Rätselhaftes und faszinierendes Äthiopien

Wir wurden gewarnt von vielen anderen Reisenden: Äthiopien ist extrem anstrengend, Horden von Kindern umringen Dich pausenlos, nerven mit ihren „Yu, yu, yu“-Rufen, ihrer ständigen Bettelei und vor allem mit dem Werfen von Steinen, wenn Du an ihnen vorbei fährst. Die Straßen sind überfüllt mit Menschen, Tieren, Karren und unberechenbaren Lastern und Bussen, fordern Deine ganze Aufmerksamkeit zu jeder Zeit. Wildcamping geht gar nicht, Du musst immer in einen geschützten, aber hässlichen Hotelhinterhof oder auf einen der wenigen und überteuerten Campingareale. Mal sehen…

nette Männerrunde mit Hirten vom Volk der Dassanech
nette Männerrunde mit Hirten vom Volk der Dassanech
Dassanech-Hirte mit Schmucknarben
Dassanech-Hirte mit Schmucknarben
Bergdorf in den Bale Mountains
Bergdorf in den Bale Mountains
Piste zum höchsten befahrbaren Punkt in Afrika (4377 Meter)
Piste zum höchsten befahrbaren Punkt in Afrika (4377 Meter)
Riesenlobelien in über 4000 Meter Höhe
Riesenlobelien in über 4000 Meter Höhe
ein stattlicher Äthiopischer Wolf
ein stattlicher Äthiopischer Wolf
prächtige Bergnyalas
prächtige Bergnyalas
Wanderung in 4000 Meter Höhe
Wanderung in 4000 Meter Höhe
traditionelle Hütten der Dorze
traditionelle Hütten der Dorze
die Frauen schleppen schwerste Lasten, z.B. getrocknete Kuhfladen
die Frauen schleppen schwerste Lasten, z.B. getrocknete Kuhfladen
alle auf dem Weg zum Markt...
alle auf dem Weg zum Markt...
artgerechter Hühnertransport
artgerechter Hühnertransport
kunterbuntes Treiben auf den Straßen
kunterbuntes Treiben auf den Straßen
stundenlanges Warten auf Wasser an den wenigen Brunnen
stundenlanges Warten auf Wasser an den wenigen Brunnen
traditionelle Verarbeitung des Getreides
traditionelle Verarbeitung des Getreides
alltägliches Straßenchaos
alltägliches Straßenchaos

Wir wurden gewarnt von vielen anderen Reisenden: Äthiopien ist extrem anstrengend, Horden von Kindern umringen Dich pausenlos, nerven mit ihren „Yu, yu, yu“-Rufen, ihrer ständigen Bettelei und vor allem mit dem Werfen von Steinen, wenn Du an ihnen vorbei fährst. Die Straßen sind überfüllt mit Menschen, Tieren, Karren und unberechenbaren Lastern und Bussen, fordern Deine ganze Aufmerksamkeit zu jeder Zeit. Wildcamping geht gar nicht, Du musst immer in einen geschützten, aber hässlichen Hotelhinterhof oder auf einen der wenigen und überteuerten Campingareale. Mal sehen…

 

Der Süden, ein ethnologisches Freilichtmuseum

Dassanech, Hamer, Arbore, Surma, Bumi, Nyangtom, Karo, Ari, Tsamai und natürlich die Mursi mit ihren markanten Tellerlippen: sie alle und noch einige mehr bevölkern den geheimnisvollen Süden Äthiopiens. Meist sind sie nur noch ein paar Tausend Seelen, doch sie sprechen jeder für sich eine eigene Sprache, tragen unterschiedliche Frisuren und Schmucknarben, kleiden und schmücken sich jeder auf seine eigene Weise.

Diese Völker aus längst vergangenen Zeiten sind jedoch im Begriff, ihre traditionellen Werte durch eine Vielzahl von fremden Einflüssen von außen zu verlieren. Bürgerkriege, Modernisierung, und natürlich auch der ständig zunehmende Tourismus verändert das Leben dieser Menschen nachhaltig. Längst schon sind viele Riten zu reinen touristischen Shows verkommen, werden die Kinder nicht in die Schule geschickt, um vor den Touristen verkleidet zu tanzen. Und die Einkünfte von barsch geforderten Fotos während der Dorfbesuche werden hauptsächlich in Alkohol umgesetzt, so dass ein normaler Lebensrhythmus vielerorts nicht mehr möglich ist.

