ich lach mich tot oder ihn aus, weiß nicht mehr genau. Gezahlt wird nix! Dann der Kontrolleur vom Zoll. „Deutsch? Super, haben die Franzosen geschlagen! – Ja, bei der Fußballweltmeisterschaft, gell?  -  Nein, nein, im großen Krieg! – Ach so…“ Freut sich. „Kann ich mal reinschauen? – Klar, aber Schuhe aus, ist ja unser Haus! – Alkohol dabei? – Ja, aber nur noch eine halbe Flasche Rotwein im Kühlschrank. – Ok, ist kein Problem.“ Auch gut, die anderen 15 Flaschen gut durchgebracht… „Alles fertig jetzt? – Ja, nur noch zur Polizei.“ Wieder großes Buch, Stempel. Dauert. Dann, der finale Schlagbaum…

Viereinhalb Stunden für zwei afrikanische Grenzen bei außergewöhnlich viel Verkehr - guter Wert! Alles soweit korrekt, nichts bezahlt – sehr guter Wert! Der Trick mit der späten Ankunft an der Grenze hat sich also bewährt.

Inzwischen ist es stockdunkel, noch 50 Kilometer bis Nouadhibou. Wir sind in Mauretanien!

 

1000 Kilometer Wüstenpisten

Mauretanien ist in erster Linie ein Wüstenland. Unendlich ziehen sich goldgelbe Sanddünen, schwarz schimmernde Geröllplateaus oder welliges, mit robusten Tamarisken und stacheligen Gräsern bewachsenes Brachland bis zum Horizont. Und hinter diesem dann dasselbe Bild…

Hier wollen wir durch auf unserem Weg nach Süden. Rund 1000 einsame Kilometer müssen dabei bezwungen werden. Wir schließen uns mit Carina und Stany aus Belgien zusammen, mit zwei Lastern erhöhen wir unsere Sicherheit bei eventuell auftretenden Problemen.

Die erste Etappe ist orientierungsmäßig eigentlich einfach. Immer entlang der Erzbahn nach Osten, die mit den gigantischsten Zügen der Welt aus dem über 750 Kilometer entfernten Abbaugebiet Eisenerz nach Nouadhibou karrt. Erst am dritten Tag treffen wir wieder auf Menschen. Ärmlichste Behausungen mitten im Nirgendwo, an der Lebensader Bahndamm gelegen. Für uns nicht vorstellbar, hier zu leben…

Ein riesiger Monolith fokussiert unsere Blicke. Der Ben Amira taucht schemenhaft in der sandgeschwängerten Luft auf. Weitere dieser glattgeschliffenen Granitkegel flimmern am Horizont. Viel höher als sein berühmter roter Bruder in Australien beherrscht er weithin die Szenerie. Ein tolles Bild!

Dann Choum, ein elendiges Nest, von Müllhalden umgeben. Hier verlassen wir die Erzbahn, wenden uns nach Süden, nach Atar, Zentrum der maurischen Bevölkerung. Wir erholen uns in der malerischen Oase Terjit - stattliche Palmen, weiche Dünen, strohgedeckte Rundhütten, Wasser plätschert. Die Menschen freundlich, kein Betteln, statt dessen Einladungen zur traditionellen Teezeremonie.

Anders dagegen das berühmte Chinguetti, einst heilige Stadt des Islam, geheimnisvolles Ziel aller Wüstenreisenden, Zauber der Vergangenheit, Weltkulturerbe. Die Altstadt, zwischen sandigem Oued und unaufhörlich vorrückenden Dünen erstickt so langsam, allerdings vor allem im eigenen Müll. Die historischen Häuser, meist zerfallen, nur wenige sind noch erhalten, die meisten der uralten Holztüren verschwunden. Der weithin bekannte, aus losen Steinen aufgerichtete Turm der Moschee steht traurig inmitten eines hässlichen Trümmerfeldes. Und der letzte Rest des alten Zaubers verfliegt mit den aufdringlichen „cadeau, cadeau“- Forderungen der Kinder und den hartnäckigen Angeboten der jungen Frauen, ihre Souvenirs an den Mann zu bringen. Schade…

Die zweite Etappe hinunter nach Tidjikja quert endgültig die mauretanische Sahara. Vereinzelt stoßen wir auf Nomaden, sonst sind wir tagelang allein. Großartige Streckenabschnitte durch vom Wind modellierte Wanderdünen, spannende Spurensuche in unübersichtlichen Weichsandfeldern, nerventötende Schleichfahrt über scharfkantige Felsriegel, traumhaftes Guelta Taourjeft mit der berüchtigten Hangdüne, die es aufwärts zu überfahren gilt und überraschenderweise auch erste kurze Abschnitte mit nagelneuem Asphalt. Nicht mehr lange, und diese Durchquerung wird ihren ursprünglichen Reiz verloren haben…

Und dann haben wir es geschafft, nach zwei Wochen Wüstenabenteuer erreichen wir wohlbehalten  Tidjikja! Die Sahara liegt hinter uns…

 

Die letzten Sahara-Krokodile

Manchmal tauchen Fotos von ihnen auf, kleine, keinen Meter lange Krokodile. Sehr scheu und deshalb lange Zeit für ausgestorben gehalten, soll es noch rund 100 Exemplare in verschiedenen, sehr versteckt liegenden Gueltas hier am Südrand der mauretanischen Sahara geben.

Wir fahren zum Guelta Matmata. Tiefsandiges Gelände erschwert die Anfahrt, in den einsamen Weilern laufen die Menschen neugierig zusammen, wenn wir uns den ärmlichen Hütten nähern oder uns entlang der jetzt nach der Regenzeit üppig grünen Felder durch den angetrockneten Schlamm quälen.

Dann ist Schluss, wir stehen im Palmenhain des Dorfes Matmata, umringt von tiefschwarzen Gesichtern, die schüchtern lachen und uns vorsichtig beobachten. Willkommen in Afrika! Ab hier geht es morgen nur noch zu Fuß weiter. Wir nächtigen vor dem Ort, jede unserer Bewegungen wird von den vielen Kindern interessiert beobachtet, wir sind die Attraktion des Tages!

Früh am Morgen machen wir uns bei fast schon 45°C auf den einstündigen Weg tief hinein ins Guelta Matmata. Hohe Palmen säumen die sandigen Wassertümpel, die sich zwischen hoch aufragenden Felswänden verstecken. Und wir haben Glück – zwei kleine Augen samt einer langen Schnauze blinzeln aus dem trüben Wasser. Es gibt sie also tatsächlich noch, die letzten Sahara-Krokodile! Den ganzen Tag liegen wir auf der Lauer, und wir werden belohnt für unsere Geduld. Ein weiteres dieser scheuen Tiere sonnt sich lange auf einer Sandbank, nicht weit von uns entfernt. Doch bei der ersten Bewegung unsererseits, verschwindet es wieder blitzschnell im trüben Wasser und ward nicht mehr gesehen.

Ein tolles Erlebnis, diese seltenen Tiere zu Gesicht bekommen zu haben!

 

Manni trifft Erzbahn, den längsten Zug der Welt
Anfahrt durch die Dünen zum Monolithen Ben Amira
Ben Amira, der höchste Monolith der Welt
Übernachtungsplatz am Karavanentrail
BilderbuchoaseTerjit
die alte Moschee von Chinguetti
traumhafter Übernachtungsplatz an der Hangdüne von Zarga
malerisches Guelta Taourjeft
Eimerdusche am Brunnen im Guelta Taourjeft
Guelta Matmata - Refugium der letzten Sahara-Krokodile
ein scheuer Blick des Krokodils
Sahara-Krokodil beim Sonnenbaden

Afrika – Mauretanien / Senegal 1.Teil

21.Oktober – 08.November 2014

Buntes Afrika

Die Sahara mit ihren unendlichen Weiten liegt endgültig hinter uns. Nach einer kurzen Fährpassage über den Senegalfluss begrüßt uns nun mit Westafrika eine vollkommen andere Welt.

 

Doch vorher noch ein kurzes Fazit Mauretanien:

Wüste. Sehr viel Wüste. Und nur wenig Menschen. Ein riesiges Land, kaum bewohnt, kaum Straßen und Pisten. Nur wenige Reisende waren jemals dort.

Und jetzt wir. Tagelang unterwegs in nahezu unberührter Natur, immer weiter, dem fernen Horizont entgegen. Unendliche Dünen, pechschwarze Geröllfelder, einsame Monolithen, karge Tafelberge. Dann Oasen, herrlich grün, Wasser, Palmen. Viele Kamele. Und die letzten Sahara-Krokodile.

Die Menschen. Über Land nur einige Nomaden, freundlich grüßend, woher, wohin? In den wenigen Siedlungen viele Kinder. Cadeau, cadeau – Bettelei, aber alles im Rahmen. In die Schule geht nur jeder Zweite. Die Mauren, die Herren des Landes, der Wüste, stolze Araber, zurückhaltend, ein wenig unnahbar, kaum Kontakte möglich. Ganz anders dagegen die schwarze Bevölkerung, Bewohner des Südens. Immer ein Lachen, freundlich winkend, ca va? Bis 1980(!) gab es hier offiziell die Sklaverei, der Rassismus ist deutlich spürbar.

