Südwesteuropa - 1. Teil

27.April 2014 - 08.Mai 2014

Italien ist unsere erste Anfahrtsetappe nach Afrika. Aber halt – wir sind doch schon mittendrin in unserer Lebensreise! Unser Ziel ist nun jeder Tag für sich…

Der alte Kirchturm von Graun lugt noch empor, den Rest des Dorfes hat der aufgestaute Reschensee geschluckt, damals vor rund 65 Jahren. Die Menschen wurden seinerzeit nicht gefragt – und bekommen haben sie auch fast nichts, mussten ihr neues Graun selbst wieder aufbauen. Hier oben, wo die Winter lang und kalt sind, da beginnt Italien. Das war nicht immer so, früher gehörte Südtirol zu Österreich, und so sprechen die Menschen mehrheitlich auch heute noch deutsch. Fast mit jedem Höhenmeter hinunter in den Vinschgau blüht das Land auf, endlose Apfelplantagen und die Südhänge voll mit Weinstöcken prägen das Tal bis hinunter ins frühlingshafte Bozen.

Lange war Arco eine beliebte Sommerresidenz der Habsburger Könige und Fürsten, die schmalen Gassen um die herrlichen Paläste und Gärten prägen auch heute noch das Ortsbild unterhalb der pittoresk mit dem Burgfelsen verschmolzenen Wehranlage. Doch das Straßenbild könnte fremder nicht sein – bunte Sportklamotten und Hightec-Bikes, Eisdielen und Wifi-Cafes, und überall fast schon unverschämt sportliche Menschen. Wirkt inzwischen alles etwas aufgesetzt… Trotzdem, wir genießen das Klettern und abends ziehen wir uns zwischen die Felsen in die Marocche zurück, wo wir uns ungestört unseren selbstgezauberten kulinarischen Genüssen hingeben.

Den Lago di Garda genießt man am besten an einer Promenade wie in Salo – sehen und gesehen werden ist hier wichtig. Fast wie Kino… Aber schön ist es hier, keine Frage. Das mittelalterliche Städtchen mit seiner Flaniermeile direkt am Wasser ist ein interessanter Kontrast zum Sportlermekka Arco.

Der Rest ist Landwirtschaft und Industrie, Norditalien von seiner wenig erbaulichen Seite. Fährt man über Land fernab der Autostrada durch Kleinstädte und Dörfer, dann wird einem bewusst, wie heruntergekommen Bausubstanz und Straßen abseits der touristischen Hotspots sind. Erst als wir in die Täler der Seealpen eintauchen, gefällt es uns wieder so richtig gut.

Und nun, Arrividerci Italia – Salut la France!

 

der untergegangene Kirchturm von Graun
Frühling im Vinschgau
Klettern in Arco
Übernachtungsplatz am Lago di Cavedine
Spargelessen
Saló am Gardasee
Castello von Piovera
Übernachtungsplatz im Valle di Stura
Bergdorf Aisone
Grenzpass Italien - Frankreich

Südwesteuropa - 2. Teil

09.Mai - 22.Mai 2014

Frankreich empfängt uns mit frühlingshaften Temperaturen. Hier, in den Ausläufern der Seealpen, treffen karstige Vorgebirge auf noch schneebedeckte Bergriesen, uralte, aus groben Steinen zusammengefügte Häuser ducken sich in die fast sonnenlosen Täler. Die Zeit schein hier manchmal stehen geblieben zu sein, wäre da nicht der riesige Stausee Lac de Serre-Poncon, der vor über 50 Jahren die Landschaft verändert hat und im Sommer unzählige Wasserfreunde anlockt und so der lange Zeit sehr armen Region zu dringend benötigten Einnahmen verhilft.