Wir versuchen, uns möglichst unaufdringlich diesen Menschen zu nähern, verzichten sogar auf das Fotografieren. Doch es gelingt uns nur sehr bedingt, denn wir werden meist nur als Geldquelle gesehen, die sofort angebettelt wird. Aber die wenigen, authentischen Begegnungen, die wir erleben dürfen, werden uns für immer im Gedächtnis bleiben.

Was tausende von Jahren Bestand hatte, wird nun innerhalb nur weniger Generationen unwiederbringlich vernichtet. Aber das ist der Lauf der Welt, nicht nur hier im Süden Äthiopiens…

 

Bale Mountains Nationalpark

Es ist die größte zusammenhängende afro-alpine Fläche in Afrika, die sich hier über die endlosen Weizenfelder der Umgebung erhebt. Ein Hochplateau mit karger Vegetation, nur noch hartes Gras, bodendeckende Blumen und verkrüppelte Sträucher halten dem ständig blasenden, nachts eisig kalten Wind stand. Durchschnittlich 4.000 Meter hoch ist diese weite Ebene, in deren Senken sich kleine Seen halten, die den wenigen Tieren hier oben das Überleben sichern. In der Nähe des Wassers gedeihen auffällig viele Riesenlobelien, lockern mit ihren schlanken Blättern die monotone Landschaft auf.

Als Trekkinggebiet gepriesen, bietet diese Hochgebirgsregion nicht wirklich attraktives Wandern, eintöniges Dahinmarschieren in unwirtlicher Umgebung ist sicher nicht jedermanns Sache. Da jedoch selbst der höchste Punkt des Gebirgsstockes mit dem fahrbaren Untersatz erreichbar ist, immerhin stolze 4377 Meter hoch gelegen, sind punktuelle Erkundigungen und Aufenthalte durchaus attraktiv. Und dann erfasst man auch so langsam die eindrucksvolle Szenerie, die von der Natur hier geschaffen wurde.

Diese in sich abgeschiedene Welt bietet dem äthiopischen Wolf ein geschütztes Rückzugsgebiet. Nur noch rund 200 Tiere verlieren sich in den Weiten der schroffen Steinebene, er ist damit das seltenste Raubtier der Erde. Seine markante, rote Färbung ist in der graubraunen Umgebung oft schon weithin sichtbar, und die Chancen, eines dieser seltenen Tiere zu entdecken, sind relativ groß. So haben auch wir das Glück, zweimal einen großen Einzelgänger aufzuspüren. Die Gelegenheit, die in Äthiopien endemisch vorkommenden Bergnyalas zu sehen, ist ein weiterer Grund, sich in dieser Ödnis aufzuhalten. Vor allem die mit einem mächtigen Gehörn ausgestatteten männlichen Exemplare sind stolze Tiere, die majestätisch ihre Bahnen durch das niedrige Gestrüpp ziehen.

 

Addis Abeba

Wie die Tentakel einer riesigen Krake mäandert die Metropole Äthiopiens nach Süden und Osten, schon sind die Kleinstädte in bis zu hundert Kilometern Entfernung aufgesogen von der Gefräßigkeit ungebremster Stadtentwicklung. Wie viele Millionen Menschen hier inzwischen versuchen zu überleben, keiner weiß es genau. Zehn Millionen werden es schon sein.

Die Innenstadt ist überraschend zeitgemäß. Moderne Hochbahnen chinesischer Bauart entzerren den Strom der Massen, der Bauboom treibt Stockwerk um Stockwerk in die Höhe. Die Rinnsteine sind sauber, die Citymenschen gut gekleidet und zielstrebig. Aber es gibt auch eine Kehrseite der Medaille: hunderte, tausende Bettler, Bedürftige, Obdachlose lungern herum, betteln um zu überleben. Nicht lästig, aber präsent, zeigen sie deutlich die Missstände auf. Ganz am Ende der sozialen Struktur dann die Straßenkinder. Das schmutzige Gesicht tief über eine mit Klebstoff gefüllte Plastikflasche gebeugt, atmen sie die giftigen, lungenzersetzenden Dämpfe ein, um den allgegenwärtigen Hunger zu dämpfen. Sie starren vor Dreck, strecken Dir beim Ampelstopp oder im Stau die ausgemergelten Arme und Hände entgegen. Hoffnungslos, chancenlos, zum frühen Tod verurteilt. Afrikanische Schicksale…