Viele Straßenkontrollen hemmen das Vorankommen, bestimmt 50 Mal heißt es „Donnez-moi un fiche“ – ein Zettel mit unseren Daten. Aber immer höflich, korrekt, „c`est pour votre securite“ – für unsere Sicherheit. Die Hauptstadt Nouakchott, ein chaotisches „Dorf“, ein exotischer Fischerhafen. Dann nur noch die unverhohlene Abzocke am Grenzübergang in Rosso. Schade, es bleibt ein fader Beigeschmack in Erinnerung…

Es war spannend, auf den abgelegenen Pisten durch dieses leere Land, durch diesen Teil der endlos scheinenden Sahara zu reisen. Aber das war es dann auch schon…

 

Grenzübergang afrikanisch – die Zweite…

Rosso. Das Synonym für Abzocke, für behördlichen Einfallsreichtum, für Hektik ohne Ende, stundenlanges Hinhalten. Rosso, diese windige Fähranlegestelle am Senegalfluss zwischen Mauretanien und Senegal ist zum Schrecken aller Afrikafahrer avanciert. Nirgendwo sonst auf diesem Kontinent soll der Reisende der Willkür der Behörden ärger ausgesetzt sein wie hier. Mal sehen…

Mohamed Ali, ein zeitweise in Frankreich arbeitendes, mauretanisches Schlitzohr hat uns schon weit vor der Grenze aufgegabelt und sich uns für nur zehn Euro Lohn als Schlepper durch die einfallsreichen Instanzen afrikanischer Grenzorgane angeboten. Wir nehmen seine Dienste an in der Hoffnung, uns dadurch die Horden der anderen Schlitzohren einigermaßen vom Leib zu halten.

Klappt soweit auch ganz gut. Nach einer ersten Kontrolle die Einfahrt in den kleinen Zollhof direkt an der Fähranlegestelle, sieht nach wenig Verkehr aus. Schon mal nicht schlecht. Dann geht es los. Carnet de Passage abstempeln lassen, zehn Euro mit Quittung, ganz korrekt bisher. Dann Polizei, 15 Euro für zwei Pässe ausstempeln, Quittung ohne erkennbaren Betrag – naja… Weiter zum Fährticket kaufen, 20 Euro für „Manni“, offizielles Ticket mit Betrag und Stempel, alles richtig. Kommunale Steuer, 15 Euro, Quittung mit unleserlichem Betrag, nun gut… Zwischendurch Geld wechseln, Versuch, mich dabei zu bescheißen fehlgeschlagen, bin ja nicht blöd. Nochmal irgendwo 15 Euro, für was auch immer, weiß ich nicht mehr. Dann auf die Fähre, die Auffahrtsrampe liegt unter Wasser, macht nichts, für „Manni“ kein Problem.

Die Überfahrt ist kurz, wieder durchs Wasser und ab zu den Senegalesen, immer an der Seite von Mohamed Ali. Der macht jetzt Hektik, will im Vorfeld 70 Euro, um alles schnell zu erledigen. Kannste vergessen, Freundchen, ich gehe überall schön mit. Findet das nicht so toll, ist mir aber egal. Erster Schalter, Fahrzeugdaten in den Pass eintragen, sieben Euro fuffzig. Quittung gibt’s nicht, haben die Senegalesen nicht, bei keiner Stelle. Na also, hier funktioniert doch die Zusammenarbeit der Schlepper und Beamten perfekt! Hinterher wird dann geteilt... Polizei, Pässe stempeln, neun Euro, dann noch kommunale Steuer, den Blödsinn haben sie hier also auch, 15 Euro. Jetzt noch das Wichtigste, das Carnet de Passage abstempeln lassen. Jetzt kommt´s - der Zuständige füllt nur ein Passavant aus, für knapp vier Euro, das innerhalb von 48 Stunden im über 300 Kilometer entfernten Dakar am Zollamt abgestempelt werden muss, erst dort bekommt man den notwendigen Stempel ins Carnet. Ich tobe innerlich, ziehe mich verärgert zurück, jammere rum und bin beleidigt. Der Beamte schüttelt den Kopf, nichts zu machen, Mohamed Ali hebt bedauernd die Achseln. Aus den Augenwinkeln sehe ich allerdings, dass das Carnet jetzt ordnungsgemäß gestempelt und bearbeitet wird, trotz Passavant. Was hat das nun zu bedeuten? Mohamed Ali zieht mich zur Seite: „Also, ich hab da einen Freund beim Zoll in St. Louis, der kann arrangieren, dass Du das Passavant auf zehn Tage verlängert bekommst, dann musst Du nicht sofort nach Dakar. Kostet nur 30 Euro, ist also viel billiger als der Diesel für die Fahrt nach Dakar und zurück.“ Aha, daher weht also der Wind! Ich lehne dankend ab, kann er gar nicht verstehen. Jetzt macht er einen auf beleidigt. Und er will noch 15 Euro für den Burschen am Tor, dass er es öffnet. Kriegt er aber nicht, ich bin jetzt fertig mit ihm, gebe ihm die vereinbarten zehn Euro und schicke ihn zum…

Die Toröffnung kostet natürlich nichts… Wir sind durch. Nach der Rekordzeit von nicht einmal zwei Stunden! Ohne Stress und Hektik, um rund 110 Euro erleichtert, allerdings zum Teil irgendwie nachvollziehbar und sicher deutlich weniger, als sich unser Schlitzohr Mohamed Ali uns seine Beamtenkomplizen erwartet hatten. Aber was machen wir mit dem 48-Stunden-Passavant? Gilt das jetzt oder doch der Carnetstempel?

Ein paar Kilometer weiter eine Zollkontrolle. Passavant herzeigen, mein letzter Versuch, die 48 Stunden auf zehn Tage zu verlängern. Ein Bursche bietet seine Dienste an, dies zu erledigen, kostet nur 30 Euro. Zahl ich nicht, sage ich ihm, kenne ich schon, die Masche, aber er sitzt bereits auf dem Moped und rauscht mit unserem Passavant zurück zur Grenze. 20 Minuten später ist er wieder da, mit einem neuen Passavant für jetzt 10 Tage. Soso, geht doch ganz easy, gell? Und jetzt die 30 Euro von mir, zum Teilen mit dem zuständigen Beamten. Kannste knicken, Freundchen, nicht mit mir. Ich zeige dem Zollbeamten vor Ort das Passavant, er nickt es ab, ist doch alles ok, ich sage ihm, dass der Kamerad hier dafür 30 Euro von mir will, das ist doch nicht korrekt oder? Nein, natürlich nicht, „Bon route“, alles gut. Der Bursche tickt fast aus, seine erwarteten 30 Euro verschwinden mit uns auf Nimmerwiedersehen und er kriegt auch noch einen gehörigen Anschiss vom Uniformträger. Sind also doch nicht alle korrupt hier, macht ja Hoffnung…

Und wir haben ein 10 Tage Passavant, ein abgestempeltes Carnet de Passage, und sind, wie wir später erfahren, mit rund 110 Euro „Kostenbeteiligung zur sozialen Sicherung der Lebensbedingungen für afrikanische Beamte“ noch günstig davongekommen. Und so schnell und entspannt wie wohl kaum jemand vor uns! Aber es stinkt mir trotzdem…

 

Willkommen im Senegal – ein Festival für die Sinne!

Herrlich grün wiegen sich Zuckerrohr und Reisschösslinge im leichten Wind, was für ein Kontrast zur meist eintönigen Wüstenlandschaft der letzten Wochen. In St. Louis dann endlich wieder was für die (männlichen) Augen – die Mädels tragen viel Buntes auf schöner nackter Haut, vorbei die Ganzkörperverhüllten der arabischen Welt. Macht auf Anhieb Laune…

Fröhliches Winken begleitet uns – „ca va? Bienvenue au Senegal!“ Händeschütteln, wo immer wir anhalten. „Kein Problem, hier könnt Ihr überall über Nacht stehen bleiben, alles ist sicher.“ Wir verbringen vier herrlich entspannte Tage bei Christine und Sven auf ihrem sehr gemütlichen Camp, auch wenn er gerade fast gänzlich unter Wasser steht.

In Kayar hunderte liebevoll und bunt bemalter Pirogen, mit denen die mutigen Fischer tagein, tagaus hinaus aufs Meer fahren. Wir kaufen einen ganzen Eimer fangfrischen Fisch direkt ab Boot zu einem Spottpreis. Dakar ist entspannter als gedacht, keinerlei Kontrollen, keine Abzocke, kein Stress, aber auch ohne wirkliche Highlights. Wir übernachten hinter der neuen amerikanischen Botschaft, so sicher wie nirgendwo, wie die Jungs von der Security des benachbarten Hotels lachend bestätigen. Und sie lassen uns durch den Lieferanteneingang aufs Hotelgelände, den Privatstrand nach dem Sightseeing genießen.

Auf der Muschelinsel Fadiouth besuchen wir die Messe zu Allerheiligen. Nahezu 700 Menschen, in prächtigem Sonntagsstaat gekleidet, füllen den mitten im Dorf stehenden, modernen Kirchenbau. Hier leben mehrheitlich Christen im eigentlich islamischen Senegal. Was tun wir hier, die wir sonst nie in die Kirche gehen? Ist es die Neugier, wie feiern die Gläubigen wohl hier eine Messe? Der Chor hebt an, die Musik im Rhythmus afrikanischer Trommeln geht sofort unter die Haut, nimmt uns mit. Die Gemeinde ist feierlich, aber nicht steif, immer mehr Menschen kommen herein. Die Reden sind kurz, es wird mehr gesungen, erinnert ein wenig an Gospel. Wir sind berührt, beschwingt und auch andächtig. Zwei Stunden vergehen wie im Flug. Finden wir hier in Afrika womöglich wieder den Zugang zur längst verloren geglaubten Kirche? Wer weiß…

Palmarin, am Nationalpark Delta du Saloum. Kilometerlanger, menschenleerer Strand, wir stehen am Rand eines Erdnussfeldes zwischen Büschen und niedrigen Baobabs. Leopold kommt uns begrüßen, es ist sein Grundstück, „kein Problem, fühlt Euch wie Zuhause, bleibt, solange Ihr wollt.“ Die Fischer zerren ein riesiges Netz aus dem Meer, gut gefüllt mit kiloweise Fischen und sonstigem Meeresgetier. Wir erstehen zwei große Seeteufel, edler geht es nicht mehr, für lächerliches Geld. Später finden wir noch einen Dritten und einen Vierten bei uns am Strand. Anglerglück?

