Im Land der Samburu und Turkana

Über zwei Wochen sind wir im abgeschiedenen Norden Kenias unterwegs, schinden „Manni“ durch unwegsames Gelände, über scharfkantiges Lavagestein, durch tiefsandige Trockenflüsse, queren steile Bergflanken. Und wir tauchen ein in ursprünglichste Lebensformen, bei den Samburu, den Turkana, den El Molo und den Dassanech. Es sind mit die authentischsten Tage unser spannenden Jahre in Afrika!

zwischen Archers Post und Maralal
zwischen Archers Post und Maralal
Samburu Frau
Samburu Frau
Samburu Frau
Samburu Frau
Wüstenrose in karger Landschaft
Wüstenrose in karger Landschaft
Kinder vom Volk der Dassanech
Kinder vom Volk der Dassanech
steinige Pisten zum Lake Turkana
steinige Pisten zum Lake Turkana
Inselberge auf dem Weg nach South Horr
Inselberge auf dem Weg nach South Horr
Bergtal südlich von South Horr
Bergtal südlich von South Horr
World´s End View, Great Rift Valley
World´s End View, Great Rift Valley
110 Jahre afrikanische Geschichte...
110 Jahre afrikanische Geschichte...
Ziege vom Grill bei Ann und Isaac
Ziege vom Grill bei Ann und Isaac
grüne Oase Baragoi
grüne Oase Baragoi
üppiges Tal von South Horr
üppiges Tal von South Horr
Kral-Camping im Samburu Dorf
Kral-Camping im Samburu Dorf
morgendliches Kamelmelken
morgendliches Kamelmelken
rituelles Schlachten eines Bullen läutet die Hochzeit ein
rituelles Schlachten eines Bullen läutet die Hochzeit ein
spezielle Fleischpartien werden den Brauteltern überreicht
spezielle Fleischpartien werden den Brauteltern überreicht
festlich geschmückte Samburu-Krieger
festlich geschmückte Samburu-Krieger
traditionelle Segnung des Brautvaters
traditionelle Segnung des Brautvaters
Hochzeitsgäste
Hochzeitsgäste
der Bräutigam
der Bräutigam
Übergabe der Braut an den Bräutigam
Übergabe der Braut an den Bräutigam
Bräutigam und Brauthelfer führen die Braut ins neue Heim
Bräutigam und Brauthelfer führen die Braut ins neue Heim
die Braut wirkt noch sehr angespannt
die Braut wirkt noch sehr angespannt
erster Blick auf den Lake Turkana
erster Blick auf den Lake Turkana
Blick über den Lake Turkana zum Mt. Porr
Blick über den Lake Turkana zum Mt. Porr
eine typische Manyatta-Siedlung der Dassanech
eine typische Manyatta-Siedlung der Dassanech
Turkana-Clan auf dem Weg zu einem neuen Siedlungsplatz
Turkana-Clan auf dem Weg zu einem neuen Siedlungsplatz
tolle Wüstenlandschaft rund um den Sibiloi-NP
tolle Wüstenlandschaft rund um den Sibiloi-NP
Sonnenuntergang über dem Lake Turkana
Sonnenuntergang über dem Lake Turkana

Über zwei Wochen sind wir im abgeschiedenen Norden Kenias unterwegs, schinden „Manni“ durch unwegsames Gelände, über scharfkantiges Lavagestein, durch tiefsandige Trockenflüsse, queren steile Bergflanken. Und wir tauchen ein in ursprünglichste Lebensformen, bei den Samburu, den Turkana, den El Molo und den Dassanech. Es sind mit die authentischsten Tage unser spannenden Jahre in Afrika!

 

Umoja Cultural Village – erfolgreiches Geschäftsmodell für gutgläubige Touristen

Der Gedanke, der diesem Projekt einmal zugrunde lag, als es vor über fünfundzwanzig Jahren ins Leben gerufen wurde, war richtig. Eine Art Frauenhaus für geschundene Samburu-Frauen, die zuhause von ihren Männern regelrecht versklavt wurden. Doch was ist davon übrig geblieben?

