Unterwegs im Kaokoland, dem Sahnestückchen Namibias
Endlich Regen! Dieses Jahr soll die Regenzeit hier oben im äußersten Nordwesten Namibias mal wieder ergiebiger ausgefallen sein. Und das ist so wichtig für diese knochentrockene Region. Nicht nur für das Überleben der wenigen Menschen, sondern auch für das nun herrlich grüne Landschaftsbild. Unsere Geduld hat sich also ausgezahlt…
Abenteuerland…
Das Kaokoland - ungezähmte Natur, endlose Weite. Fast menschenleere Welt, native Himbakultur. Unterwegs zwischen Kunene, dem Grenzfluss zu Angola im Norden und dem Hoanib im Süden, wollen wir uns für längere Zeit in völliger Abgeschiedenheit bewegen. Der letzte wirkliche Abenteuerspielplatz in Namibia…
„Die direkte Zufahrt ins Hoanib Rivier könnt ihr vergessen, da ist es noch viel zu schlammig nach der guten Regenzeit.“ Die Reiseleiter-App der namibischen Guides leistet uns wertvolle Unterstützung, während wir im Schatten des zum Restaurant umgebauten, ehemaligen deutschen Forts in Sesfontein stehen, dem letzten Außenposten der Zivilisation. Also entscheiden wir uns, über einen der „Seiteneingänge“ dort hinein zu fahren, über das Obias Flussbett.
Eine gute Entscheidung, denn die Zufahrt über die Giribes Plain ist ein Traum: zartgrünes Gras auf rotem Sand, hunderte Springböcke beidseitig der schmalen Fahrspur. Das Tal wird zum Canyon, die Felswände rücken zusammen, weiten sich plötzlich und geben den Blick frei ins Paradies: Sanft abfallendes Gelände, auch hier im linden Grün, karges Gebirge am Horizont, unnahbar und lebensfeindlich, und am Hoanib wiegen sich im lauen Abendwind Palmen und Akazien im Gleichklang. Und sonst nur Stille…
Weiter im Westen verliert sich der Hoanib in der Unendlichkeit des Sandmeeres. Eine einsame Fahrspur lockt zwischen hoch aufragenden Dünen, aus denen verwitterte Felsen wie Inseln ragen. Wir schweben fast, so fest ist der Sand; „Manni“ schnurrt wie ein Kätzchen und nimmt die sandigen Auffahrten im leichten Spiel. Auf einer Anhöhe bleiben wir stehen, das Panorama ist unwirklich schön. Ehrfürchtig saugen wir die Welt um uns herum auf.
„Da, ein Elefant! Und noch einer! Nein, viele!“ Immer mehr Rüssel und wedelnde Ohren tauchen zwischen den dichten Bäumen auf. Ungerührt reißen sie die grünen Zweige herunter, hinterlassen auf ihrer Nahrungsschneise zerstörte Natur. Das Hoarusib Rivier nördlich von Puros bietet den Dickhäutern beste Lebensbedingungen. Wir stellen uns in ihren Weg, doch sie drehen vor uns ab, „Manni“ flößt sogar dem größten Bullen Respekt ein.
Der Jan Joubert Pass teilt die Welt hier oben – sanft in der Morgenluft wiegendes, silbriges Gras über dem palmenbestückten Hoarusib Rivier, fast schon brutal erscheinende Mondlandschaft auf der
anderen Seite. Und mittendrin, im lebensfeindlichen Nichts, karge Hütten der Himbas. Erste Begegnung: ein Souvenirstand am Pistenrand im Nirgendwo – grotesk irgendwie…
Opuwo, Bezirkshauptort hier oben. Das ganze Elend der Himbas wird dort deutlich, manifestiert sich in unendlichen Wellblechhütten am Stadtrand. Hoffnungslosigkeit entwurzelter Menschen ist überall spürbar, Betteln an der Tagesordnung, Alkohol als letzte Zuflucht. Wir flüchten.