Wir schlendern mit Lamine, einem Fischer aus dem Dorf, zu seinem Haus, wir sind zum Abendessen eingeladen. Der Vollmond macht die Nacht fast zum Tag. „Habt Ihr bei Euch in Europa auch so einen Mond…?“

Wir haben uns jetzt schon verliebt in dieses Land und seine herzlichen Menschen…

 

Rosso, Ankunft im Senegal
riesige Krabben am Strand
St. Louis, bröckelnder Glanz vergangener Zeiten
Übernachtungsplatz unter blühenden Baobabs
Kayar, das bekannteste Fischerdorf Senegals
Dakar, Blick zur Sklaveninsel Goree
Muschelinsel Fadiouth
Mädchen in Fadiouth
Erntezeit auf den zahlreichen Erdnussfeldern
ein totes Rind ist Festmahl für die Geier
Piste durch einen Palmenwald
witziger Schlammspringer - ein Fisch?

Afrika – Senegal 2.Teil / Gambia 1.Teil

07.November  – 26.November 2014

Senegambia…

…wird die Region hier auch genannt, so eng sind die beiden Länder miteinander verknüpft. Doch es gibt auch massive Unterschiede, allem Voran die Amtssprache – hier Französisch, dort Englisch. Koloniale Überbleibsel…

 

Die Casamance

Der Gambia-River zerschneidet Senegal in zwei Teile. Im Norden überwiegt saheltypische Savannenlandschaft mit hohem Gras, Baobabs und Akazienbäumen, doch der Süden, die Casamance, strotzt nur so vor üppiger, tropischer Pracht. Wuchtige Kapokbäume und schlanke Palmen, Mangrovenwälder in sumpfiger Flusslandschaft, sattgrüne Reisfelder zwischen den von traditionellen Rundhütten geprägten Dörfern, ja sogar vereinzelt klassisch tropischer Regenwald bestimmen das Bild. Die Menschen hier unten, vorwiegend vom Stamm der Diola und der Mandinga, sie sind überaus freundlich, ja fröhlich, und sie begegnen uns mit großer Herzlichkeit.

Doch unter dieser so locker erscheinenden Oberfläche brodelt es ständig. Seit rund 500 Jahren wehren sich die Diola gegen die Fremdherrschaft, gegen Portugiesen und Franzosen, bis hin zur heutigen Zentralregierung in Dakar. Und so kommt es immer wieder zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen der Staatsmacht und der Rebellenbewegung. Zur Zeit ist es allerdings ruhig und wir genießen die Vorzüge dieser herrlichen Region. Kilometerlange, einsame Atlantikstrände vermitteln Südseeatmosphäre, auf den bunten Märkten stapeln sich Wassermelonen, Papaya und Bananen, jeden Nachmittag bringen die Fischer in ihren bunten Pirogen tonnenweise Fisch an Land. Wir versorgen uns hier unglaublich preiswert, genießen die lockere Stimmung und finden in Dörfern wie Djembering, Elinkine oder auch Kafountine das, wie wir uns das Leben vorstellen…

 

Bei den Fischern von Kafountine

Am westlichen Ende des Dorfes, dort wo der Strand sich scheinbar unendlich bis zum Horizont zieht, da treffen wir auf eine andere Welt. Beißender Qualm verhindert jegliche Sicht, bestialischer Gestank verwesenden Fischs quält die Sinne. Tausende Menschen quirlen hin und her, bringen auf endlosen Eselkarawanen Feuerholz aus den Wäldern der Umgebung, um die Räucheröfen zu bestücken, Frauen sitzen in geschwätzigen Gruppen um meterhohe Berge geräucherten Fischs, der nun zum Abtransport präpariert wird, Fischer in ihren schlanken Pirogen schleppen pausenlos Nachschub aus dem Meer heran, tonnenweise wird verpackt und verladen. Etwa 30.000(!) Tonnen jährlich werden hier umgeschlagen, mit primitivsten Mitteln, unter horrenden Arbeitsbedingungen. Doch was dem Außenstehenden, dem flüchtigen Besucher, wie ein undefinierbares Chaos erscheint, ist in Wirklichkeit eine perfekt funktionierende Maschinerie. Und täglich verlassen Dutzende LKWs diesen scheinbaren Vorhof der Hölle, unterwegs in die Nachbarländer wie Mali oder Burkina Faso, mit nun haltbarem Räucherfisch.

 

Ein senegalesischer Kunstmaler und ein Schweizer Schreinermeister

Immer wieder treffen wir auf Menschen, die etwas Besonderes schaffen oder leben. Sie sind es, die Impulse setzen, der Gemeinschaft helfen und mit ihren Ideen und Plänen verändern und gestalten.

„Afrika, das ist Ausbeutung der Menschen durch rücksichtslose Politik der eigenen Machthaber, Vetternwirtschaft und Korruption, Überbevölkerung und Aberglaube, religiöser Irrglaube und Polygamie, fehlende Ausbildung und Chancenlosigkeit, Zerstörung der Natur durch Müll und Abholzung!“ – Dies sagt nicht etwa ein postkolonialer Beamter irgendeiner europäischen Regierung, nein, das sagt Ibrahima Mballo, Senegalese, 46 Jahre alt, Kunstmaler. Er spricht aus, wie es wirklich ist, was das Leben der Menschen hier tagtäglich erschwert. Er nennt die Probleme beim Namen, hat Mut, eckt an.

Seine Bilder sind ein Festival der Farben, der Lebensfreude, zeigen Traditionelles auf bunte Weise. Er malt, was er sieht, was er denkt. Doch die Leinwände, die Acrylfarben sind teuer, er müsste viel mehr Bilder verkaufen können. Doch das ist schwer, seine Landsleute haben für solche Kunst kein Verständnis. Und Touristen sind Mangelware.

Er ist der erste Afrikaner, den wir kennen gelernt haben, der aktive Mülltrennung und Entsorgung betreibt. Er erkennt die massiven Probleme für die Natur und die Menschen, die durch den Müll entstehen. Sein Plan ist es, einen alten Pickup zu kaufen und eine private Müllabfuhr aufzubauen. Auch dafür braucht er natürlich Geld. Umso wichtiger ist es, seine gefühlvoll gemalten Bilder verkaufen zu können. Dabei wollen wir ihm gerne helfen…

 

„Ausbildung in Afrika ist mangelhaft, eröffnet den jungen Leuten kaum Chancen, sich weiter zu entwickeln!“ – Kurt Koch ist Schweizer, Schreinermeister, 56 Jahre alt, inzwischen mit einer Senegalesin verheiratet, und er hat in jahrelanger, mühsamer Kleinarbeit eine Ausbildungsstätte für Schreinerlehrlinge aufgebaut, die sogar offiziell anerkannt wurde. Vier engagierte Burschen aus der näheren Umgebung genießen nun die tolle Möglichkeit einer qualifizierten Ausbildung, die ihnen eine eigene, bessere Zukunft ermöglichen wird. Kurt steckt an, seine Fröhlichkeit, sein Lachen, sein unerschütterlicher Optimismus ist anscheinend grenzenlos. Seine Jungs in der Werkstatt sind zuverlässig, willig, und es macht Spaß zu spüren, wie sie erkennen, dass dies die Chance ihres Lebens ist.

Nur solches Engagement kann schlussendlich erfolgreich in Afrika sein, doch leider werfen die Behörden hier den Helfenden immerfort Knüppel zwischen die Beine. Und so verpuffen die meisten Unterstützungen irgendwo im Nirgendwo. Unser Respekt gilt Menschen wie Kurt, die ihr eigenes Leben in überwiegendem Maße in den Dienst solcher Aufgaben stellen. Deshalb verlinken wir ihn gerne mit unserem eigenen Hilfsengagement „Mantoco hilft den Kindern dieser Welt“, um sein Wirken zu unterstützen. Denn bei ihm kommt jede Spende auch wirklich den Betroffenen zu!

 

typische Landschaft in der Casamance
Fischerboote in Elinkine
herzliches Kinderlachen
kitschiger Sonnenuntergang am Camp
riesiger Kapokbaum
Kafountine - Fische werden in der Sonne getrocknet
Fischverarbeitung in Kafountine
Einsalzen der Fische
Kinder in Kafountine
Fischverkauf auf dem Markt in Banjul/Gambia
Ibrahima Mballo - Künstlername I Caramba
Kurt Koch, engagierter Schreinermeister

Afrika – Gambia 2.Teil / Senegal 3.Teil

27.November  – 08.Dezember 2014

Der Gambia-River,

Lebensader dieses kleinen Landes, war einst Sammel- und Ausgangspunkt für Millionen von schwarzen Sklaven, die von hier aus unter unsäglichem Leid nach Amerika verschleppt wurden. Heute hat die einstige Fieberhölle ihren größten Schrecken verloren, nur die Malaria quält die Menschen nach wie vor während der schwülheißen Regenzeit. Und dort, wo sich der träge Strom in den Atlantik ergießt, kämpfen die Fischer mit ihren winzigen Booten tagein, tagaus ums Überleben.