Traditionelle Manyattas, Hütten aus Kuhdung und Weidenstecken. Wirken irgendwie unbewohnt. Davor ein Dutzend Frauen, einige Kinder. Nachlässig übergeworfene, traditionelle Kleidung, angelegter Kopfschmuck. Gelangweilter Gesichtsausdruck, besonders bei den Jüngeren. Auf dem Boden ausgebreitete Handwerkskunst, nett gemacht aus Kunststoffperlen.

Rebecca, die gut genährte „Managerin“ des Projekts, lädt uns ein, uns einer Führung ältlicher Amerikanerinnen anzuschließen, kostenlos. Also gut.

Die Show beginnt: Rebecca erzählt, erklärt. Die Frauen hier, geflüchtet vor der Willkür ihrer Männer, geschunden, geschlagen, vergewaltigt. Verheiratet mit sieben, in Polygamie gezwungen. Keine Rechte auf Menschenwürde. Fassungsloses Kopfschütteln bei den Amerikanerinnen. Erstes Geldscheinrascheln. Ein Kuvert macht die Runde.

Rebecca läuft zur Höchstform auf: Männer dürfen ihre Frauen sogar straffrei töten, wenn sie es so entscheiden. Und jetzt sei außerdem gerade der Monat der Beschneidung der Mädchen, viele versuchen, hierher zu flüchten. Entsetzen macht sich breit. Noch mehr Geldscheinrascheln.

Eine ausgewählte Hütte wird besichtigt. Dunkel, verqualmt vom glimmenden Feuer, speckige Lagerstätten. Ungläubiges Staunen, so kann man doch nicht wohnen. Das Kuvert ist voll.

Dann der Schulbesuch. Es ist Sonntag, und Ferien. Die Kinder wurden herbeizitiert, gemeinschaftliches Singen ist angesagt. Tütenweise Süßkram wird verteilt. Die heruntergekommene Schule ist eigentlich nur noch Staffage, längst existiert eine neue, größere. Hilfsprojekt aus Mönchengladbach. Fällt aber niemandem auf.

Zwischendurch eine Frage von Conny: „Das wirkt hier alles so leblos. Wo sind denn die Nutztiere?“ Also die Tiere wurde von Turkana-Viehdieben mit Waffengewalt gestohlen, erst letzte Woche. Jetzt haben die Frauen keine Milch mehr für ihre Kinder. Viehdiebstahl? Wie grausam ist das denn! Ungläubiges Raunen. Dass es so etwas Schreckliches heutzutage noch gibt!  (das Stammesgebiet der Turkana ist übrigens viele hundert Kilometer weiter nördlich…)

Jetzt kommt der entscheidende Moment des Geschäfts, die Amerikanerinnen sind weichgeklopft. Alles stürzt sich auf die ausgebreiteten, nett gemachten Gewerke der Frauen. Im Nu wechseln harte Dollar die Besitzerinnen, tütenweise werden Kunststoffperlenprodukte zu Phantasiepreisen weggetragen.

Verabschiedung: Singend und feixend werden die gemolkenen „Azungu“ zu ihren Kleinbussen begleitet. Winken und tschüss. Die Samburu-Frauen schmeißen sich fast weg vor so viel Gutgläubigkeit…

Abschießende Buchhaltung: Jede trägt ihren erwirtschafteten Betrag ein, am Ende stehen unfassbare 635 US-Dollar im Kassenbuch. Für das Kunststoffgedöns. Dazu der Betrag aus dem prall gefüllten Spendenkuvert. Und dann noch das Eintrittsgeld für die ganze Farce. Insgesamt also gut über 1.000 US-Dollar! In weniger als zwei Stunden. Respekt, Mädels! Noch nie durften wir einer solch perfekt inszenierten Abzocke beiwohnen.