Aber oben am Kunene, rund um Swartbooisdrif, der alten Vortrekkerfurt gen Norden, scheint die Welt noch in Ordnung. Himbafrauen sammeln Holz unter sich im Abendwind wiegenden Palmen, Kinder grüßen scheu auf ihrem Weg zum Fluss, um Wasser holen. Wir kommen ins Gespräch mit einem jungen Burschen, überraschend gutes Englisch macht es möglich. Er ist der Einzige der ganzen Großfamilie, der in die Schule geht, die neun Geschwister müssen sich um Ziegen und Rinder kümmern. „Schule passt nicht zu unserer Tradition“, erklärt er, „die Tiere müssen beaufsichtigt werden, das ist wichtiger als Lernen.“ 360 Ziegen und 50 Rinder nennen sie ihr Eigen. „We are so hungry, can you help us?“ Unverständnis in unseren Gesichtern ob dieser Bitte, bei dem Viehbestand…
Die Epupa Falls sind in den letzten Jahren zu einer Touristenattraktion ersten Ranges geworden. Die Szenerie der tausend Stromschnellen ist aber auch wunderschön, vor allem im Abendlicht von einem der umliegenden Hügel aus. Sechs Campingplätze und zwei Lodges buhlen inzwischen um die Gunst der Zahlungswilligen. Wir stellen uns direkt an die Becken bei den Hauptfällen, dem Treffpunkt der Einheimischen. Wäsche waschen mit den Frauen, Baden mit den Kindern, Smalltalk mit den Männern. Irgendwie geht der touristische Geldsegen an ihnen allen vorbei… Wir sind mitten drin, die Touristen um uns herum gaffen, grüßen uns meist nicht mal.
Der Weg ins Kernland der Himbas ist beschwerlich. In Okangwati verabschieden wir uns von der Zivilisation, folgen der schmalen Steinpiste nach Westen. Ziegenherden und einzelne Rinder kündigen die lehmverputzen Hütten der einzelnen Kraale an. Immer wieder passieren wir kleine, im Mopanewald versteckte Ansiedlungen. Riesige Flaschenberge zeugen vom größten Problem der Region, dem Alkohol. Am Brunnen von Okauwa füllen wir ein paar Kanister mit Wasser. Wir werden massiv angebettelt, doch die Menschen sind nicht wirklich arm, das ist ein Trugschluss. Alle wirken wohlgenährt und das Betteln ist wohl eher Freizeitbeschäftigung…
Der kleine Damm von Ovireva hat noch Restwasser von der ergiebigen Regenzeit, ein idealer Platz für uns zum Relaxen. Die Stimmung mit Abendrot und Lagerfeuer ist großartig, und die sich abwechselnden Rinderherden geben uns zumindest einen Ansatz von Fauna. So starten wir ausgeruht in den nächsten Pistentag, der uns alles abverlangen wird. Es wird dermaßen heftig, dass wir immer wieder bewundernd den Kopf schütteln, was unsere Laster zu leisten vermögen. Wir schaffen das unmöglich Scheinende, einen Kilometer pro Stunde, immerhin…
Beim Himbachef von Otjitanda und seiner vielköpfigen Familie - wir zählen ein halbes Dutzend Frauen und noch mehr Kinder – verbringen wir mehrere Stunden. Der Kraal ist traditionell aufgebaut; die Dorneneinfriedung für die Rinder in der Mitte und die lehmverputzten Hütten in genau vorgeschriebener Anordnung rundherum platziert. Die Atmosphäre ist angenehm, niemand fordert etwas von uns, im Gegenteil, wir werden kaum beachtet. So können wir ungestört das Treiben beobachten.
