Iran – ganz anders, als manch einer denkt!
Schon zum sechsten Mal in den letzten elf Jahren sind wir nun im Iran. Ganz klar, wir müssen dieses Land lieben …
Das Auswärtige Amt motiviert uns auch vor unserer diesjährigen Reise mit folgender Meldung: „Vor Reisen nach Iran wird gewarnt“. Und als Krönung obendrauf: „Deutsche Staatsangehörige werden aufgefordert, Iran sofort zu verlassen“.
Nun, ersteres kennen wir schon seit elf Jahren, entlockt uns nicht mal mehr ein müdes Lächeln. Aber der Zusatz macht uns ärgerlich: Seit September letzten Jahres schreckt diese Einschätzung potentielle Reisende ab. Seit diese Meldung gilt, waren wir bereits zwei Monate im Iran, und auch jetzt werden wir wieder dorthin reisen. Ohne Angst, ohne Vorbehalte.
Auch im Vorfeld unserer diesjährigen Iranreise schütteln so einige ob unserer Pläne den Kopf: „Wie könnt ihr es riskieren, dorthin zu fahren! Denkt doch an die ganzen Proteste im Land, die willkürlichen Verhaftungen, die Morde an den Menschen, denkt an die Ereignisse in Palästina, an die Hamas, die Hisbollah!“ Doch unser iranisches Netzwerk signalisiert grünes Licht: „Alles ruhig hier. Kommt, wir freuen uns auf euch!“ Und natürlich machen wir das.
In Varziqan und Ardebil treffen wir Freunde, in Rasht und Lahijan freut man sich, uns wieder begrüßen zu dürfen. Mehr denn je haben wir das Gefühl, hier zuhause zu sein. Einladungen, Hilfsbereitschaft, Unterstützung – die Menschen zeigen sich wieder einmal von ihrer wundervollsten Seite. Selbst die Polizei winkt uns zu, signalisiert uns: „Fühlt euch sicher, alles bestens“.
Aber es gibt auch ernste Gespräche: „Was ist nur mit eurer Regierung los?“ Kopfschütteln ob der aggressiven Töne aus Berlin. Die Menschen fühlen sich oftmals davon angegriffen, die Falschen werden wieder einmal getroffen. „Warum raten eure Politiker:innen davon ab, zu uns zu reisen? Hier ist es doch nicht gefährlich! Wir freuen uns doch, wenn Gäste zu uns kommen.“
Qazvin, Kashan, Isfahan, Yazd, Shiraz. In all diesen Städten begegnen uns die Menschen in einer unglaublichen Offenheit, suchen das Gespräch. Und diese Offenheit manifestiert sich immer mehr im Mut der Frauen. Noch nie hatten sich so viele von ihnen in der Öffentlichkeit ohne ihr Haar zu bedecken gezeigt. Und nicht nur ein zufällig auf die Schulter gerutschtes Tuch gibt wie in der Vergangenheit zufällig den Kopf frei. Nein, ein völlig neues Selbstbewusstsein lässt sie den Kopf unbedeckt und aufrecht tragen. Und es werden immer mehr. Teenager tollen albern herum, die Pferdeschwänze tanzen lustig umher. Junge Frauen, Mütter mit Kindern, Paare händchenhaltend flanierend – Kopftuch Fehlanzeige! Picknickrunden im Park, die Lebensfreude ist greifbar.
Wir sitzen abends in Shiraz in der Fußgängerzone, die Cafés sind gut besucht, alle Bänke rundherum besetzt, die Menschen flanieren gutgelaunt umher. Straßenmusikanten locken zum Zuhören, Lachen schallt zwischen den Bäumen hindurch, Eis wird geschleckt, Mojito ohne Alkohol geschlürft. Hier, und auch an Orten wie dem historischen Persepolis, tragen bestimmt die Hälfte aller Frauen kein Kopftuch mehr, kein Schal bedeckt das Haar, oft liegt ein solcher nicht einmal mehr lässig auf den Schultern. Auch die allgegenwärtigen Überwachungskameras scheren sie nicht, ebenso wenig wie ab und zu patrouillierende Polizisten. Auch die von unseren Medien und Politiker:innen immer wieder angeprangerten Sittenwächter sind nirgendwo zu sehen. Und auch die angeblich angedrohten, schrecklichen Strafen scheinen sie nicht zu interessieren. Na so was …
Trotzdem darf man nicht vergessen, dass der Großteil aller iranischen Frauen nicht auf das Kopftuch verzichten würde. Aber unterdrückt, wie unsere Medien und Politiker:innen es uns weiß machen wollen, fühlen sie sich deswegen nicht. Unverständnis ob dieser Aussagen begleitet uns oft: „Mit mir hat noch nie eine von Euren Politikerinnen gesprochen, wie ich mich fühle. Woher will sie das also wissen?“
Wirtschaftlich geht es den Menschen trotzdem immer schlechter. Die Sanktionen des Westens treffen sie hart. Doch die Regierung wankt nicht, so wie es sich der Westen wünschen würde. Die Maßnahmen laufen letztlich ins Leere. Die Inflation frisst sich durch die Gesellschaft, schwächt das soziale Umfeld. Aber die Menschen sind erfinderisch, kämpfen sich durch.
Natürlich ist es ein großer Unterschied, als Gast im Land temporär zu reisen oder hier dauerhaft zu leben. Abgesehen von wenigen, stets freundlichen Kontrollen der Polizei bewegen wir uns wie immer völlig unbehelligt durchs Land. Kaum halten wir irgendwo an, werden wir sofort willkommen geheißen, man bringt uns Obst und Gebäck, kümmert sich um unsere Belange, möchte uns ständig einladen. Oft müssen wir regelrecht massiv darauf drängen, dass wir beim Bäcker, am Marktstand oder an der Tankstelle bezahlen dürfen. Nicht immer gelingt uns das jedoch.
Diesel zu bekommen ist nach wie vor spannend. Nur wenige Tankstellen verfügen über eine Tankkarte, die zum Erwerb des Treibstoffes nötig ist. Also gilt es, möglichst jede Dieselstation anzufahren, um den Tank nie leer zu haben. Manchmal gibt es einfach keinen Diesel, doch meist haben wir Glück, und wir bekommen ihn zum regulären Touristenpreis von umgerechnet gut einem Eurocent. Doch es gibt auch den Versuch, uns das Zehnfache bis Fünfzehnfache abzuknöpfen, was den preisgeplagten Mitteleuropäer immer noch in Freudentränen ausbrechen lassen würde. Aber hier geht es uns auch ums Prinzip. Dafür bekommen wir oft genug so manchen Liter von den Truckern ganz geschenkt! Und so kommt es, dass man nach fünf Wochen und 3000 gefahrenen Kilometern gerade mal acht Euro fürs Tanken ausgegeben hat! Unfassbar!
In Isfahan und speziell in Shahreza treffen wir uns mit unseren langjährigen Freunden. Diese Tage sind für uns ganz speziell, denn hier sind wir zuhause! Seit über elf Jahren gehören wir zu den Familien, und entsprechend emotional sind die Besuche und gemeinsam verbrachten Stunden.
Nach diesmal nur fünf Wochen verlassen wir dieses spannende Land wieder und wehmütig blicken wir auf die zahlreichen wunderbaren Begegnungen mit den Menschen zurück. Nie fühlten wir uns unsicher, nie gab es negative Situationen für uns. Iran? Na klar, wir freuen uns schon jetzt auf nächstes Jahr, wenn es wieder heißt: Salaam, wir freuen uns, dass ihr hier bei uns seid!
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Liebe Grüße an Euch alle,
Conny & Tommy