Anders dagegen der Felsdurchbruch der Ardeche. Hier hilft seit Jahrzehnten ein vor Urzeiten entstandener, natürlicher Felsbogen für fotogenes Erleben und zieht die Touristen zu Massen an. Zweifellos schön, wie sich der Fluss sein Bett in den porösen Kalk gegraben hat, doch an so manchem sonnigen Tag sieht man vor lauter Hobbykanuten kaum mehr die Wasseroberfläche. Nun, im erwachenden Frühling, ist dies alles noch erträglich, während der heftige Wind durch die unendlichen Eichenwälder auf den Plateaus hoch über dem Canyon rauscht…

Die karstigen Gebirgsstöcke hier im Languedoc bieten den ständig fließenden Wassern die Möglichkeit, unglaubliche Höhlensysteme zu schaffen. Die größte ist die Grotte des Demoiselles, ein Naturspektakel der Extraklasse. Schon vor langer Zeit entdeckt, wurde sie immer wieder als Versteck von Verfolgten genutzt. Eine offene Standseilbahn führt rund 160 Meter tief hinein in den porösen Fels und die seit nun über 80 Jahren zugängliche Tropfsteinhöhle ist wirklich ein Schauspiel. Der zentrale Saal der Höhle ist riesig, die Vielfältigkeit der geschaffenen Figuren faszinierend.

Nicht weit entfernt von den weiten Stränden des Mittelmeeres schmiegt sich der Lac du Salagou in die hügelige Landschaft. Die hier so typische, tiefrote Erde prägt die Ufer dieses kleinen Stausees, ein Paradies für unzählige Vögel, Reptilien und Nager, bei deren Beobachtung die Zeit unmerklich wie im Flug vergeht.

Der Abstecher ans Meer bei Frontignan und Sete ist allein Danielle und Jean-Louis geschuldet, die uns überaus herzlich und spontan empfangen und uns bis tief in die Nacht köstlich verwöhnen. Ganz herzlichen Dank Euch Beiden!

Immer wieder kreuzen wir den Canal du Midi, die wohl eindrucksvollste Ingenieurleistung des Mittelalters. Mit Hilfe von über 300 Schleusen, Aquädukten, Tunnels, Brücken und weiteren Konstruktionen überwindet diese künstliche Wasserstraße seit mehr als 330 Jahren bis zu fast 200 Höhenmetern auf 350 Kilometer. Was für eine Leistung zu damaliger Zeit!

Dann Carcassonne! Die befestigte Altstadt mit dem doppelten Mauerring und zahlreichen Toren und Türmen ist die größte Burganlage Europas. Iberer, Römer, Westgoten, Araber, Franken und schließlich die französische Krone waren die Herren dieser eindrucksvollen Wehranlage. Und heute, Millionen von Touristen aus aller Welt, mit denen das mittelalterliche Flair irgendwo verloren geht. Nur in der romanischen Basilika Saint-Nazaire aus dem 12. Und 13. Jahrhundert, weit über ihre Grenzen hinaus bekannt wegen ihrer prachtvollen Glasfenster, fühlen wir die Geschichte wirklich, eindrucksvoll in Stimmung gesetzt durch drei russische Sänger, die mit ihren orthodoxen Kirchengesängen die Basilika fast zum Beben bringen.

Morgen nun geht es hinein in die Pyrenäen, die uns heute vom Horizont schon grüßen, schneebedeckt und mit blauem Himmel lockend…

Lac de Serre-Poncon
Ardèche, Pont d`Arc
Übernachtungsplatz an der Grotte de Desmoiselles
die Tropfsteinmadonna in der Grotte
Übernachtungsplatz am Lac du Salagou
Wasserratte am Lac du Salagou
grüne Echse am Lac du Salagou
Burgansicht von Carcassonne
in der Burg von Carcassonne
mittelalterliche Glasfenster in der Basilika St. Nazaire

Südwesteuropa – 3. Teil

23.Mai – 02.Juni 2014

Durch die Pyrenäen

 

Andorra

Inmitten der hier schon hoch aufragenden Gipfel der östlichen Pyrenäen, geschaffen von den unbeschreiblichen Kräften der Eiszeiten, hat sich ein außergewöhnlich tiefes Tal in die steilen Flanken der Berge gegraben. Dieser markante Taleinschnitt, flankiert von einigen noch schmäleren Einschnitten, trägt seit über tausend Jahren den Namen „Andorra“.