 

Moussa und Babouka

Anfang zwanzig sind die beiden Brüder, ein offenes Lachen, fröhlich blitzende Augen – so lernen wir sie kennen, hier am sogenannten „Paradise Beach“. Doch ihr Leben ist alles andere als paradiesisch. Eine wirklich winzige Piroge, alt und an mehreren Stellen undicht zwischen den angefaulten Planken, zwei von tausenden gepaddelten Kilometern rundgeschliffene Riemen – einen Motor können sie sich nicht leisten – als Angel ein Stück Holz, um das fünfzig Meter Schnur gewickelt sind, kein Netz. Abwechselnd rudern sie täglich weit hinaus aufs offene Meer, rund sieben Kilometer hin und abends wieder zurück. Der Kampf mit den Wellen, der Strömung und den kräftigen Tiefseefischen, die gnadenlose Sonne und der salzige Wind zehrt sie aus, mach sie müde. An manchen Tagen kommen sie mit leeren Händen nach Hause, die Familie hungert dann. Doch dann ist ihnen das Glück wieder hold und das winzige Boot ist gut gefüllt mit Seeteufel und Barracuda. Jeden Abend kaufen wir ihnen ordentlich etwas ab – „gib mir, was Du denkst…“ – jeden Tag schenken sie uns noch einen Fisch obendrauf.

Als wir uns nach einer Woche von ihnen verabschieden, ihnen neue T-Shirts anstatt der löchrigen, die sie jeden Tag tragen geben, stehen Tränen in ihren fröhlichen Augen, bevor sie sich wieder ihrem beschwerlichen und gefährlichen Tagwerk zuwenden. Ein letztes Winken, und das morsche Boot verschwindet als winziger Punkt am Horizont…

 

Gambia-River

Nur wenige, winzige Dörfer und in der feuchten Hitze vor sich hin verrottende Städtchen befinden sich direkt am Ufer des dicht bewachsenen Flusses. Unüberwindbares Mangrovendickicht, Überschwemmungen und Milliarden malariaübertragender Mücken während der Regenzeit, Felder zerstörende Flusspferde und unberechenbare Krokodile verhindern eine dichtere Besiedlung nahe am Wasser. Der jetzt in der Trockenzeit so träge dahinfließende, gegen die weit ins Landesinnere vordringende Flut des Atlantiks ankämpfende Strom, wird schnell mal zum todbringenden Menschenfresser. So wie seit hunderten von Jahren, als die ersten Europäer hier starben wie die Fliegen, als tausende von gewaltsam hierher verschleppter Sklaven für die Baumwollplantagen Amerikas die Frachtschiffe nicht erreichten.

Von alledem bekommen wir nichts mit. Auf dem nagelneuen „Transgambien Highway“ rollen wir gemächlich gen Osten, durch tropische Wälder und sattgrüne Reisfelder, nur gestoppt von den unzähligen Polizeikontrollen, die sich ein Zubrot zu ihrem kargen Salär erhoffen. Von uns gibt es allerdings immer lediglich ein freundliches Gespräch. In Tendaba, einem kleinen Nest irgendwo unterwegs am Fluss und in Bansang, einem netten Städtchen schon weit im Osten des Landes, machen wir Halt für die Nacht und genießen die Herzlichkeit der hier lebenden Menschen. Für sie ist das Wasser die Lebensader, bewässert ihr Felder, gibt ihnen Fisch und sorgt für ein erfrischendes Bad nach einem staubig-heißen Tag. Lange sitzen wir abends am Ufer, erwehren uns der lästigen Moskitos, verabschieden die glutrote Sonne hinter hoch aufragenden Palmen und versinken in Gedanken an die leidvolle Geschichte des Gambia-Rivers…

 

Fazit Gambia

Gambia, dieses winzige Land beidseitig des gleichnamigen Rivers, ist eine strenge Diktatur, ganz klar. Das spüren sogar wir als Reisende, wenn wir uns der unzähligen und lästigen Polizei- und Militärkontrollen erwehren müssen. Das erfahren wir in den Gesprächen mit den mehrheitlich jungen Menschen, die wütend sind auf die Missstände im Land, die ihnen keinerlei Zukunftschancen lassen, während die Präsidentenclique sich die Taschen vollstopft. Umgerechnet einen Euro am Tag verdienen die meisten, wenn sie denn überhaupt einen Job haben. Und sie sind weitgehend rechtlos, wenn es um ihre Interessen geht. Enteignungen und Willkür sind an der Tagesordnung, Unterdrückung und Kontrolle macht das Leben schwer.

Bei diesen Voraussetzungen verwundert es enorm, dass die Menschen trotzdem fröhlich sind, lachen, tanzen und jeden Tag aufs Neue mit der Hoffnung beginnen, dass es schlimmer ja nicht werden kann. Ihre Fröhlichkeit steckt an, nicht umsonst sind Metaphern wie „Paradise Beach“ oder „Smiling Coast“ ein Markenzeichen dieses Landes. Für uns waren die zwei Wochen hier jedenfalls ein herrlich entspannter „Urlaub“ vom „unterwegs sein“, und es bleibt zu hoffen, dass der sich steigernde Unmut über die Herrschenden nicht eines Tages in einem Blutbad endet…

 

Bei den Fulbe im Bergland zu Guinea

Es ist noch stockdunkel, als der Hahn, ein Esel und der Dorfmuezzin in ein nervenzerfetzendes Tremolo verfallen und sich gegenseitig versuchen zu überbieten. Wie zum Beifall ergänzen Hühnergegacker und Ziegengemecker die drei Solisten und für uns ist es rum mit dem herrlichen Schlaf unter Palmen und Mangobäumen. Aber so ist es nun mal, wenn wir uns entscheiden, inmitten einem der vielen kleinen und typisch afrikanischen Dörfer zu nächtigen. Kaum kugelt sich die rötlich-gelbe Morgensonne über die üppig grün bewachsenen Bergrücken, erfüllt fröhliches Geplapper die Pfade zwischen den strohgedeckten Rundhütten. Die Kinder sind die Ersten, die lossausen, neugierig um „Manni“ schleichen und ein schüchternes „bonjour“ verlauten lassen. Schon sind die etwas größeren Mädchen unterwegs, balancieren elegant und scheinbar mühelos Zehnlitereimer, randvoll mit frischem Bergwasser auf ihren Köpfen. Zarte Rauchfahnen künden von entfachten Feuern, die Rinder werden bei uns vorbei getrieben, jeder grüßt zu uns herauf.

Das Kopfkino wird zur Wirklichkeit, um uns herum lebt Afrika, wie es in unseren Vorstellungen seit Jahrhunderten nahezu unverändert Tag für Tag funktioniert. Rings um das Dorf erheben sich dichte Wälder, armdicke Lianen verheddern sich unter dem lichtundurchlässigen Blätterdach des Regenwaldes. Schmale Pfade, seit Generationen immer gleich begangen, verbinden Waschplätze am Bachufer, führen zu benachbarten Ansiedlungen, queren die Berge hinüber nach Guinea. Wie ein seidener Vorhang fällt ein Wasserfall leise plätschernd über eine steile Kante, die Wassertropfen glitzern silbrig in der warmen Sonne, deren helle Strahlen nur spärlich den kühlen See erreichen. Alles erscheint stimmig, ruhig und gelassen. Wir können es fühlen…

 

Fazit Senegal

Wolof, Serer, Fulbe, Diola, Bassari, Mandinga, Sononke, und noch einige Ethnien mehr leben hier im Senegal. Und bis auf die Freiheitsaktivitäten der Diolas in der Casamance friedlich mit- und nebeneinander. Auch Islam und Christentum, gemeinsam in den Dörfern gelebt, funktioniert bestens, bis hin zu religionsüberschreitenden Ehen. Der Senegal ist so trotz aller wirtschaftlichen Schwierigkeiten und nie ganz auszuschaltender Korruption ein afrikanisches Musterbeispiel an Demokratie und Friedfertigkeit geworden.

Wir genossen jeden Tag in diesem herrlich unkomplizierten Land, die menschenleeren Sandstrände, die tropische Natur, die bunten Märkte und die unzähligen Kontakte zu interessanten und freundlichen Menschen. Wir fanden tolle und vor allem immer sichere Übernachtungsplätze, egal ob am Saum des Atlantiks, unter exotischen Palmen und riesigen Baobabs oder am Rand typisch afrikanischer Dörfer. Für uns war dies der perfekte Einstieg ins „wirkliche“ Afrika unterhalb der arabisch geprägten Sahara.

 

Sonnenaufgang am Paradise Beach
bei den Fischern von Sanyang
die mutigen Fischerjungs mit ihrem winzigen Boot
Moussa und Babouka
majestätische Ruhe am Gambia-River in Tendaba
fröhliche Kinderschar in Tendaba
stimmungsvoller Übernachtungsplatz in Tendaba
Conny´s Kindergarten
auf dem Markt in Bansang
Kinder in Bansang
Dorf Dindefelo im Grenzland zu Guinea
Dorfleben in Dindefelo

Afrika – Mali, 1.Teil

09. Dezember  – 25.Dezember 2014

Vielvölkerstaat Mali,

bürgerkriegsbelastet, bettelarm, kulturreich, geheimnisvoll. Wir sind gespannt, was uns erwarten wird, ob es weiterhin so entspannt bleibt wie bisher, hier in Westafrika. Wir nähern uns dem Land und seinen Menschen praktisch durch die Hintertür, über die Falaise de Tamboura, auf spannenden Pisten und in unglaublich ursprünglichen Dörfern. Und das wird uns fast zum Verhängnis…

 

Tag 1

Der Pistenhorror erreicht uns in Form einer unscheinbaren Wiese am Rande der schmalen Piste. Eigentlich mehr ein Pfad. Ich umfahre einen stacheligen Baum, der hier tausendfach „Manni“ gnadenlos zerkratzt, plötzlich bleiben wir abrupt stehen. Sofort neigt sich „Manni“ gefährlich nach rechts. „Wir kippen, wir kippen. Scheiße, nein, bitte nicht!“ Conny starrt mit weit aufgerissenen Augen auf den auf ihrer Seite immer näher kommenden Boden. In Zeitlupe sinkt „Manni“ rechts ein, bis er mit den Differenzialen und den Achsen auf dem Boden aufliegt. „Raus jetzt, schnell, aber vorsichtig!“ Ich versuche ruhig zu bleiben, doch das ist nur oberflächig. Das Adrenalin pumpt in den Adern, alle Sinne versuchen, die Situation zu begreifen und zu bewerten. Mit über dem Kopf zusammengeschlagenen Händen stehen wir vor „Manni“, der sich nun in einer erschreckend gefährlichen Schieflage befindet.