Addis Abeba ist auch der zentrale Sitz der Afrikanischen Union und Basis vieler ausländischer Hilfsorganisationen. Doch anstatt kontinentale Entwicklung zielorientiert voranzutreiben, verheddern sie sich meist in endlosen Diskussionen, kreieren fragwürdige Projekte und sehen dabei geflissentlich über die Probleme vor der eigenen Haustüre hinweg. Das parlamentarische Leben ist ja auch viel zu bequem, um sich mit dem unsäglichen Dreck um einen herum zu beschäftigen…

 

Das Leben ist die Straße

110 Millionen Menschen. Tendenz explosionsartig ansteigend. Die Nähe ist oft beängstigend, zumindest bedrückend. Menschen überall. Die Straßen sind die Lebensader. Hier spielt es sich ab, das Alltägliche. Ganz Äthiopien scheint permanent in Bewegung zu sein. Irgendwo her, irgendwo hin. Zum Markt, zum Feld, oder einfach nur so.

Autofahren in Äthiopien ist deshalb eine echte Herausforderung. Jede Sekunde. Die Menschen drängen sich um Dich herum, achten meist nicht auf den Verkehr. Der kann mörderisch sein. Überlandbusse schießen mit Dauerfanfare durch die Reihen, Minibustaxis überholen Dich, um sofort direkt vor Dir anzuhalten, weil ein potentieller Fahrgast am Straßenrand winkt. Ausgebremst! Der Gegenverkehr überholt, bis Du das Weiße in den Augen Deines Gegenübers siehst. Oder weicht kraterähnlichen Schlaglöchern aus, auf Deiner Fahrbahn. Erbärmlich geschundene Esel, kaum sichtbar unter den Lasten und Karren, die sie zu schleppen und zu ziehen haben, blockieren stoisch dein Fortkommen, Rinder und Schafe wechseln urplötzlich die Straßenseite, der Hirte glotzt teilnahmslos, wie du eine Vollbremsung hinlegst. Dazwischen wuseln tausende von dreirädrigen Tuk-Tuks, das übliche Fortbewegungsmittel im Nahverkehr. Stoppen, wenden, überholen, immer unberechenbar. Nach drei Stunden Fahrt bist Du weich geklopft…

Die Märkte sind unbeschreiblich. Es sind Wochenmärkte, entsprechend sind sie besucht. Ein staubiger Platz, Plastikplanen für die feilgebotenen Waren. Das Gedränge ist unbeschreiblich. Die Gerüche, der Staub, der Dreck. Tiere, Menschen, Waren, alles ein unglaubliches Durcheinander. Immer auf Tuchfüllung. Mit Allem. Mit Jedem. Von weit her laufen sie, schleppen Lasten in selbstgefertigten Körben, in Säcken. Sitzen im Dutzend auf dem zweirädrigen Wagen, der Esel kapituliert vor jeder kleinen Steigung, wird gnadenlos vorwärts gepeitscht. Die Märkte sind auch der gesellschaftliche Höhepunkt der Woche, Man trifft sich, bespricht alles von Belang, schließt Geschäfte ab. Am Nachmittag dann ziehen sie wieder gen heimatlichen Hof, kilometerweit, in unendlichen Schlangen. Bis nächsten Mittwoch. Oder Samstag…

Die zerfledderten Minibusse sind Transportmittel für alles. Auch für Tiere. Schafe und Ziegen stapeln sich mit zusammengebundenen Beinen auf dem Dachgepäckträger, Hühner werden zu Dutzenden an selbigem kopfüber gebunden. Artgerechter Transport? Egal, besser als Laufen. Innen stapeln sich locker zwanzig Menschen. Samt Körben, Babys und sonstigem Kleinkram. Gemütlich…

Wasser ist eine tägliche Herausforderung. Niemand hat hier einen privaten Wasseranschluss. Schlange stehen für das wertvolle Nass ist zeitraubend. Eine der Hauptaufgaben für die Kinder. Statt Schule…

75 Millionen Äthiopier haben keine Toilette. Der Feldrand, der Flusslauf, der Straßengraben muss dafür herhalten. Meist ganz ungeniert, gehört halt zum Leben. Man gewöhnt sich daran…

Lebensader Straße – nie war diese Metapher treffender…

 

Mehr Infos und Bilder findet Ihr wie immer im Tagebuch ab 28. November - click hier

 

 

Liebe Grüße an Euch alle

Conny & Tommy

Gipfel der Bale Mountains