Heute ist dies einer der kleinsten, unabhängigen Staaten Europas, und mit nur rund 35.000 „echten“ Andorranern auch einer der am dünnsten besiedelten, obwohl noch etwa ebenso viele „Ausländer“ hier leben. Gesprochen wird Katalanisch und auch Kastilisch, eine Verfassung gibt es erst seit rund 20 Jahren, und einen eigenen Regierungschef haben sie auch nicht. Die weltliche Macht teilen sich traditionell der Bischof aus dem spanischen Urgell und der jeweilige französische Präsident.

Die Täler sind so schmal, dass die Menschen kaum Platz finden zum leben, und so ist vor allem das Haupttal alles andere als schön. Hässliche Zweckbauten füllen fast jede Ecke aus, Skistationen verschandeln so manche Bergflanke und zeugen von der heutigen Haupteinnahmequelle Andorras, dem Tourismus. Man muss schon lange suchen, um in einem der wenigen Seitentäler noch so etwas wie Bergromantik zu finden.

Und doch gibt es sie noch. Abseits der Hauptverkehrswege lassen sich auf uralten Schmugglerwegen herrliche Bergwanderungen erleben, und auf den spröden Gipfeln der Fastdreitausender eröffnen sich grandiose Weitblicke über die hier oben unversehrte Natur.

 

Es sind die kleinen Dinge des Alltags, die das Leben da draußen immer wieder so abwechslungsreich gestalten…

Die Heizung bullert so vor sich hin, die Außentemperatur knapp über null Grad und der quer an „Mannis“ linke Seite prasselnde Regen stört uns nicht wirklich – es ist richtig gemütlich bei uns hier drinnen. Ein süffiger Rotwein glänzt seidig in den feinen Gläsern, harrt seiner natürlichen Bestimmung. Alle drei Flammen auf dem Herd leisten Schwerarbeit, die Kartoffeln blubbern so vor sich hin, der Brokkoli zischt in seinem Topf und die herrlich zarten Schweinefiletstückchen in Rotwein- Pfeffer-Sauce warten auf die erste Wendung.

Dann plötzlich, aus ist`s, kein loderndes Flämmchen mehr unter den Pfannen und Töpfen! Na klar, die Gasflasche ist leer, war ja seit Tagen abzusehen. Tausch ist ja kein Problem – aber ausgerechnet jetzt? Kann ja nicht sein, oder?

Also gut, hilft ja nichts, ab in die Regenjacke, und raus in die Dauerpisse. Scharfer Wind peitscht mir dicke Tropfen ins Gesicht, da musst jetzt durch. Außenstaufach auf, das schöne, staubtrockene Lagerfeuerholz raus in die Nässe, das ganze andere Gerümpel hinterher. Binnen Sekunden ist alles durchgeweicht – ich eingeschlossen. Raus mit den Gasflaschen, ist ja kein Problem, das Wechseln, schon hundertmal gemacht. Eigentlich…

Die Schutzkappe geht nicht ab! Ums Verrecken nicht! Geht doch sonst immer! Schöne Scheiße! Und die von der dritten Flasche auch nicht! Warum? Wir stehen auf knapp 1600 Meter Höhe, kann`s das sein? Druckausgleich? Ich weiß es nicht, ist mir auch wurscht, das verdammte Wasser läuft mir in die Augen, rinnt durch die Hose, ich sehe aus wie durch den Bach gezogen.

Zange! Ich brauche eine Zange! Wo? Andere Seite, Stauraum, zweite Box von oben! Wo ist der verdammte Schlüssel? Ach hier… „Manni“ steht mit den hinteren Reifen auf den Ausgleichskeilen, meine Arme sind zu kurz, um an die Staubox zu kommen, oder ich bin insgesamt zu klein, das Wasser läuft mir von oben in die Ärmel, ich brauch die Leiter! Ok, alles raus, Leiter aufgestellt, Werkzeugbox runter, Zange griffbereit, natürlich, bin ja organisiert… Scheiß Regen!

