Jetzt nach Russland?
„Seid ihr total verrückt?“ Das war noch der harmloseste Kommentar. „Die sperren euch sofort ein!“ Warum? „Und dann verschleppen sie euch an die Front, da müsst ihr dann Hilfsdienste verrichten.“ Wir bekamen die absurdesten Argumente zu hören … Wir sind trotzdem gefahren, denn unsere Erfahrung sagte uns, dass wir nichts zu befürchten haben.
Russland – warmherziger Empfang Allerortens
„Herzlich Willkommen in Russland!“ Der Handschlag des Zollbeamten ist fest, sein Lächeln ehrlich. „Wir freuen uns, dass Ihr hier seid!“ Die Beamtin am Passschalter lacht, als sie unsere Pässe stempelt. „Gute Reise und viel Spaß!“ Der Papierkram ist erledigt und der Zuständige verabschiedet uns wieder mit Handschlag. Was für ein Empfang!
Und so geht es nun jeden Tag. Tee und Gebäck wird uns gebracht, Essenseinladungen ausgesprochen und die Wodkaflasche angeboten. „Braucht Ihr Hilfe? Alles in Ordnung?“ Kaum halten wir an, werden wir freundlich angesprochen. „Was? Aus Deutschland? So weit gefahren?“ Ungläubig schütteln viele den Kopf. Egal, wo wir Manni parken, um die Nacht zu verbringen, wir sind überall willkommen, niemand stört sich daran, dass plötzlich ein Laster hier steht. „Entschuldigung, wo können wir hier Brot kaufen?“ Weit und breit kein Laden in Sicht. „Hier, nimm meines, es ist frisch, von heute.“ Brüske Ablehnung meines Versuchs, das Brot zu bezahlen. „Nein, nein, das ist ein Geschenk!“
Die Polizei ist immer überaus freundlich, nie werden wir ernsthaft kontrolliert. Nein, sie geben uns sogar ihre Telefonnummer, damit wir sie anrufen, wenn wir Probleme hätten. Ein einziges Mal ein kläglicher Versuch, uns ob einer angeblich überfahrenen Linie zu strafen. Hartnäckig verweigern wir eine Bestrafung, und irgendwann sieht er ein, dass mit uns kein Geschäft zu machen ist und wir gehen mit einem Handschlag auseinander.
Nie werden wir in eine Diskussion über die aktuelle Lage hineingezogen, die Menschen hier haben daran kein Interesse. Das Leben verläuft völlig normal, die Supermarktregale sind voll, auch mit westlichen Produkten, die Restaurants in den Städten gut besucht. Der Diesel ist mit durchschnittlich 55 Eurocent nach wie vor billig, Mangel gibt es nirgends. Es sind jetzt Schulferien, die Menschen machen Urlaub. Einzig die Erinnerungsfotos der Gefallenen, die in den Orten aufgehängt sind, rufen einen in die Realität zurück.
Fast drei Wochen waren wir in Russland, waren in Nordossetien, in Tschetschenien, in Dagestan, in Kalmückien und schließlich in Astrachan. Klar, nur ein winziger Teil dieses riesigen Landes, aber es hinterlässt doch ein eindrückliches und vor allem positives Bild. Es war ganz sicher nicht unser letzter Besuch in diesem spannenden Land …
Dagestan
„Bücher werden in elf Sprachen gedruckt. Lieder werden in 40 Sprachen gesungen. Geflucht aber wird bei uns in mehr als 100 Sprachen.“
Dieses Zitat eines zeitgenössischen Literaten bringt es auf den Punkt: Dagestans Bevölkerung ist ein Vielvölkergemisch und daher traditionell sehr unruhig. Doch anders als die direkten Nachbarn hat Dagestan die Zugehörigkeit zu Russland nie in Frage gestellt, auch wenn sie eines ganz bestimmt nicht sind, nämlich Russen. Eines aber haben sie alle gemeinsam: eine schon legendäre Gastfreundschaft.
Es ist Bergland. Lange Zeit eine unüberwindbare Bastion im nördlichen Kaukasus. Lediglich entlang der Küste des Kaspischen Meeres fand Austausch und Handel mit den Nachbarn im Süden und Norden statt. Auch heute bewegt man sich meist auf üblen Erd- und Geröllpisten langsam vorwärts, bei Regen und Schnee sind diese Wege dann rasch unpassierbar. Ein Eldorado für Offroad-Freunde allemal, denn es gibt auch keinerlei Einschränkungen: ein Weg ist dazu da, benutzt zu werden. Punkt.
Wandern und Bergsteigen ist nahezu grenzenlos möglich. Nahezu. Denn Wegmarkierungen gibt es in der Regel nicht, man folgt einfach den Pfaden der Schäfer, orientierungssicher sollte man dabei allerdings schon sein. Immer wieder stößt man dabei auf längst verlassene Bergdörfer, deren Urbanisierung aufgrund der Abgeschiedenheit keinen Sinn mehr macht. Heute sind sie ein beliebtes Ausflugsziel, da sie meist eine exponierte Lage bieten können.
Dagestan ist, wie überall in Russland, ein Camper-Paradies. Einfach runter von der Piste, neben den Fluss oder See, oder auf einen Panoramahügel rauf. Und schon ist ein Platz entdeckt, der seinesgleichen sucht. Niemand wird sich daran stören, im Gegenteil, man wird neugierig beäugt und versorgt. Der Angler von nebenan bringt gegrillten Fisch, der spontan Anhaltende bietet Obst und Kekse. Wenn es abends klopft, ist es nicht die Polizei oder ein erboster Nachbar, sondern hilfsbereite Geister, die um dein Wohl besorgt sind.
Wir werden wiederkommen. Ganz sicher. Mit viel Zeit …
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Liebe Grüße an Euch alle,
Conny & Tommy