Als wir wenig später den Ort des Spektakels verlassen, sehen wir viele der von ihren Männern angeblich so geschundenen Frauen, jetzt in ganz normaler Alltagskleidung, zurück in ihre eigentlichen Hütten, nach Hause zu ihren Familien laufen. Und wenn die nächste Touristengruppe angesagt ist, dann kommen sie mal eben wieder ins sichere Frauenhaus. Zur Tränendrüsen-Verarsche.

The Show must go on…

Ach ja, Kultur gab es übrigens keine zu sehen im Cultural Village…

 

Bei Ann und Isaac in Maralal

„Kommt doch einfach mit zu mir, wir haben genug Platz für Euren Laster. Und Ihr könnt bleiben, solange Ihr wollt. Natürlich kostenlos!“

Isaac, Mitarbeiter des örtlichen Gerichts, beantwortet unsere Frage nach einem ruhigen Übernachtungsplatz in Maralal ganz unkompliziert. So lernen wir eine außergewöhnliche Familie kennen, als wir abends am hell lodernden Lagerfeuer sitzen:

„Mein Großvater wurde Koch bei den englischen Missionaren, die hier in der Region die erste Schule im Samburuland gründeten. Und er entdeckte die christliche Welt für sich und seine Familie. Er schickte seine neun Kinder alle auf diese Schule, und sie lernten viel über die Welt der Weißen.“

Ein winziges Bündel Mensch, verschrumpelt und in sich zusammengesunken, aber mit nach wie vor wachem Verstand. Seit ein paar Monaten erblindet und fast taub, nimmt die Großmutter von Isaac immer noch am täglichen Leben der sie betreuenden Menschen teil:

„Meine Großmutter zählt mehr als 110 Lebensjahre, genau wissen wir es nicht, es gab ja damals, in der Kolonialzeit, noch keine Aufzeichnung für uns Schwarze. Aber sie erinnert sich immer noch an so manche Begebenheit aus längst vergangenen Zeiten. Und sie ist berühmt für ihre Heldentat als junge Frau, als sie eigenhändig einen Löwen tötete, der ihrer Ziegenherde gefährlich wurde.“ Das sind die Geschichten, die Afrika prägen…

Isaac ist ein Samburu, Speer und Schmuck hat er allerdings schon längst mit Anzug und Krawatte getauscht. Nur zu feierlichen Anlässen wirft er sich in die traditionelle Kluft. So wie alle seine acht Geschwister:

„Unser Vater legte großen Wert darauf, dass wir eine ordentliche Ausbildung bekamen. Dies war zu damaliger Zeit sehr außergewöhnlich. Und er hat uns alle im christlichen Glauben erzogen, hat uns Brüdern z.B. verboten, in üblicher Polygamie zu leben.“

Ann, die Frau von Isaac, ist eine Kikuyu. Es ist bis heute nicht unbedingt üblich, dass völkerüberschneidend geheiratet wird, zu viele traditionelle Schranken verhindern dies immer wieder:

„Ann und ich sind seit sechzehn Jahren zusammen, wir haben vier Kinder. Aber wir sind bis heute nicht verheiratet, da ich als junger Mann den Brautpreis nicht aufbringen konnte. Aber mein Schwiegervater beruhigte mich und sagte, wir sollen unser Leben in die Hand nehmen und das mit dem Brautpreis hätte Zeit. Kurz darauf ist er verstorben. Aber jetzt ist es soweit, bald holen wir unsere Hochzeit nach.“

Isaac und seine Brüder teilen sich ein riesiges Hanggrundstück in den Hügeln um Maralal. Wie hier üblich, wurde der väterliche Grund nach dessen Tod auf die Brüder aufgeteilt:

„Mein Bruder Joseph betreibt hier nebenan eine mustergültige, kleine Farm, er wurde seinerzeit sogar von einem EU-Programm gefördert. Auch meine Mutter lebt hier auf ihrer Parzelle, mit ihren Kühen. Und meine beiden anderen Brüder, einer ist Pfarrer, ein anderer saß zehn Jahre im Gefängnis, haben hier auch ihre Heimat. Und sogar eine meiner Schwester ist hier geblieben mit ihrer Familie. So sind wir alle zusammen und eine starke Gemeinschaft.“

Ann und Isaac und all die anderen Mitglieder seiner Familie, sie nahmen uns mit großer Herzlichkeit in ihre Gemeinschaft auf. Wir lernten viel über das Leben der Samburu und wir konnten Spannendes aus unserer Welt vermitteln. Die Zeit mit ihnen war wertvoll und emotional. Ganz herzlichen Dank dafür!

 

Hochzeit bei den Samburu

„Ende der Woche findet in Gelai bei Baragoi eine traditionelle Hochzeit statt. Interessiert Euch das? Dann könnte ich das arrangieren, dass Ihr dabei sein dürft.“ Was für eine Frage! Isaac informiert seinen Kollegen Emanuel in Baragoi, und der nimmt uns zwei Tage später mit nach Gelai.

„Gelai ist in den letzten Jahren immer größer geworden, viele Familien aus dem Umland sind in den Schutz des Dorfes gezogen, weil uns die Turkana immer wieder überfallen, um unser Vieh zu rauben. Und dabei gibt es auch immer wieder Tote.“ In der abendlichen Männerrunde erfahren wir Interessantes aus der Kultur der Samburu. „Hier sitzen wir jeden Abend und erzählen uns die alten Geschichten, vom Großvater zum Vater, vom Vater zum Sohn. Das ist die traditionell afrikanische Kommunikation.“

Jede Familie besitzt Kamele, Rinder, Schafe und Ziegen. Und natürlich Hühner. Viehhaltung ist der Lebensinhalt der Samburu. Und Kinder. Viele Kinder. Es wuselt nur so um uns herum. „Ich habe acht, aber nur eine Frau. Mein Bruder hat zwei Frauen, und viel mehr Kinder.“

Die lederne Kalebasse kreist in der Runde. „Hier nimm, geronnenes Rinderblut gemischt mit frischer Kamelmilch. Sehr schmackhaft und gesund.“

Leider haben wir gerade überhaupt keinen Durst…

„Manni“ parkt direkt im staubigen Hof, zwischen niedrigen, aus dünnen Stecken, Kuhdung und Plastikplanen gebauten Manyattas, den traditionellen Hütten der Samburu. Dunkel sind sie, verräuchert und schmutzig. Hier drinnen hausen vielköpfige Familien, hier wird Leben gezeugt und gestorben. Alles in einem lediglich brusthohen Raum. Kein Licht, kein Wasser. Nur wenige Schritte um uns herum die Krale der Kamele, Ziegen und Schafe. Bei Sonnenaufgang weckt uns lautes Blöcken und heiseres Grummeln, helles Kinderlachen und fremde Wortfetzen, die Geräuschkulisse ist ungewohnt. Und der Geruchsmix aus kaltem Rauch, markigen Tierausdünstungen und dem allgegenwärtigen Staub sehr intensiv.

Wir bieten dem Bräutigam an, professionelle Fotos für die Familie zur Erinnerung zu machen, als Hochzeitsgeschenk. Das anfängliche Misstrauen weicht rasch, bald stört sich niemand mehr an unserer Gegenwart. Conny kann ungehindert fotografieren, ein jeder versucht, uns die traditionellen Abläufe zu erklären. Keine Show für Touristen, alles authentisch bis ins kleinste Detail.