Na also, geht doch, Schutzkappe locker runter, Flaschen getauscht, zwei Liter Wasser in der Außenstaubox gesammelt, macht nix, läuft ja wieder ab, alles trieft, ich auch. Conny ruft von drinnen – „Essen ist fertig!“ – na prima, Schweinefilet rosa auf den Punkt, muss nur noch alles wieder einräumen, nass bis auf die Haut – „ich komme schon…“

Sonst? Sonst geht`s uns gut – richtig gut…

 

Cirque de Gavarnie

Folgt man in Lourdes dem dortigen Zweig des Jakobwegs nach Süden, so erblickt man schon bald die schneebedeckten Dreitausender, die den natürlichen Grenzwall nach Spanien bilden. Und erreicht man dann schließlich den winzigen Ort Gavarnie, hoch oben und ganz hinten im Tal, dann ist man einem ganz besonderen Naturspektakel nahe gerückt – dem Cirque de Gavarnie, einem gigantischen Bergkessel, der hier am Fuße des Monte Perdu im Lauf der Jahrmillionen durch Gletscherkräfte geschaffen wurde und  einem mehrere hundert Meter steil aufragenden, natürlichem Amphitheater gleicht. Wir wandern hinein in diese unglaubliche Kulisse und staunen über die höchsten Wasserfälle Europas, über 400 Meter in der freien Fallhöhe sich von der oberen Kante ergießend. Auch wenn das neblige Wetter uns nur die untere Hälfte der rund 1500 Meter hohen Wände freigibt, beeindruckt die schiere Größe des steinernen Kessels.

Schwer beeindruckt durchwandern wir einen Teil des Kessels, wagen uns nahe an die steil aufragenden Flanken. Plötzlich ein unheimliches Rauschen, das sich schnell zu einem tosenden Geräusch entwickelt – eine nicht enden wollende Schneelawine ergießt sich über mehrere hundert Meter hinab zu uns in den Kessel. Welch gewaltige Kraft steckt hier in der Natur…

 

Der Jakobsweg

Die Routen des Jakobswegs, dieser wohl berühmteste Pilgerweg Europas, bildet ein dichtes Wegenetz, das sich von Osten und Norden kommend über den Kontinent legt und in Frankreich in vier Hauptwege mündet. Der heute bekannteste Ausgangspunkt für die entscheidenden Etappen durch Spanien bis nach Santiago de Compostela in Galizien ist der kleine Ort St. Jean-Pied-de-Port, am Nordrand der Pyrenäen gelegen. Hier treffen drei der vier Routen zusammen und überwinden auf dem Weg nach Roncesvalles im spanischen Navarra die hier nicht mehr ganz so steilen Berge.

Wir „pilgern“ ein wenig durch die kopfsteingepflasterten Gassen entlang der windschiefen Häuserzeilen rund um die Zitadelle. Alles in diesem schmucken Ort ist auf die Pilgermassen zugeschnitten, Unterkünfte, Souvenirs und natürlich alles rund ums Wandern. Auch für uns ist hier der Ausgangspunkt hinüber nach Spanien, aber nicht auf den Spuren Jakobs; diese werden wir erst wieder am Zielort in Santiago de Compostela kreuzen. Wir suchen uns unseren eigenen Pilgerweg, unseren „Camino del Mundo“…

 

 

Andorra, Übernachtungsplatz im Vall d´Incles
Wanderung über dem Vall d´Incles
Grenzpass nach Frankreich im Vall d´Incles
26. Mai - Manni eingeschneit
Zwei Freunde auf der Suche nach dem Frühling...
Cirque de Gavarnie
Lawinenabgang im Cirque de Gavarnie
Pilgerort St. Jean-Pied-du-Port

Südwesteuropa – 4. Teil

03.Juni  – 13.Juni 2014

Spaniens grüner Norden

 

Was für ein Glück im Unglück!

Langsam schrauben wir uns ein schmales Bergsträßchen durch den dichten Wald hinauf. Es regnet in Strömen. Plötzlich springt in einiger Entfernung ein Reh vor uns auf die Straße, ein weiteres folgt. Sofort bleiben wir stehen, aufgrund unserer niedrigen Geschwindigkeit kein Problem.  Doch eines der Rehe bleibt trotzdem vor lauter Panik immer wieder in einem Stacheldrahtzaum hängen.