Wir versuchen, wieder einen klareren Kopf zu bekommen. Eine erste Bestandsaufnahme zeigt uns, dass wir „Manni“ ganz schnell stabilisieren müssen, denn auf der eingesunkenen Seite sammelt sich bereits Wasser, wer weiß, wie lange der feuchte Boden sein Gewicht tragen wird. Wir fangen auf der linken Seite an zu schaufeln, was das Zeug hält, legen Sandbleche unter, damit eine berechenbare Auflagefläche entsteht. Vorbeikommende Männer aus den umliegenden Dörfern packen sofort mit an und es gelingt uns gemeinsam, zumindest eine augenscheinliche Sicherheit zu schaffen. Im Dunkeln, mit Stirnlampe unter der Hinterachse liegend, schaffe ich es noch, den Wagenheber in den Morast unter die Hinterachse zu graben und so ein weiteres Absinken zu verhindern.

Für die Nacht bauen wir unser kleines Bergzelt auf, denn an ein Schlafen in „Manni“ ist natürlich nicht zu denken. Das mit dem Schlafen ist allerdings so eine Sache, denn jedes knackende Geräusch aus „Mannis“ Richtung, der wie eine drohende Prophezeiung nur wenige Meter vor unserem Zelt hängt, lässt uns hochfahren und angstvoll nach draußen blicken, um zu sehen, ob er noch steht oder so langsam umfällt.

Tag 2

Die Nacht dehnt sich endlos, wir wälzen uns unruhig in unserem kleinen Zelt hin und her. Schon im Morgengrauen sind wir auf den Beinen, die Nachtfeuchte ist gleich vergessen, wir schaufeln uns schnell warm. Nach und nach kommen immer mehr Männer und Burschen aus den umliegenden Dörfern, bewaffnet mit Hacken, Beilen und Schaufeln, denn unser Malheur hat sich schnell herumgesprochen, und da gibt es sicher ein wenig Geld zu verdienen.

Als erstes gilt es nun, „Manni“ aus seiner äußerst gefährlichen Schräglage zu befreien. Dies gelingt uns schließlich nach stundenlangem, beharrlichem Graben im morastigen Untergrund und unsere Erleichterung über diese neue Situation ist uns wahrlich anzumerken. Alsdann versuchen wir, Steine, Äste und Zweige unter die Reifen zu legen, um eine vernünftige Traktion zu erreichen. Dies erweist sich allerdings als enorm schwierig, da das eindringende Wasser jegliches erfolgreiche Schaufeln sehr rasch zunichtemacht und „Manni“ trotz des Einsatzes von Hebekissen immer tiefer in den feuchten Untergrund absinkt. Erste Befreiungsversuche enden schließlich wieder in einer besorgniserregenden Schräglage, der gesamte Unterboden liegt auf und das befreiende Schaufeln wir immer mühseliger.

Unter größter Anstrengung bringen wir „Manni“ wieder in die Horizontale, doch jegliche Versuche, aus den inzwischen metertiefen Fahrspuren herauszukommen, scheitern kläglich am sumpfigen Untergrund. Völlig erschöpft und ausgepowert beenden wir bei hereinbrechender Dunkelheit schließlich unsere Bemühungen und vertagen alles Weitere auf Morgen. Aber er steht Gott sei Dank wieder sicher!

Tag 3

Wir sind ausgeruht uns zuversichtlich, als eine milchige Sonne die Morgendämmerung zum Tag werden lässt. Die Nacht war wieder ungewöhnlich kalt und feucht, wir frösteln. Mopeds knattern über den Pfad, die ersten unserer inzwischen vertrauten Jungs trudeln ein, machen uns Mut. Im Team diskutieren und verabschieden wir einen Plan, denn sie haben so langsam erkannt, dass es nichts bringt, einfach mal ein wenig hier und ein wenig da zu schaufeln und ein paar Söckchen unter einen Zehntonner zu legen und dann schieben wir ihn schon raus. Endlich glauben sie mir, wenn ich eine Richtung vorgebe und setzen sie vor allem auch konsequent um. Zielstrebig schaffen wir eine nicht zu steile, sorgfältig mit passgenauen Steinen gepflasterte Ausfahrtsrampe.

Und dann wagen wir es! „Manni“ bekommt Traktion auf alle vier Reifen, sie krallen sich fest auf der Rampe, Meter für Meter ackert er sich vorwärts. Doch alles Anfeuern der Truppe hilft nichts, kurz vor dem Ziel, die Vorderreifen haben bereits festes Terrain erreicht, schmiert er hinten rechts ab und gräbt sich abermals bis zu den Differentialen in den schlammigen Morast und bleibt in unangenehmer Schräglage hängen. Es ist zu heulen!

Doch unsere Truppe ist heute unermüdlich. Sie sehen unsere Enttäuschung, sprechen uns wieder Mut zu, und machen sich sofort wieder an die Dreckarbeit. „Manni“ hängt mit dem gesamten Unterboden im Schlamm, die Jungs müssen praktisch mit dem Bauch im Morast liegend alles freischaufeln. Wieder werden Steine herangeschleppt, zerkleinert und passgenau zusammengefügt, werden Schlamm und Morast mit den Händen unter „Manni“ herausgegraben. Und dann ist es soweit…

„Manni“ zittert, als ich Gas gebe, alle Sperren sind zugeschaltet – mach schon, mach schon! Unter dem Jubel des ganzen Teams gräbt er sich buchstäblich nach oben, erreicht festen Untergrund, die Jungs umarmen sich, freuen sich für uns, mit uns. Unsere Freude, unsere Erschöpfung lässt uns wanken zwischen grenzenloser Erleichterung und absoluter Leere. Großzügig entlohnen wir unsere Helfer für ihren tollen Einsatz, leuchtende Augen und lachende Gesichter danken uns.

Wir sagen Danke!

 

Bei den Malinke

Hier oben in der Falaise de Tamboura, zwischen steilen Felsen und dichter Vegetation, verstecken sich viele kleine Dörfer, wie man sie in Afrika so häufig findet. Das besondere hier ist die Abgeschiedenheit, keine Straße verbindet die strohgedeckten Hütten, keine Fremden finden normalerweise den Weg hierher. Wir wagen es trotzdem, und wir stellen fest, „Manni“ kann auch auf mopedbreiten Pfaden durch die Botanik reiten, meistens jedenfalls.

Zwei der zahlreichen Dörfer besuchen wir intensiv. Zurückhaltend nähern wir uns den Menschen, doch das ist unnötig, Lachend winken sie uns zu, freuen sich, dass wir uns Zeit nehmen, anzuhalten und auszusteigen. Pausenlos tratschende Kinderscharen begleiten uns um die traditionellen Rundhütten, kunstvoll aus Lehm, Holz und Stroh zusammengesetzt. In den säuberlich gefegten Innenhöfen stampfen die Frauen Hirse mit langen Mörsern in hölzernen Bottichen, laufen gackernd Hühner umher, sitzen Kleinkinder mit breiverschmierten Mündern und großen Augen im Dreck. Viele fangen an zu heulen bei unserem Anblick, unsere Hautfarbe irritiert sie sehr. In den Hütten ist es dunkel und stickig, Rauchschwaden erschweren das Atmen. Zum Heizen wird lediglich ein dicker Ast auf den festgestampften Fußboden gelegt, in der Mitte angezündet, und der kokelt nun stundenlang vor sich hin. Ein Bett aus Bambus mit unendlich schmutzigen Decken, ein paar Stangen für die wenigen Habseligkeiten, das war es auch schon.

In der Mitte des Hofes brennt ein Feuer, in einem rußgeschwärzten Eisentopf brodelt eine undefinierbare Masse, Einladungen zum Mitessen können wir ablehnen. In einer Ecke wird soeben eine Ziege geschlachtet, es gilt, ein Neugeborenes zu feiern. Auf dem flachen Dach über der Ruhestätte trocknen Körner in der heißen Sonne, Kühe und Schafe laufen ungehindert umher. Mädchen balancieren schwere Wasserkanister elegant auf ihren Köpfen, der zentrale Dorfbrunnen versorgt die Menschen mit dem lebensspendenden Nass. Viele Frauen in bunten Gewändern sind unterwegs zum nahen Fluss, um Wäsche zu waschen oder auch in den Wald, um Holz zu sammeln.

Dorfmittelpunkt ist ein riesiger Mangobaum, unter dem sich der Versammlungsort befindet. Hier sitzt der Dorfchef mit einigen älteren Männern, sie beobachten das Treiben um sich herum und kauen in einer Tour auf leicht berauschenden Kolanüssen. Das Leben hier scheint sich auf den ersten Blick in den letzten paar hundert Jahren nicht wirklich verändert zu haben. Für uns ist es ein tolles Erlebnis, so fern moderner Einflüsse diese intakten Gemeinschaften erleben zu dürfen. Wir bleiben über Nacht am jeweiligen Dorfrand stehen. Sobald sich die Dunkelheit wie eine schützende Decke über die Hütten legt, wird es ruhig, erlischt das Leben. Kein Licht dringt durch die Finsternis, lediglich ein paar wenige Küchenfeuer glimmen noch. Erst im Morgengrauen wecken die Geräusche des Waldes und die Tiere des Dorfes die Menschen. Deren Herzlichkeit ist ansteckend, sie wollen, dass wir noch bleiben. Als wir uns schließlich verabschieden, werden wir mit fröhlichem Winken wieder auf unsere Weiterreise geschickt.