Gestern Abend hatten der Bräutigam und seine Freunde den Brautpreis in Form von zehn Rindern ins Dorf getrieben. Lange noch hören wir ihr Singen und ihre Gespräche. Die eigentliche Zeremonie beginnt beim ersten Tageslicht mit dem Schlachten eines der Rinder. Die jungen Männer um den Bräutigam, Moran genannt, also Krieger, präsentieren sich im festlichen Outfit. Dem Rind wird im Nacken das Rückenmark durchtrennt; es verendet langsam, während an der Hauptschlagader bereits das Blut abgezapft wird, das später mit Milch vermischt den alten Männern gereicht wird. Anschließend wird sehr professionell gehäutet, die Füße abgehackt und das frische Knochenmark an die umstehenden Kinder zum Auslöffeln gereicht. Nun wird das Rind in genau definierte Stücke zerteilt, denn Frauen und Männer bekommen von der Tradition festgeschriebene Teile. Dann werden spezielle Stücke vom Bräutigam und seinem Helfer in die Hütte der jungen Braut gereicht und dort getrocknet.

Wenig später wird der Brautvater geehrt und gesegnet, das Ritual erschließt sich uns nicht wirklich, wirkt jedoch sehr feierlich. Dann ist auch schon Schluss, vorerst, wie es heißt. Doch der für den Abend zu Trommelrhythmen  angesagte Tanz der Frauen findet aus irgendwelchen Gründen nicht statt – schade.

Am nächsten Morgen wird dem Bräutigam seine Braut endgültig übergeben. Sichtlich überwältigt von ihren Gefühlen, das elterliche Heim nun verlassen zu müssen, schleicht die höchstens Fünfzehnjährige durch das Spalier der Dorfältesten ihrem Neuehemann hinterher. Es wird ein sehr emotionaler Abschied aus dem Dorf ihrer Jugend…

Auch wir verabschieden uns nach fast drei Tagen inmitten der Samburu. Sie haben uns ausgesprochen herzlich in ihrer Mitte aufgenommen und akzeptiert. Wir waren wirklich Gäste, keine zahlenden Azungu, das haben sie uns jederzeit spüren lassen. Für uns waren diese Tage ein unglaubliches Erlebnis, wie es einem Außenstehenden normalerweise wohl kaum zuteilwird. Als wir „Manni“ langsam zwischen den niedrigen Manyattas aus dem Dorf bugsieren, winken uns strahlende Gesichter hinterher…

 

Lake Turkana

Es sind die vielen Mythen, die sich um das Gebiet rund um den Lake Turkana ranken, die den Reisenden hierher ziehen. Es ist wohl eine der abgelegensten Regionen Afrikas, nur schwer auf einsamsten und schlechten Pisten erreichbar. Der Lake Turkana ist der größte Wüstensee der Erde, trotzdem sind seine Ufer extrem unwirtlich. Das ganze Jahr über peitscht ein mörderischer Wind über die heißen und staubigen Steinebenen.

Die hier ausharrenden Menschen kämpfen meist ums nackte Überleben. Es sind dies die Ethnien der Samburu und der Turkana, die sich immer wieder mit ihren Viehherden in die Quere kommen, sich gegenseitig dieses mit Waffengewalt stehlen und dabei nicht selten selbst ihr Leben verlieren. Es sind dies die nur noch wenige hundert zählenden Fischer der El Molo, die sich mehr und mehr mit den Turkana vermischen. Und es sind die Viehhalter und Bauern der Dassanech, die beidseitig der Grenze zwischen Kenia und Äthiopien leben. Sie alle sind noch tief in ihren uralten Traditionen verwurzelt und es ist immer ein ganz besonderes Erlebnis, einen kurzen Einblick in ihre uns so fremde Welt zu erhaschen.

Der Vulkanismus hat diese skurrile Landschaft geschaffen, die sich beidseits des Großen Grabenbruchs erstreckt. Vielerorts erkennt man die einstmals mächtigen Vulkankegel, die ihre glühenden Lavamassen kilometerweit über das damals fruchtbare Land schleuderten. Heute quält sich der Reisende über scharfkantige Basaltsplitter und über glühend heiße, schwarzbraune Steinebenen, die sich oft bis zum Horizont erstecken.