Tage später stehen wir ein weiteres Mal an einem schmutzigen Damm. Plötzlich eine vielköpfige Reiterschar auf Eseln. Die Frauen festlich geschmückt, die Männer eher belanglos gekleidet. Auf den Schößen der jungen Mütter leise jammernde Kleinkinder, Burschen allesamt. Die Gruppe kommt vom Initiationsfest, blutverkrustete Genitalien werden uns entgegengehalten. Wunddesinfektionsspray kommt zum Einsatz, mehr können wir nicht tun. Die Aufforderung an die Mütter darauf zu achten, dass die Jungs nicht im Dreck sitzen sollten, bis alles verheilt ist, wird mit Unverständnis registriert. Wie auch, Dreck ist ja überall…
Wir cruisen entspannt über weite Sandflächen, verwitterte Granitfelsen ragen wie Unterseeboote aus der feinsandigen Landschaft. Die Rundblicke von den Hügeln sind unbeschreiblich, wabernder Küstennebel, flimmernde Hitze, endlose Wüste. Ein wahrhaftig würdiger Abschluss unserer Runde durch das Kaokoland…
Teamgeist…
„Das klang jetzt aber gar nicht gut!“ Connys erschreckter Ausruf begleitete ein metallisch-knirschendes Geräusch irgendwo aus dem Innenleben von „Manni“. Wir halten an, gehen auf Ursachensuche. Und die ist schnell entdeckt: unübersehbar reckt sich eine durchgebrochene Blattfeder gen Himmel. „Ach Du Scheiße, das sieht gar nicht gut aus!“ ruft Matze, der hinter uns seinen Laster zum Stehen brachte, kratzt sich am Kopf und schüttelt selbigen.
Wir sind rund zwanzig Kilometer südlich von Sesfontein, also so ziemlich ab vom Schuss. „Manni“ ist definitiv manövrierunfähig, wir schaffen es gerade mal so ohne Lenken runter von der staubigen Piste hinein in das welke Gras. Schnell spielen wir die uns verbleibenden Möglichkeiten durch. „Lass uns Lars Falkenberg in seiner Werkstatt in Kamanjab anrufen“, ist der erste Gedanke. Handy gezückt – kein Netz! Hm…
Ich fahre mit Matze zurück in Richtung Sesfontein, bis wir Netz haben. „Alles kein Problem“, beruhigt uns Lars im 250 Kilometer entfernten Kamanjab. „Wir kommen hoch und wechseln die Federpakete vor Ort.“ Aber es ist Freitagnachmittag, die zu bestellenden Federpakete können also frühestens am Dienstag in Kamanjab sein. Keine gute Aussichten…
Aber es kommt noch schlimmer! Wir kontakten Tina und Klaus, die beiden sind auf dem Weg von Windhoek nach Kamanjab. Sie eruieren in Windhoek per Telefon von unterwegs, aber es sind keine passenden Federpakete verfügbar! Müssen am Montag in Südafrika bestellt werden! Dauert also mindestens eine Woche, bis sie bei uns sein können. Na prima…
Wir schicken Matze schon mal los nach Kamanjab. Er will am Montag alles in die Wege leiten und wir verbringen einstweilen das Pfingstwochenende am staubigen Straßenrand. Am dritten staubigen Pistenrandtag bringt mich die Polizei ins nächste Dorf mit Handyempfang. Unsere Freunde in Kamanjab hatten beschlossen, dass wir uns mit geschienter Blattfeder langsam auf den Weg machen sollten, da die Organisation neuer Federpakete komplizierter erscheint als angenommen. Sie müssen in Deutschland bestellt werden und per Luftfracht nach Windhoek kommen. Also schleichen wir vorsichtig die rund 250 Kilometer nach Kamanjab, das wir nach eineinhalb langen Fahrtagen müde erreichen.
Und unsere Freunde haben sehr gute Nachrichten für uns: die Federschmiede Henning in Hannover hat unsere passenden Federpakete auf Lager, wir organisieren den Transport und machen uns nach zwei Tagen Pause auf die langwierige Fahrt nach Windhoek. Wohlbehalten trudeln wir dort ein und harren der Luftfracht aus Deutschland. Wie versprochen, steht die Palette mit den Federpaketen am Montag zur Abholung bereit und wir organisieren noch am selben Nachmittag den Einbau bei Kai Gorn in seiner Werkstatt. Und nun rollt „Manni“ wieder, wie er soll.
Es ist ein unglaublich schönes Gefühl zu wissen, dass Du Dich auf gute Freunde hundertprozentig verlassen kannst, wenn Du mitten in der Pampa ganz tief in der Scheiße sitzt! Matze, Tina und Klaus haben uns während all dieser schwierigen Tage immer das gute Gefühl gegeben, dass sie alles menschenmögliche bewegen, um uns zu helfen. Ihr Lieben, ganz herzlichen Dank dafür!!!
Noch viel mehr Infos und Bilder findet Ihr wie immer im Tagebuch
Liebe Grüße an Euch alle
Conny & Tommy