„Real Africa“…

…so bewirbt sich Sambia gerne selbst. Wir sind gespannt, wie sich das wasserreichste Land Afrikas uns präsentieren wird. Erwartungsvoll betreten wir Neuland…

Holztransport auf dem Zambesi
Holztransport auf dem Zambesi
Personenfähre in Senanga
Personenfähre in Senanga
im Hafen von Mongu
im Hafen von Mongu
Verkauf von Trockenfisch am Markt in Mongu
Verkauf von Trockenfisch am Markt in Mongu
Hafeneinfahrt von Mongu, von Sumpflandschaft umgeben
Hafeneinfahrt von Mongu, von Sumpflandschaft umgeben
Waren werden im Hafen entladen
Waren werden im Hafen entladen
Schulbesuch - gnadenlos überfüllte Klassenräume
Schulbesuch - gnadenlos überfüllte Klassenräume
bunter Markt am Straßenrand
bunter Markt am Straßenrand
Fischerkate in der Bengweulu Sumpfebene
Fischerkate in der Bengweulu Sumpfebene
Mokoro - das Transportmittel am Lake Bangweulu
Mokoro - das Transportmittel am Lake Bangweulu
typisches Bemba-Dorf
typisches Bemba-Dorf
überall nette Menschen in Sambia
überall nette Menschen in Sambia
geschäftiges Treiben am Luapula River
geschäftiges Treiben am Luapula River
Fahrräder sind am Land das häufigste Transportmittel
Fahrräder sind am Land das häufigste Transportmittel
die Lumangwe Falls
die Lumangwe Falls
die Lumangwe Falls im Abendlicht
die Lumangwe Falls im Abendlicht
Manni sitzt im Sumpf fest
Manni sitzt im Sumpf fest
tosende Wassermassen an den Kabweluma Falls
tosende Wassermassen an den Kabweluma Falls
Markt im Hafen von Mpulungu
Markt im Hafen von Mpulungu
Fischerboote auf dem Lake Tanganjika
Fischerboote auf dem Lake Tanganjika
Traumplatz am Lake Tanganjika
Traumplatz am Lake Tanganjika
fangfrischer Buntbarsch - lecker!
fangfrischer Buntbarsch - lecker!

…so bewirbt sich Sambia gerne selbst. Wir sind gespannt, wie sich das wasserreichste Land Afrikas uns präsentieren wird. Erwartungsvoll betreten wir Neuland…

 

Im Land der Lozi

Sumpf bis zum Horizont. Die Barotseflutebenen sind jetzt, kurz nach der Regenzeit, besonders eindrucksvoll in ihren Ausmaßen. Auf winzigen Hügelchen im weiten Nichts leben temporär Fischerfamilien in ärmsten Verhältnissen. Mit ihren Einbäumen aus ausgehölten Stämmen bewegen sie sich durch die riesigen Wasserflächen. Sie flechten Matten aus Schilf, fangen kleine Fische, transportieren sie auf die Märkte von Mongu und Senanga. Das Treiben dort ist authentisch, nahezu nichts hat sich verändert in den letzten Jahrzehnten. Ihr König ist der Regierung in Lusaka von jeher ein Dorn im Auge, pocht er doch vehement auf mehr Unabhängigkeit. Zur Strafe wird die Region immer noch wirtschaftlich benachteiligt. Doch die Menschen sind stolz und selbstbewusst, tragen ihr Dasein mit Würde.

 

Die Müllkinder von Mongu

Neben der Straße eine schwelende Müllkippe. Es stinkt erbärmlich, nach Verfaultem und kokelndem Plastik. Völlig verdeckte Kinder, sechs bis zehn Jahre alt, wühlen sich durch die Abfälle, auf der Suche nach Verwertbarem. Wir stoppen, werfen unseren Müllbeutel in die Kloake. Wie der Blitz rennen die Kinder darauf zu, zerfetzen die Tüte, balgen sich um unseren Abfall. Beklemmend…

„Real Africa…“

 

Der Wahnsinn auf der Fernstraße

Schmal ist das löchrige Teerband, kerzengerade führt es dicht entlang der ärmlichen Marktstände. Kinder und Radfahrer tummeln sich zwischen den dargebotenen Waren, Karren werden hin- und hergeschoben. Ein Dauerhupton kommt näher, mit ungebremsten 120 Sachen knallt ein Fernreisebus durch das Treiben. Wer nicht schnell genug Land gewinnt, wird zermalmt.

