Gastfreundlicher Sudan

Als wir in den Sudan einreisten, konnten wir uns nicht wirklich vorstellen, in diesem kargen und heruntergewirtschafteten Wüstenstaat fast vier Wochen zu verbringen. Noch dazu unter der täglichen Gefahr, in die gewalttätigen Demonstrationen hineingezogen zu werden, die in den letzten Wochen viele Todesopfer zu beklagen hatten. Doch die Gastfreundschaft vieler Sudanis ließ uns viel länger verweilen als angedacht…

Bedford-Laster, seit Jahrzehnten das unverwüstliche Transportmittel im Sudan
Bedford-Laster, seit Jahrzehnten das Transportmittel im Sudan
Jalal, unser grandioser Gastgeber in Khartoum
Jalal, unser grandioser Gastgeber in Khartoum
es wird für uns aufgekocht!
es wird für uns aufgekocht!
überall einfache Flüchtlingsbehausungen im Viertel
überall einfache Flüchtlingsbehausungen im Viertel
die Flüchtlinge wohnen zum Teil unter freiem Himmel
die Flüchtlinge wohnen zum Teil unter freiem Himmel
...ein hartes Los für die Menschen
...ein hartes Los für die Menschen
die Pyramiden von Meroe
die Pyramiden von Meroe
faszinierende Reste einer untergegangenen Kultur
faszinierende Reste einer untergegangenen Kultur
Conny im traditionellen sudanesischen Outfit
Conny im traditionellen sudanesischen Outfit
alles was noch fährt, wird benutzt
alles was noch fährt, wird benutzt
unendlich viele Ziegeleien entlang des Blauen Nil
unendlich viele Ziegeleien entlang des Blauen Nil
harte Arbeit für kleines Geld in den Ziegeleien
harte Arbeit für kleines Geld in den Ziegeleien
Ort auf dem Weg zur Küste
Ort auf dem Weg zur Küste
typische Siedlung am Straßenrand
typische Siedlung am Straßenrand
Ruinen im alten Stadtteil von Swakin
Ruinen im alten Stadtteil von Swakin

Als wir in den Sudan einreisten, konnten wir uns nicht wirklich vorstellen, in diesem kargen und heruntergewirtschafteten Wüstenstaat fast vier Wochen zu verbringen. Noch dazu unter der täglichen Gefahr, in die gewalttätigen Demonstrationen hineingezogen zu werden, die in den letzten Wochen viele Todesopfer zu beklagen hatten. Doch die Gastfreundschaft vieler Sudanis ließ uns viel länger verweilen als angedacht…

Jalal

„Hi, you are really from Germany?“ Der schmächtige, schon leicht graumelierte Lockenkopf begrüßt uns mit einem offenen Lachen. Er erweist sich schnell als Glücksfall für uns. Er verschafft uns Zugang zu einer sudanesischen Welt, die wir sonst nie kennen gelernt hätten. Seine Gastfreundschaft ist grenzenlos. Geboren im Sudan als Sohn saudischer Eltern, aufgewachsen in Medina in Saudi-Arabien, Architekturstudium in der Türkei. Dort lernt er Kerstin kennen, Lehrerin aus Deutschland. Nach einer kurzen Liaison trennen sich ihre Wege wieder. Jahre später eröffnet sie ihm, er hätte einen Sohn mit ihr. Er fliegt nach Deutschland, sie heiraten, doch es zieht ihn zurück in den Sudan.

Seit einigen Jahren hat er sich hierher zurückgezogen. „Ich möchte nicht in Deutschland leben, auch wenn ich dies ganz offiziell könnte. Doch dort bin ich ein Niemand, kann höchstens als Gärtner arbeiten. Und aufgrund meines Aussehens werde ich sofort als Flüchtling eingestuft, der dem deutschen Staat auf der Tasche liegt.“

Seine ruhige, intelligente Art ist sofort sympathisch. Mit leiser Stimme erzählt er über die schwierige Situation im Sudan, erklärt viel über die Hintergründe. Wir sitzen in einem großen Kreis seiner weitläufigen Verwandtschaft. Das ganze Wohnviertel gehörte einst seinem Großvater, heute stehen hier einige mehrstöckige Mietshäuser, die der Familie eine gute Existenz bieten. Direkt am vorbeifließenden Nil besitzen sie zusätzlich Felder und betreiben Ziegeleien. Die Atmosphäre ist locker entspannt, man palavert über das Tagesgeschehen, die schlechte Wirtschaftslage und natürlich über Politik.

Jalal ist mutig, er macht den Mund auf. Er erlaubt auch vielen Flüchtlingsfamilien rund um sein Haus in ihren Verschlägen zu leben, unterstützt sie mit Gelegenheitsarbeiten, die er ihnen vermittelt und steckt so manchem Geld für Lebensmittel zu. Mit viel Respekt verabschieden wir uns nach einer Woche von ihm. Mit ihm haben wir einen ganz besonderen Menschen kennen gelernt…

 

Die Pyramiden von Meroe

Weithin sichtbar thronen sie auf einem goldgelben Dünenkamm, in ihrer wuchtigen Präsenz erinnern sie an längst vergangene Epochen. Der schneidende Wind treibt scharfkantige Sandkörner millionenfach vor sich her, die Sonne schafft es kaum, die dunstige Schicht zu durchdringen. Wie mit einem Weichzeichner veredelt scheinen die tonnenschweren Steinquader auf den elegant geschwungenen Dünen zu schweben, verbreiten so eine mystische Stimmung.