 

Oje! Manni versenkt!
erste Bergungsversuche
Hilfe beim Schaufeln aus den nahen Dörfern
anlegen einer Ausfahrtsrampe
Meter für Meter ackern wir uns raus
wir haben es fast geschafft!
ursprüngliche Dörfer in der Falaise de Tambaoura
Frauen auf dem Weg zurück ins Dorf
alltägliche Arbeit - Hirse stampfen
schon die kleinen Mädchen müssen ran
unverfälschtes Kinderlachen
Dorfidylle in den Innenhöfen
immer Zeit für ein nettes Lächeln
kochen am Feuer
Siby, Arche de Kamadjan

2014 – Start unserer „Trans-Afrika-Tour“.

Marokko, Westsahara, Mauretanien, Senegal, Gambia – und jetzt Mali. Seit acht Monaten sind wir nun wieder „on tour“, fünf davon in Afrika, in den oben genannten Ländern. Unser Lebensrhythmus ist ein anderer geworden, Sonnenaufgang und die hereinbrechende Nacht bestimmen den Rahmen. Auf den ursprünglichen Märkten feilschen wir um das rudimentäre Warenangebot, immer wieder muss ein möglichst schöner und auch sicherer Übernachtungsplatz ausgekundschaftet werden, wir dürfen es nicht versäumen, rechtzeitig bei sich bietenden Gelegenheiten unser Wasser aufzufüllen, Feuerholz für das abendliche Lagerfeuer mag gesammelt, Müll und Toiletteninhalt möglichst umweltschonend verbrannt, vergraben oder sonst wie entsorgt werden. Und so weiter…

Haben wir uns verändert? Sind wir „afrikanischer“ geworden? Wir denken schon. Wir sind absolut entspannt – stressfreies Leben ist gesund – nehmen uns unendlich Zeit für das Erleben, das Entdecken, das Genießen. Und für die Menschen. Unsere Begegnungen sind jedes Mal aufs Neue spannend, interessant, lehrreich, bunt. Wir nehmen fast jede Gelegenheit wahr, mit den Menschen in Kontakt zu kommen. Und sie könnten unterschiedlicher nicht sein – die gastfreundlichen Berber Marokkos, die unterdrückten Saharauis in der Westsahara, die verschlossenen Mauren Mauretaniens, die vielen unterschiedlichen, herzlichen Ethnien Senegals und Gambias. Und nun die Malinke und Mandingas im Westen Malis. Wir lernen ihr Leben kennen, in abgeschiedenen, archaisch anmutenden Lehmdörfern mit strohgedeckten Rundhütten, in der Wüste in offenen Zelten auf dicken Teppichen sitzend, unter Palmen am Atlantik in winzigen Bambusverschlägen. Wohin wir auch geraten, wo wir uns auch für die Nacht niederlassen, wir sind immer willkommen, fühlen uns immer sicher und wohl. Camps vermeiden wir, wir mögen sie nicht, diese Ghettoisierung mit anderen Europäern, auch wenn wir gerne mal andere Reisende unterwegs treffen. Doch das Abschotten vom Alltäglichen ist nicht unsere Art, unterwegs zu sein.

Schrecksekunden gab es trotzdem, und zwar dann, wenn wir wieder mal „Mannis“ Grenzen getestet haben. Haarsträubende Passabfahrten auf unterspülten Wegen in Marokko, aufregende Dünenüberfahrten und Weichsandfelder in Mauretanien, grundloser Sumpf in Mali. Doch bisher ist alles gut gegangen, bleibt das Abenteuer in positiver Erinnerung. Hoffentlich geht es auch in Zukunft so aus…

2014 geht nun so langsam seinem Ende zu, die Weihnachtszeit haben wir irgendwie nicht so richtig mitbekommen, mal sehen, wo wir das neue Jahr begrüßen werden. Wir sind schon sehr gespannt, wie unser 2015 werden wird, was es für uns bereithält. Denn planen lässt sich nichts auf einer solchen Lebensreise.

Wir wünschen Euch allen ein tolles 2015, auf dass auch Eure Träume wahr werden können – und nehmt nicht alles so tierisch ernst und wichtig. Ein bisschen „afrikanisch“ tut uns allen manchmal ganz gut…


Afrika – Mali, 2.Teil

26.Dezember 2014  – 13.Januar 2015

 

Der Niger. Djenné und Mopti. Und das Land der Dogon mit der Falaise de Bandiagara…

Welch klangvolle Namen für jeden Afrikareisenden! Einst wichtige Handelsmetropolen am Südrand der Sahara, an den Ufern des sagenumwobenen Stroms, sehnsüchtig am Horizont erwartet nach der gefahrvollen Durchquerung der riesigen Wüste, und ein unzugängliches Gebirge, in dessen winzigen, unter steil aufragenden Felsen versteckten Dörfern ein weitgehend unbekanntes Naturvolk seinen geheimnisvollen Riten nachging. Wir sind gespannt, was heute davon noch übrig geblieben ist…

 

Der Niger

Jahrhundertelang geisterte er durch die Köpfe der Europäer, niemand bekam ihn je zu Gesicht. Alle Versuche, seine Ufer zu erreichen, endeten mit einem Desaster für diejenigen, die es wagten. Wohin fließt er denn eigentlich, nach Süden, nach Westen oder doch nach Osten in die Wüste, wie arabische Kaufleute behaupteten? Erst dem jungen Schotten Mungo Park gelang es vor rund 200 Jahren, dieses Geheimnis endgültig zu lüften. Unter unsäglichen Strapazen erreichte er mit einer handvoll Überlebender den behäbigen Strom, doch von seiner zweiten Entdeckungsreise kam auch er nie mehr zurück…

Ganz so schwer fällt es uns nicht, seine Ufer zu erreichen. Auf guten Teerstraßen, unbehelligt von den nun friedfertigen Menschen und den inzwischen gründlich dezimierten wilden Tieren der Savanne Westafrikas, nähern wir uns ganz unspektakulär. In Bamako, der heutigen Hauptstadt Malis, ist es dann soweit – wir stehen vor seinen träge dahinfließenden Wassermassen! Stolz präsentiert er sich unseren erwartungsvollen Blicken. Doch in der Millionenmetropole mit all dem Lärm und Verkehr geht seine majestätische Aura ein wenig unter, erst als wir eines nachmittags nachdenklich an seinem Ufer im Gras sitzen, da zeigt er sich uns wirklich und wir fangen an zu realisieren, wo wir uns befinden.

So richtig Zugang zu ihm finden wir erst in Segou, der einst wichtigen Residenzstadt der Bambara-Könige weiter stromaufwärts. Es ist Markttag hier am Ufer und die Menschen aus der Umgebung kommen zuhauf mit schlanken Pirogen und bauchigen Pinassen, bringen Obst und Gemüse, Vieh und getrockneten Fisch und decken sich selbst mit dem Notwendigen zwischen den quirligen Marktständen ein. Die Frauen von Segou waschen unaufhörlich, teils barbusig und dabei pausenlos palavernd und lachend, ihre Wäsche und ihr Geschirr in den trüben Fluten, die benachbarte Morgentoilette der Kinder stört dabei ebenso wenig wie das Säubern von Schafen oder das Reinigen von Mopeds. Fischer versuchen ihr Glück mit Wurf- und Schleppnetzen, die Ausbeute ist jedoch jetzt während der Trockenzeit eher mager.

Gegend Abend dann, wenn der leuchtend gelbe Sonnenball sich langsam der Wasserfläche nähert und die ganze Umgebung mit seinem wundervollen Licht verzaubert, wenn die eleganten Pirogen federleicht auf den sanften Wellen tänzeln und die mächtigen Balanzan-Bäume lange Schatten über die Ufer werfen, dann bist Du endlich der Entdeckungsreisende, der Du schon immer warst in Deinem Herzen, in Deinen Gedanken. Und dann siehst Du die Abenteuer, die nötig waren, einst diesen geheimnisumwitterten Strom zu erreichen…

 

Djenné

Weit in das brackige Wasser des Bani ragend, einem Nebenfluss des Nigers, säumen übel riechende Müllberge den Stadtrand von Djenné. Der Wind wirbelt Staub und Dreck durch die engen Gassen, die Augen tränen, Rauchschwaden und Kot malträtieren die Nase. Schlammgefüllte Abwasserrinnen werden zu Stolperfallen, zerfallene Lehmmauern bröckeln an jeder Ecke. Große Augen in den schmutzigen Gesichtern unzähliger Kinder folgen unseren Schritten, die Kleineren kacken ungeniert vor die Haustüren. Esel und Schafe stehen in Innenhöfen neben Kochgeschirr und Bettgestellen, winzige Handwerkskammern beherbergen Schneider, Tischler oder Korbmacher. Weber und Tuchmacher sitzen mit ihren flinken Fingern im Schatten aufgestellter Strohdächer. Inmitten dieser mittelalterlich anmutenden Szenerien, direkt am Marktplatz, umringt von wackeligen Ständen mit überschaubarem Warenangebot, da wacht die berühmte Moschee, die vor rund hundert Jahren originalgetreu nach ihrem Vorbild aus dem 13. Jh. wieder neu errichtet wurde und als das größte Lehmgebäude der Welt gilt.

 

Weltkulturerbe…

 

Die Glanzzeit der einst wohlhabenden Handelsstadt liegt schon viele Jahrhunderte zurück. Heute präsentiert sich die vormals beeindruckendste Handwerksmetropole Westafrikas als ein ungepflegtes Ensemble afrikanischer Gleichgültigkeit. Von einer intellektuellen Hochburg des Islam ist ebenso wenig zu spüren wie von den angeblich prachtvollen Fassaden mehrstöckiger Bürgerhäuser. Trotz einiger Koranschulen und wenigen renovierten Häusern. Schade drum…

Nur langsam verringern wir die Distanz, ganz vorsichtig kommen wir uns näher, das spröde Djenné und wir, die Suchenden. Stundenlang wandeln wir geduldig durch die schmutzigen Häuserfluchten. Erst als wir Zugang zu den Menschen zwischen all dem Dreck und Staub, dem Gestank und den wie eine Heuschreckenplage über uns herfallenden Kindern finden, da entdecken wir so etwas wie eine Seele in den schmalen Gassen. Erste Gespräche, Einladungen zum Tee, zum Essen. Doch die Armut ist auf Schritt und Tritt greifbar, die Trostlosigkeit schmerzt fast. Dabei hätte die Stadt durchaus Potential, dank ihrer großen Historie. Wer macht es den Menschen hier begreiflich?