„Real Africa…“

 

Hoffnungsloser Schulbetrieb

Morgendämmerung. Aus jeder noch so kleinen, strohbedeckten Rundhütte quillt ein halbes Dutzend Kinder, der meist lange Schulweg wartet. Zwei Stunden später drängen sich bis zu 80 (!) Kinder in jedem Klassenraum, viele sitzen mangels Stühlen auf dem staubigen Betonboden. Bücher gibt es keine, nicht alle Kinder besitzen einen Bleistiftstummel. In der Regel sind bis zu vier Jahrgangsstufen zusammen gewürfelt, der Lehrer beschäftigt sie abwechselnd. Lernerfolg? Sehr mäßig…

„Unsere Regierung hat kein Interesse, uns zu unterstützen.“ Der Schuldirektor wirkt resigniert, seine drei Lehrer nicken. „Es gibt kein Unterrichtsmaterial, selbst die Schulgebäude müssen wir aus eigener Kraft gemeinsam mit den Dorfbewohnern bauen. Das dauert.“ Oft werden die Kinder in drei Schichten unterrichtet, zu viele Kinder, zu wenig Lehrer. Und deren Kompetenz ist sehr übersichtlich. „Immer wieder bieten sich ausländische NGO`s an, uns zu helfen. Aber das ist seitens der Regierung nicht erwünscht. Sie befürchten, vor allem vor Wahlen, dass unsere Kinder gegen die Regierenden beeinflusst werden.“ Die völlig überforderten Lehrer erkennen die Sinnlosigkeit ihres Tuns, nehmen es mit Gleichmut. „Nach Abschluss der siebenjährigen Grundschule können die meisten gerade Mal ein wenig Lesen und Schreiben. Und selbst diejenigen, die eine weiterführende Schule besuchen dürfen, falls die Eltern sich das leisten können, stehen danach ohne jegliche Perspektive da: Keine Jobs, kein Geld, keine Zukunft…

„Real Africa…“

 

Die Bangweulu Wetlands

Endlose Feuchtgebiete und Dauersümpfe, ein See dessen Fläche sich in der Regenzeit verdoppelt, zusammen etwa 25.000 qkm (!) groß. Diese eigentlich lebensfeindlichen Landschaftsformen sind ein einmaliges Naturparadies, die wenigen Fischervölker der Bisa, Batwa und Unga verlieren sich fast in den unendlichen Weiten. Nur in der Trockenzeit ist es bedingt möglich, auf grauenhaft schlechten Pisten  dorthin vorzudringen. Sonst bleibt nur der hölzerne Einbaum.

Das Leben der Menschen hier draußen ist entbehrungsreich. Und sie zerstören nach und nach ihre eigene Lebensbasis. Der See ist völlig überfischt, mit engmaschigen Moskitonetzen fangen sie auch  noch den kleinsten Fisch aus dem flachen Gewässer. Und die spärlich vorhandenen Ackerböden werden ohne Unterlass bewirtschaftet, bis sie nichts mehr hergeben. Sie begreifen nicht, dass sie der Natur eine Chance geben müssen, sich zu regenerieren. Ein Teufelskreis…

„Real Africa…“

 

Eine Augenklinik am Lake Mweru

Wir besuchen die St. John`s Mission in Kashikishi, das letzte vernünftig erreichbare Nest am Lake Mweru. Hospital, Schwesternschule, Kinderstation. Und eine Augenklinik mit Optikstudio. Vor allem für Conny ein interessantes Erlebnis. Rein äußerlich macht es einen richtig guten Eindruck. Vor allem die Blumenbeete sind top gepflegt…

Säuberlich aufgereiht stehen alle notwendigen Maschinen, die ein Optiker so braucht, in Reih und Glied auf einem Tisch. Alte Modelle, klar, aber funktionstüchtig. „Super, damit könnt ihr also Gläser schleifen und in die Gestelle einpassen.“  Die Zuständigen zucken mit den Schultern: „Aber wir haben keine Gläser und auch keine Gestelle…“

Der Augenarzt führt uns durch den Operationstrakt. Steril ist etwas ganz anderes, auch die Ausstattung ist sehr übersichtlich. In dem großen OP mit staubigem Fußboden steht verloren eine Liege samt OP-Lampe im Eck. „Aha, hier operiert ihr also.“ Der Arzt nickt: „Ja, gestern hatten wir noch eine Graue Star OP. Aber dann ist uns die Glühlampe von der OP-Beleuchtung durchgebrannt und wir haben keine Ersatzbirne…“

Sie zeigen uns ihre Kammer für Medikamente und Verbandsmaterial. Der Bestand ist lächerlich gering, falsch gelagert und größtenteils abgelaufen. „Warum ist denn fast nichts da?“ Peinliche Stille, dann: „ Naja, wir müssten bestellen, aber das funktioniert nur über Internet, und das haben wir hier nicht…“

„Real Africa…“

 

Lake Tanganjika

Schon irgendwie exotisch, hier zu sitzen, am See der Superlative. Es ist der längste See der Welt, würde genau zwischen Hamburg und München reinpassen. Und der Zweittiefste; fast 1.500 Meter weiter unten verläuft der afrikanische Grabenbruch, mit fast 700 Metern unter Null markiert er damit auch die tiefste Stelle des afrikanischen Kontinents. Was für eine gigantische, wassergefüllte Schlucht! Gewaltige Bergketten, bis zu 3.300 Meter hoch, umrahmen den glasklaren, tiefblauen See, der ein Sechstel der gesamten Süßwasserreserven der Welt speichert. Deshalb erlaubt die Geologie es nur an wenigen Stellen, die Ufer über Land zu erreichen. Die meisten Fischerdörfer sind nur mit dem Boot anzufahren. Entsprechend dünn ist die Besiedelung entlang der meist steilen Küste.