Jetzt erkennen wir auch den Grund für die Panik, ein mit Baumstämmen beladenen LKW kommt uns um die Kurve entgegen, nimmt natürlich keine Rücksicht auf das angsterfüllte Tier. Hinter ihm hält ein Geländewagen, der Fahrer nimmt sich dem völlig durchgedrehten Reh an, genaueres sehen wir nicht.

Wir setzen ein paar Meter zurück, ganz an den Rand der Straße, mit den beiden rechten Reifen schon im betonierten Wasserablauf, um den anderen LKW passieren zu lassen. Plötzlich sacken wir hinten rechts weg, die Kabine neigt sich beängstigend weit zur Seite. Sofort aktiviere ich sämtliche Sperren, Vorwärtsgang rein, vorsichtig Gas geben. Doch nichts rührt sich. Also raus, mal sehen, was los ist…

Was für eine Scheiße! Das rechte Hinterrad ist durch eine Betonplatte gebrochen und hängt nun frei in der Luft über einem Bachbett. Die Hinterachse liegt auf dem Teer auf, der ganze Koffer neigt sich gefährlich nach rechts. Doch noch hält sich „Manni“ auf der Straße, nur, wie lange noch??? Die Betonkonstruktion der bachführenden Röhre ist zerborsten, wird nur noch von einzelnen Steinen und Erdreich gehalten. Und es gießt in Strömen…

Der andere LKW-Fahrer glotzt erst mal recht blöde und macht dann den Vorschlag, „Manni“ einfach heraus zu ziehen. Theoretisch möglich, aber was passiert, wenn es nicht auf Anhieb funktioniert? Und mit was? Der Bergegurt ist zu elastisch und zu lang, die Schleppstange zu starr. Und wenn die restliche Betonbrüstung wegbricht, kippt „Manni“ unweigerlich um! Also lehnen wir diese Hilfe erst mal ab und schicken in weiter. Erst mal in Ruhe nachdenken…

Hebekissen! Ist einen Versuch wert! Also raus mit den Kissen und den Luftschläuchen, Kissen unter die Hinterachse und ran an den Druckluftzylinder. Und es funktioniert, „Manni“ hebt sich etwas.  „Hör auf, hör auf, er kippt!!“ Conny schreit angsterfüllt, ich reiße den Schlauch vom Zylinder, die Luft entweicht wieder pfeifend aus dem Hebekissen. Was ist passiert? Durch das sich auffüllende Kissen hob sich auch der  linke hintere Reifen und verlor Bodenkontakt. Und die Gefahr des Kippens war plötzlich noch mehr gegeben. Durch diese Aktion sinkt der rechte Hinterreifen noch ein paar Zentimeter tiefer, der Kippwinkel wächst an…

Eine Frau stoppt neben uns, bietet sofort ihre Hilfe an, verständigt die Polizei. Diese kommt kurz darauf, wir beratschlagen, was zu tun ist. Ein Bergungsdienst muss her, sie telefonieren und aktivieren einen Profi. Einstweilen stehen wir alle im strömenden Regen, die Böschung um „Mannis“ eingebrochenes Hinterrad weicht immer mehr auf. Hoffentlich kommt der Bergungstrupp bald…

Eine weitere Stunde später ist es soweit. Ein vierachsiger Abschlepp-LKW müht sich den Berg hoch zu uns. Der Fahrer peilt kurz die Lage, und schlägt vor, uns einfach herauszuziehen! Aber der Reifen ist doch zu fast zwei Dritteln eingebrochen und hängt in der Luft, die Hinterachse liegt auf dem Teer auf und der Kippwinkel ist extrem schräg und der zerborstene Betonsockel hält wahrscheinlich nur noch Sekunden und… Scheiße, mir geht der Arsch auf Grundeis!