Wie ein gnädiger Schleier legt sich der von „Manni“ aufgewirbelte Staub über die Stadt, als sie langsam im Rückspiegel verschwindet…

 

Mopti

Als das legendäre Timbouctou immer mehr an Bedeutung verlor, gewann Mopti rasant. Heute ist die quirlige Provinzstadt am Zusammenfluss von Niger und Bani die wichtigste Handelsdrehscheibe im Osten Malis. Und das sehen, riechen und fühlen wir sofort, als wir über den alten Franzosendamm die ersten Häuser erreichen. Der Verkehr wuselt um uns herum, die Müllberge blasen ihre Ausdünstungen hartnäckig durch jede Ritze und das zum Anhalten auffordernde Winken der auf ein Geschäft Hoffenden zeugt von nimmermüder Energie.

Rund um das restlos zugemüllte Hafenbecken drängen sich die Händler auf engstem Raum. Fisch aus dem Niger, Bettgestelle aus der Schreinerei, Klamotten aus dem europäischen Second-Hand-Container, Kalebassen aus den umliegenden Dörfern und tausenderlei Alltagswaren aus jeglicher Art von Quelle. Am Spannendsten aber ist das Gewerbe der Salzhändler. Auch heute noch ist der Weg des wertvollen und lebenswichtigen Salzes derselbe wie schon vor hunderten von Jahren. Abgebaut rund um Taoudenni tief im Herzen der Sahara werden die schweren Salzplatten mit riesigen Kamelkarawanen weit in den Süden bis nach Timbouctou transportiert. Dort werden sie auf schwerfällige Pinassen verladen und mühsam gegen den Strom des Nigers hierher nach Mopti gebracht. In geduldiger Kleinarbeit wird nun so eine Salzplatte mit der Säge in handliche Stücke zerkleinert oder sogar fein zermahlen, in Tüten abgefüllt, auf dem Markt angeboten und in andere Regionen weiterverkauft.

Wir genießen unsere täglichen Spaziergänge entlang des verdreckten Baniufers, bewundern die Hartnäckigkeit der Fischer, die ihre wackeligen Pirogen durchs schlammige Wasser staksen, feilschen stundenlang wegen Centbeträgen mit den Marktfrauen für fangfrische Fische und vernünftiges Gemüse, bis beide Seiten zufrieden lachen, ignorieren beim Kauf die Fliegenschichten auf dem beim Straßenmetzger in der Sonne ausgebreiteten Fleisch, grüßen die uns auf Schritt und Tritt freundlich zunickenden Männer und mischen uns zu guter Letzt vor dem Rathaus auch noch unter mehrere aufgebrezelte Hochzeitsgesellschaften.

Nach drei Tagen fühlen wir uns irgendwie ein wenig heimisch…

 

Im Land der Dogon

Wir sind in Songho. Das pittoreske Dorf gefällt uns auf Anhieb, die Menschen heißen uns herzlich willkommen, wir machen dem Dorfchef unsere Aufwartung und man erklärt uns Traditionen und aktuelle Probleme. Das geht dann so:

„Warum kommt denn aus den Wasserhähnen kein Wasser?“ – „Ja, das ist, weil die solargespeiste Pumpe kaputt ist und auch die Solarpaneele sind fast alle kaputt.“ – „Seit wann ist denn das alles kaputt?“ – „Seit ungefähr vier Jahren…“ – „Aber warum ist es denn kaputt?“ – „Weil unsere Kinder mit Steinschleudern auf die Paneele geschossen haben.“ – „Und warum repariert das keiner?“ – „Na, weil das keiner hier reparieren kann.“ – „Wer hat denn das hier finanziert und aufgebaut?“ – „Die Weltbank…“ – „Wisst Ihr, wer oder was das ist, die Weltbank?“ – „Nö!“ – „Und wo bekommt ihr jetzt euer Trinkwasser her?“ – „Wir laufen jetzt wieder wie früher ungefähr fünf Kilometer zum Fluss…“

Ein Einzelfall? Nein, leider die Regel in Afrika…

Wir wandern entlang der Falaise de Bandiagara. Senkrecht bricht das steinige Plateau hier ab, wie Vogelnester schmiegen sich die uralten Wohnhöhlen der verschwundenen Telem in den Fels. Darunter ineinander verschachtelt die Lehmhütten und Speicher der Dogon, die hier nun seit mehreren hundert Jahren zurückgezogen leben, immer noch ihren animistischen Kulten nachgehen und bekannt sind für ihre mystischen Maskenfeste.

Heute ist das Ganze zu einem eher lästigen Touristenspektakel verkommen. Trotzdem, die Landschaft mit den pittoresken Dörfern ist einzigartig, auch wenn das ständige Gebettel manchmal anfängt auf die Nerven zu gehen. Doch mit stoisch-afrikanischer Ruhe ist auch das gut zu ertragen. Die Menschen hier sind arm, die Felder tragen nur einmal im Jahr, die Gefahr der Versandung ist allgegenwärtig. Die Lebensbedingungen sind für uns oft unfassbar. Und seit einigen Jahren bleiben nun auch noch die Touristen aus…

 

Fazit Mali

„Bitte helft uns! Erzählt den Menschen in Europa, Mali ist sicher, in Mali gibt es kein Ebola!“ Seit der kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Tuareg im Norden des Landes und der Verbreitung von Ebola in manchen westafrikanischen Ländern kam der Tourismus nahezu vollständig zum Erliegen. In vielen Regionen war er zu einer sehr bedeutenden Einnahmequelle geworden.

Nach fünf Wochen in diesem Sahelland können wir es nur bestätigen – das Reisen hier ist wunderbar komplikationslos! Die Menschen sind durchwegs herzlich, freuen sich über jeden, der sie besucht, selbst die Offiziellen nerven nicht, winken uns durch, keiner zockt ab. Campen in der Natur ist überall möglich, keinerlei Unsicherheit befällt uns, gleichgültig, wo wir die Nächte verbringen. Die historischen Stätten bedürfen jedoch einer dringenden Pflege und wir wurden nicht müde, den Heerscharen von selbsternannten Guides zu erklären, dass sie mit ihrem Verhalten dem zarten Pflänzchen Tourismus eher schaden denn helfen.

Die unberührten und nur schwer erreichbaren Dörfer ganz im Westen in der Falaise de Tambaoura waren unser persönliches Highlight - Afrika aus dem Bilderbuch. Aber auch die Felsen um Siby, die stillen Abende am Ufer von Niger, Bani und Bafing, und vor allem die mystischen Dörfer entlang der Falaise de Bandiagara haben es uns angetan. Und trotz allem Müll und Dreck auch Djenné und Mopti.

Lediglich der äußerste Norden und Osten des Landes mit Timbouctou und Gao und den Bergen von Hombori ist nicht fest unter der Kontrolle des Staates, also nicht als Reiseziel zu empfehlen. Und Ebola ist hier wirklich keine Gefahr, die Aufklärung greift. Also nur Mut, die Menschen hier werden es Euch danken…

 

Markttag in Segou
Markttag in Segou
Sonnenuntergang am Niger
Djenné - die größte Lehmmoschee der Wel
in der großen Moschee von Djenné
Einladung beim Schneidermeister in Djenné
Mopti - Leben an Niger und Bani
Mopti - geschäftiges Treiben im Hafen
Mopti - Umschlagplatz für das begehrte Saharasalz
Songo, ein typisches Dorf im Dogonland
Songo - der Beschneidungsplatz
Songo - traditionelle geschnitzte Eingangstür
Dogondorf Ireli - Lehmspeicher
Dogondorf Ireli - Lehmspeicher
Dogondorf Ireli - Palaverplatz
Dogondorf Enndé - die Dorfältesten
Dogondorf Enndé - Palaverplatz mit schönen Schnitzereien
Dogondorf Teli - Lehmmoschee

Afrika – Burkina Faso

14.Januar 2015 – 31.Januar 2015

Bei den Mossi, den „Preußen Westafrikas“…

Wer kennt schon Burkina Faso. Oder weiß sogar etwas darüber. In unseren Köpfen finden wir: Dürrekatastrophe in der Sahelzone, eines der ärmsten Länder der Welt, Militärputsch vor wenigen Wochen, Kinder mit Hungerbäuchen. Nicht gerade ermutigend. Mal sehen…

 

Der Norden

Es ist trocken. Sehr trocken. Und staubig. Der heftige Wind wirbelt immer wieder Sand, Dreck und schwarze Plastiktüten vor uns über die Piste. Wir stehen am verrosteten Schlagbaum. Daneben zwei armselige Hütten. Die Grenzstation. Wir nehmen unseren Papierkram und treten ins Halbdunkle. Und sind überrascht. Perfekt gekleidete Offizielle, herzliche Begrüßung, korrekte Abwicklung – und alles in zehn Minuten erledigt! „Bienvenue à Burkina et bonne route!“ Auch ein paar Kilometer weiter beim Zoll die gleiche Erfahrung – schnell, kompetent, superfreundlich und absolut korrekt! Und lediglich ein wenig neugierig, mal einen Blick in „Mannis“ Wohnraum werfen zu dürfen. So darf es gerne weitergehen…

Burkina fährt Rad. Fahrrad. Kinder zur Schule, Frauen auf den Markt, Männer zur Feldarbeit – kaum jemand läuft. Seltsam, dass die Nachbarn das nicht gebacken kriegen. Ist doch viel bequemer, als alles zu laufen.