Als die Nubier im 6. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung von den Assyrern aus dem von ihnen eroberten Ägypten endgültig zurück nilaufwärts vertrieben wurden, verlegten sie ihre Hauptstadt hierher in die weite Einsamkeit der Wüste. Nahe der eigentlichen Wohnstadt entstanden im Lauf der folgenden Jahrzehnte die Pyramiden, die den verstorbenen Herrschern als Grabkammern dienten.

Heute markieren sie die wohl eindrucksvollsten, historischen Zeugnisse vorchristlicher Zivilisation inmitten der nubischen Wüste, unweit des träge dahinfließenden, lebensspendenden Nil. Lange sitzen wir auf der den steinernen Quadern gegenüberliegenden Düne und versetzen uns in die Blütezeit dieser vom Lauf der Geschichte aufgesogenen Kultur.

 

Mohamed

Freundlich lächelnd steht der promovierte Apotheker im weißen Kittel hinter seiner Ladentheke. Mit ruhigen Gesten bedient er seine Kundschaft, lässt Kompetenz und Souveränität spüren. „Seit zwei Jahren leite ich diese Apotheke, sieben Tage die Woche. Freizeit? Kaum.“ Der fünfunddreißigjährige, gut aussehende Mann wirkt plötzlich ernst, als wir ihn nach seinen Familienverhältnissen fragen und antwortet in tadellosem Englisch: „Ich bin ledig, eine Frau hier in meinem Umfeld zu finden, ist nahezu unmöglich. Stammen sie aus besseren Verhältnissen und haben eine gute Schulbildung, dann interessieren sie sich nur für Fernsehen und What`s App, hegen hohe Ansprüche, liegen faul herum und lassen sich bedienen. Eine Frau aus dem Dorf dagegen ist zwar fleißig, aber intellektuell auf Dauer nicht die Richtige.“ Liebend gerne würde er sich verändern, seine Chance suchen in einem anderen Land. „ Im Sudan komme ich nicht weiter, mein Bruder ist als Ingenieur im Oman tätig, dort auch verheiratet. Ich könnte mir auch gut vorstellen, nach Deutschland zu gehen, meine Ausbildung ließe sich auf dortiges Niveau heben und ich bin offen für Integration in eine neue Umgebung.“

Menschen wie er würden es zweifellos schaffen, auch in Deutschland ihren wertvollen Beitrag in der Gesellschaft zu leisten. Wenn sie die Chance dazu erhalten. Wünschen wir ihm das Beste…

 

Fazit Sudan

Der Sudan lebt von und mit der Herzlichkeit seiner Menschen. Unabhängig von Stand und Möglichkeiten wird der Gast aufgenommen in den Kreis der Familie, wird bewirtet und beschenkt. So erleben wir den Sudan intensiv von seiner menschlichen Seite.

Der Rest ist eigentlich ziemlich belanglos. Arm an landschaftlichen Reizen vermögen die wenigen historischen Reste untergegangener Kulturen einen Besuch kaum zu rechtfertigen. Und es ist sicher eines der schmutzigsten Länder, die wir je besucht haben. Die Menschen leben mit stoischem Gleichmut auf, mit und zwischen Müllbergen, ohne sich daran zu stören. Unfassbar.

Die landwirtschaftliche Lebensader ist der Nil, so wie schon seit Jahrtausenden. Seine alljährlich wiederkommenden Fluten schwemmen den fruchtbaren Schlamm an, setzen riesige Regionen beidseitig der Ufer unter Wasser und schaffen so die Grundvoraussetzungen für eine gute Ernte.

Der Sudan leidet seit drei Jahrzehnten unter der Militärdiktatur von Al Bashir. Gemessen an den Staatseinnahmen verbraucht das Regime die höchsten Militärausgaben weltweit, um grausame Bürgerkriege im Südsudan und im westlichen Dhafur zu finanzieren. Millionen Menschen sind auf der Flucht, vegetieren unter erbärmlichen Umständen am Rande der Gesellschaft, weitgehend abhängig von den Hilfslieferungen der Weltgemeinschaft. Dazu versuchen die Amerikaner, nachdem sie den Sudan zur „Achse des Bösen“ addierten, mit harten Wirtschaftssanktionen die Machthaber zu stürzen, treffen dabei jedoch lediglich die leidende Bevölkerung und machen so schlechte Stimmung gegen sich selbst.

Immer wieder versammeln sich Mutige, um für die politische Veränderung zu demonstrieren. Doch sie werden rücksichtslos zusammengeschossen oder eingesperrt. Noch sind es zu Wenige, um das Regime zu bedrängen, doch es brodelt gewaltig. Die Menschen diskutieren inzwischen ganz offen, schimpfen und prangern an. Die Lunte zu einem neuerlichen Krisenherd ist schon lange gelegt...

 

Mehr Infos und Bilder findet Ihr wie immer im Tagebuch ab 23. Januar - click hier

 

 

Liebe Grüße an Euch alle

Conny & Tommy

Einladung zum reichhaltigen sudanesischen Menü