Ganz in der Nähe der Kalambo Falls, mit 215 Metern Fallhöhe die zweithöchsten Wasserfälle Afrikas, am südlichsten Ende also, finden wir ein traumhaftes Fleckchen. In der Nachbarbucht der quirligen Hafenstadt Mpulungu, Zentrum sambischer Fischerei, verstecken sich unter einem dichten Blätterdach ein paar kleine Rundhütten. Hier betreibt Celestine, eine immer fröhlich lachende Bemba, die Tanganjika Lodge. Alles sehr rudimentär und nicht leicht erreichbar, doch die Lage entschädigt für die etwas mühevolle Anfahrt.

Wir sitzen unter schattigen Blättern, genießen das muntere Treiben vor uns. Hölzerne Boote, vollbepackt mit Menschen und Gepäck, pendeln zwischen den Dörfern hin und her, Fischer versuchen ihr Glück, nutzen mit bauschigen Segeln den aufkommenden Wind. Jeden Tag versorgen sie uns mit schmackhaften Buntbarschen, der See ist trotz Überfischung noch fischreich.

Nach drei Tagen kennt man uns schon, ein jeder winkt zu uns herüber. Und es fällt uns wirklich schwer, diesen paradiesischen Platz irgendwann wieder verlassen zu müssen…

 

Fazit Sambia

„Wir sitzen auf unserem Land und machen nichts daraus, weil wir kein Geld haben“, jammert der Bauer. „Glaub mir, in drei Jahren sind wir wieder Almosenempfänger im Ausland, bei der Misswirtschaft unserer Regierung“, schimpft der Offizier. „Sieh Dir doch unsere schwarzen Farmer an, sie sind zu faul und unfähig, für ausreichend Nahrungsproduktion zu sorgen“, mokiert sich der pensionierte Handelsbevollmächtigte der ehemaligen Regierung. „Unsere Führer wollen unsere Schulen nicht unterstützen, sie fürchten um ihre Macht“, klärt der Schuldirektor auf. „Wir geben auf Regierungsebene viel zu viel unnützes Geld aus, anstatt dem Volk zu helfen“, erkennt der Wirtschaftsexperte aus der Kleinstadt.

Was für mutige Töne! Sie alle wagen sich weit aus dem Fenster in den Diskussionen mit uns. Doch sie sind frustriert: „Kritik ist unerwünscht. Schnell bist Du weg, verschwunden im Dickicht der gelenkten Justiz“.

Auch zu weitaus übergreifenden Situationen und Entwicklungen haben sie sehr interessante Meinungen: „Die Entlassung unserer Staaten in die Unabhängigkeit kam viel zu früh und vor allem vollkommen unvorbereitet. Wir hatten doch damals überhaupt keine Leute, die in der Lage waren, einen Staat selbstständig aufzubauen und zu führen“. Der Offizier erkennt ganz klar das Dilemma, auf dem sich viele Probleme Afrikas aufbauen. „Aids, das ist doch die logische Antwort der Natur auf die unkontrollierte Fortpflanzung in unseren Ländern. Wann begreifen wir endlich, dass wir uns nicht endlos vermehren dürfen!“ Unser Pensionist mit selbst über zwanzig gezeugten Kindern schüttelt resigniert den Kopf.

Wir sind erstaunt über die Weitsichtigkeit derer, die dank ihrer Ausbildung über den Tellerrand hinaus blicken. Sie alle haben längst genug von „real Africa“…

Sambia ist ein Staat, der rund achtzig(!) unterschiedliche Ethnien unter einen Hut bringen muss. Das ist praktisch unmöglich. Ein Glück für das Land ist es, dass sie alle sehr friedfertig und geduldig sind. Und leidensfähig. Sambia ist das wasserreichste Land Afrikas. Und trotzdem leiden viele Menschen Hunger. Sie sind nicht in der Lage, die natürlichen Ressourcen effizienter zu nutzen. Das kümmerliche Straßennetz zerfällt zusehends, es ist kein Geld mehr in der Kasse. Das Bildungssystem scheitert am Desinteresse der Regierenden, drei Lehrer für 240 Kinder, Schichtunterricht. In den Lodges der Nationalparks bezahlen gutsituierte Gäste mal eben 500 Euro für die Nacht, vor dem Tor betteln die Einheimischen um Arbeit, um ein paar Münzen zu verdienen.

Sambia ist das perfekte Land, um in wirklich ursprüngliches Afrika einzutauchen. Natürlich nur abseits der touristischen Routen und Parks. Aber dort, nahe der Grenzen zu Angola und dem Kongo, am Lake Tanganjika und seinen abgelegenen Dörfern, dort ist es immer noch so, wie es immer schon war. „Real Africa“ eben…

Mehr Infos und Bilder findet Ihr wie immer im Tagebuch - click hier

 

Liebe Grüße an Euch alle

Conny & Tommy

 

 

Lumangwe Falls