Am nächsten Tag in Ouahigouya, der größten Stadt hier oben in der dürren Sahelzone. Die Teerarbeiten an der Hauptstraße schicken uns auf eine unbeschilderte Umleitungsstrecke durch unbefestigte Nebenstraßen. Wir wissen nicht mehr so richtig weiter, wo kommen wir mit „Manni“ problemlos durch? Ein älterer Herr sieht unsere fragenden Gesichter hinter der Scheibe, schwingt sich auf sein Moped und winkt uns, ihm zu folgen. Kompetent auf Durchfahrtshöhen achtend lotst er uns zielsicher zur Ausfallstraße. „Voila - et bonne route!“ Keine „Cadeau“-Forderung, nichts. Na sowas…

Rund um die Dörfer reihen sich Felder an Felder, mühsam mit der Gießkanne bewässert. Aber nicht nur Zwiebeln wie bei den Nachbarn in Mali, sondern alles, was das Herz begehrt an Gemüse und Obst. Das Resultat sehen wir auf den Märkten, ein Angebot wie seit Marokko nicht mehr. Von wegen, hier gedeiht nichts. Die Menschen lachen und winken, keines der Kinder bettelt uns an, schüchtern bleiben sie auf höflichem Abstand. Na also, geht doch…

 

Ouagadougou

Die Hauptstadt, ein überdimensionales Straßendorf. Aber irgendwie sympathisch. Quirlig, lebendig, geschäftig. Und wohl auch erfolgreich. Keine Schrottlauben auf den Straßen, der regionale TÜV(!) hat ganze Arbeit geleistet. Die Menschen gut und ordentlich gekleidet, die Läden reich sortiert. Im Supermarkt eine sensationelle Weinauswahl, „Manni“ nimmt deutlich an Gewicht zu. Und erst der Gemüsemarkt! Die Marktfrauen erweisen sich als clevere Verkäuferinnen, des Französischen mächtig und blitzschnell beim Rechnen. Und ihr Angebot! Saftige Ananas, frische Mango, riesige Erdbeeren(!), Broccoli, Blumenkohl, Zucchini… Dinge, von denen wir schon gar nicht mehr wussten, dass es so etwas gibt…

Wir besuchen den Kaiser. Den Kaiser der Mossi, den „Mogho Naaba“. Die Mossi sind die stärkste Volksgruppe hier in Burkina, seit dem 15. Jahrhundert beherrschen sie die Region. Auch heute noch ist der „Mogho Naaba“ der unbestrittene und anerkannte Repräsentant seines Volkes, seine religiöse Macht ist trotz Islamisierung ungebrochen, die Staatsregierung respektiert ihn. Sein unscheinbarer Palast versteckt sich hinter einer heruntergekommenen Mauer in einer unschönen Vorstadtgegend. Jeden Freitagmorgen so gegen acht Uhr gibt es hier eine eigenartige, ja fast grotesk anmutende Zeremonie. Innerhalb eines baumbepflanzten Karées lassen sich die traditionell und mit Schwert und Käppi ausstaffierten Honoratioren des Staates auf dem staubigen Boden nieder und während ein Trommler den Takt zum Aufmarsch schlägt, erweisen sie dem ganz in Rot gekleideten Kaiser, der von drei Eunuchen begleitet, neben seinem herrlich ausstaffierten Streitross auf einem roten Samtkissen im Schatten der Mauer sitzt, ihre Reverenz. Ein ohrenbetäubender Böllerschuss eröffnet das bühnenreife Schauspiel, bei dem die Stammesführer den Kaiser gestenreich davon überzeugen, statt eines Kriegszuges doch besser Friedensverhandlungen mit dem Feind zu beginnen. Nach kaum einer halben Stunde beendet ein weiterer Böllerschuss das pantomimische Spektakel, und Akteure wie Zuschauer zerstreuen sich wieder…

Leider herrschte absolutes Fotografierverbot, das wir natürlich tolerierten.

 

Der Westen

Afrika, das heißt auch wilde Tiere. Davon haben wir bisher noch nicht wirklich viele gesehen. Nun also die ersten. Vier Krokodile am Fastbadesee. Schon beeindruckend, wenn so hundert spitze Zähne  plötzlich direkt neben dir ins Wasser gleiten. Und Nilpferde. Dutzende gleich. Faul im seichten Wasser suhlend, grunzend ab- und auftauchend. Auch nicht schlecht für den Anfang. Von den Elefanten sehen wir nur die nachts liegen gelassenen Riesenkötteln. Immerhin…

Sie ist ganz in weiß gekalkt, zum Schutz vor den sintflutartigen Regenfällen. Der nackte Lehm würde wohl schnell weggespült werden. Die Moschee Dioulassoba, Wahrzeichen von Bobo Dioulasso, über 130 Jahre alt inzwischen. Filigran, typisch sudanesisch mit unzähligen, nach außen zeigenden Holzbalken bestückt, herrlich ungleichmäßig. Stilvoll…

Wir spüren schnell, Tourismus spielt hier so gar keine Rolle auf dem Land. Schüchtern, fast scheu sind die Menschen, zaghaftes Lächeln wird aber schnell zu fröhlichem Lachen, die Freude über unser Kommen ist echt. Keiner hält die Hand auf, niemand nervt rum, unsere Privatsphäre wird jederzeit geachtet. Sehr angenehm, aber auch ein wenig unpersönlich, echte Kontakte sind schwer. Ganz und gar „unafrikanisch“…

Rund um Banfora wogt Zuckerrohr im leichten Wind, hektarweise. Macht das ganze Tal wunderbar grün. Unsere Augen erinnern sich an zuhause. Und Wasser. Unglaublich viel Wasser. Schießt über die Kanten des Plateaus, sammelt sich in erfrischenden Badegumpen, wässert Felder und Plantagen. Palmen, Bananenstauden, Mangobäume und mehr. Herrlich! Bäche fließen, Seerosen schwimmen in Tümpeln und Weihern. Die spitzen Strohdächer der Dörfer lugen zwischen dem hohen Gras hindurch. Üppige Natur, schon lange nicht mehr so genossen. Wie mag es hier in der Regenzeit aussehen?

Langsam gleitet die blassgelbe Scheibe der bleiern in der Nachmittagshitze hängenden Sonne der spiegelnden Wasserfläche des Lac Téngréla entgegen. Scharen bunt gefiederter Vögel veranstalten ein furioses Konzert, aufgeregte Perlhühner trippeln rastlos zwischen den dickwandigen Wurzeln der mächtigen Kapokbäume umher, flinke Ziegen suchen den erfrischenden Schatten unter dem hitzeundurchlässigen Blätterschirm dunkelgrüner Mangos. Am Horizont wirbeln bucklige Zeburinder den hellroten Staub mit ihren Hufen bei ihrem ungeduldigen Marsch zum kühlen Nass auf, Fischer sitzen reglos in ihren wackeligen Pirogen in der Hoffnung auf einen sattmachenden Fang. Junge Frauen in bunten Gewändern, eine jede ein Kleinkind auf den Rücken gebunden, schweben trotz hoch aufgeladener Lasten auf ihren Köpfen fast durch das hüfthohe Gras entlang unsichtbarer Pfade. Runde Hütten aus getrockneten Lehmziegeln und lustigen Zipfelmützen aus Stroh und Palmwedeln ragen zwischen akkurat ausgerichteten Feldern auf. Das dumpfe tock-tock-tock gleichmäßig auf und nieder stoßender Mörser irgendwo hinter den grünen Hecken deutet auf das alltägliche stampfen der Hirse hin.  Andächtig sitzen wir inmitten aller afrikanischen Klischees.

Wir sind, wo wir sein wollen…

 

Fazit Burkina Faso

Es blieb immer ein wenig Distanz zwischen uns. Burkina Faso machte es uns nicht leicht. Oder lag es daran, dass das Verhalten der Menschen so anders war als in den bisher bereisten Ländern? Und wir dieses Verhalten nicht mehr gewohnt sind? Freundlich ja, aber keine Herzlichkeit. Alles korrekt, kaum Spielraum für Afrikanisches. Keine bettelnden Kinder, aber auch keine offene Neugier, eher Schüchternheit. Hohe Mautgebühren für die wenigen geteerten Überlandstraßen, fast schon übertriebene Gebühren für die wenigen Highlights.

Die gab es kaum. Landschaftlich eher belanglos, Sahel eben. Die Städte ohne Flair, staubig, schlechte Luft. Nur der äußerste Südosten erfreut mit üppiger Vegetation und viel Grün. Dort erlebten wir auch die ersten echten Begegnungen mit der afrikanischen Tierwelt. Zumindest mit Krokodilen und Hippos. Zu guter Letzt fanden wir dann aber doch noch ein kleines Paradies – die Chutes de Karfiguiéla und den Lac Téngréla. Wunderbar erfrischende Badebecken zwischen emsig sprudelnden Kaskaden, eingebettet in tropische Umgebung und eine herrlich afrikanische Landschaft rund um den flachen See bringen uns dann doch noch näher mit Burkina Faso zusammen.

 

idyllischer Moment am Mare aux Hippopotamus
Fischer am Mare aux Hippopotamus
Flusspferde im Mare aux Hippopotamus
Flusspferde im Mare aux Hippopotamus
Flusspferd im Mare aux Hippopotamus
großer Sammelplatz für die geerntete Baumwolle
die alte Moschee von Bobo Dioulasso
herrlicher Übernachtungsplatz an den Chutes de Karfiguiéla
die Domes de Febedougou
Sonnenuntergang über dem Lac de Téngréla

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