Doch dieser entlegene Teil der Erde, einst der Platz, wo sich die Menschheit vor über drei Millionen Jahren entwickelte, er verliert ganz langsam seine Mythologie. Afrikas größter Windpark mit 365 Windrädern geht soeben an den Start, einige Zufahrtswege wurden entsprechend aufgepeppt. Zivilisationsmüll verziert immer öfter die Pistenränder und der Lebensraum für die umherziehenden Halbnomaden wird eingeengter. Doch noch ist es eines der letzten Abenteuer, hier oben alleine unterwegs zu sein, denn oft trifft man tagelang niemanden. Außer ein paar Kalaschnikow tragende Hirten…

 

Fazit Kenia

Für uns ist Kenia das Land der großen Widersprüche. Einerseits macht es den fortschrittlichsten Eindruck aller ostafrikanischen Länder, denn nirgendwo sonst ist ein aufstrebender Mittelstand so prägnant spürbar. Andererseits bekriegen sich nomadisierende Völker, gefangen in uralte Traditionen, stehlen sich gegenseitig ihr Vieh und widersetzen sich der Staatsmacht. Auf der einen Seite buhlen noble Lodges in den Nationalparks und am Indischen Ozean um zahlungswillige Gäste, andererseits vegetieren Millionen Mittelloser in den Slums der Großstädte im unbeschreiblichen Dreck dahin. Einerseits investiert die Welt Milliarden in Prestigeobjekte, andererseits ist die staatliche Korruption so ziemlich die ausgeprägteste in ganz Afrika. Poltische Willkür auf Kosten der Menschen sichert einflussreichen Clans ein unbeschreiblich luxuriöses Leben, während die breite Masse nicht weiß, wie sie abends ihre vielköpfige Kinderschar satt bekommt. Nirgendwo sonst haben wir mit schwarzen Menschen so viele intelligente und zukunftsorientierte Gespräche führen können, doch auch nirgendwo sonst war gar keine Kommunikation möglich, da die Zahl der Schulabbrecher extrem hoch ist.

Ganz bewusst haben wir auf die touristischen Highlights während unserer sieben Wochen im Land verzichtet. Wir hatten einfach keine Lust auf überteuerte Nationalparks und auf mit Hotels zugepflasterte Küstenstreifen. Dafür reisten wir sehr intensiv durch Landstriche, die dem normalen Besucher verschlossen bleiben. Allein für die Region um den Lake Turkana nahmen wir uns über zwei Wochen Zeit. Und wir hatten mit die eindrucksvollsten Erlebnisse unserer bisherigen Afrikareise.

Das Reisen im Land ist ausgesprochen angenehm. Nie wurden wir von der Polizei angehalten und kontrolliert, geschweige denn mit erfundenen Vergehen belästigt. Immer wurden wir weiter gewunken, sobald die Jungs erkannten, dass wir Gäste sind. Im Gegenteil, machten wir den Anschein einer gewissen Ratlosigkeit, hielten sie sofort und fragten, ob und wie sie uns helfen könnten. Ist uns so in Afrika bisher noch nicht passiert.

Doch welchen Weg wird Kenia gehen, wie wird die Zukunft aussehen? Das Land mit seinen zweiundvierzig so grundverschiedenen Ethnien gleicht oft einem Pulverfass. Oft genügen Kleinigkeiten, und schon fallen die Menschen unkontrolliert übereinander her. Die politischen Führer gehen hier mit schlechtestem Beispiel voran. Die Geburtenrate ist eine der höchsten in ganz Afrika, trotz spürbarem Mittelstand. Und der Platz zum Leben wird schon heute immer enger…

Trotzdem, für uns war die Zeit in Kenia so richtig schön, entspannt und interessant.

 

Mehr Infos und Bilder findet Ihr wie immer im Tagebuch ab 11. November - click hier

 

 

Liebe Grüße an Euch alle

Conny & Tommy

Samburu Moran