„No problemos“… Na gut, wenn er meint, er ist ja sicher versichert, oder? Er wird schon wissen, was er tut, ganz bestimmt!“ Also „Manni“ ran an den Haken, und mit der Winde ganz sachte angezogen, ein wenig mit dem Gas nachgeholfen – und schon stehen wir wieder auf der Straße! Hinter uns bröseln Betonbrocken samt Eisenarmierungen in das riesige Loch, in dem „Manni“ vor Sekunden noch hing, das zerborstene Betonwändchen neigt sich endgültig zur Seite.

Mann, Mann, Mann!!! Was sind wir erleichtert! Das hätte ganz arschig ausgehen können! Große Erleichterung auch beim Polizeiteam. Wir entschuldigen uns artig für die stundenlangen Unannehmlichkeiten im strömenden Regen und für das nun entstandene Loch am Fahrbahnrand. Kriegen wir da noch zusätzlich Ärger? Aber nein, sie entschuldigen sich bei uns für die schlechten Straßenverhältnisse! Schnell ein rot-weißes Absperrband um den Betonrest geschlungen, muss jetzt sicher für die nächsten Jahre so genügen… Und wir folgen unserem Retter zu seiner Firma, drücken 764 Euro für den Einsatz ab und dengeln noch unsere Außenstaubox zurecht, die bei der ganzen Aktion doch arg in Mitleidenschaft gezogen wurde.

Im Nachhinein zwar ein teurer Spaß, aber wir haben auch riesigen Dusel gehabt, „Manni“ hätte durchaus auch umkippen können. Dafür wiederum war`s billig…

 

Das Baskenland

„Wir sind Basken, keine Spanier!“ – „Bleibt mir bloß vom Hof mit den Spaniern!“ – „Wir müssen büßen für deren Misswirtschaft!“ So hört man es an allen Ecken und Enden. Konsequent wird baskisch gesprochen, eine Sprache, die mit keiner anderen Sprache auf dieser Welt irgendeine Ähnlichkeit aufweist. Das Thema Loslösung von Spanien ist auch im heutigen Alltag präsent, allenthalben Plakate und Banner für die Unabhängigkeit. Nur eben jetzt ohne den Terror der ETA, der Jahrzehnteland das ganze Land in Angst und Schrecken versetzte.

Das Baskenland ist unheimlich grün und fruchtbar. Kein Wunder, hier ist ja auch das Biskayatief zuhause – und das kann schon mal für monatelang feuchtes Wetter sorgen. So wie zur Zeit… Das Baskenland ist auch unheimlich gebirgig. In einem ständigen Auf und Ab bewegt man sich hier durchs Land, mit großem Aufwand werden Autobahnen und Bahntrassen durch die Berge geschlagen, um die Infrastruktur zu verbessern. Das Baskenland ist unheimlich reich an uralten Dörfern und kleinen Städten, die viele Jahrhunderte nahezu unerreichbar ihr Dasein fristeten. Und nun mit einer reichhaltigen Bausubstanz aus vielen Epochen glänzen.

Die Basken, sie sind stolz auf ihr nationale Identität, ihre Sprache „Euskara“, die kein Mensch versteht, auf ihr Flagge, die „Ikurrina“. Sie wären gerne selbstständig, ohne Spanien am Hals. Doch die meisten sind auch realistisch, wenn auch ungern. Und fügen sich der Realität…

 

Die Picos de Europa

Gleich hinter der Costa Verde, nur wenige Kilometer von den grünen Gestaden der Biskaya entfernt, das ragen dutzende schroffer Spitzen in den meist bewölkten Himmel. Bis zu 2650 Meter hoch, trennen diese Kalksteinfelsen die fruchtbaren Küstenstriche von der glühend heißen Meseta Kastilliens. Schon immer war diese imposante Bergkulisse eine ganz spezielle Wetterscheide und für die frühen Seefahrer die weithin sichtbare Orientierung auf dem Weg nach Hause.

Klar, dass wir dieses zerklüftete Gebirge erkunden, zu Fuß über weite Hochebenen und durch schaurig tiefe Schluchten. Für die großen Gipfel ist es noch zu früh im Jahr, hartnäckiger Schnee vereist noch immer die nordseitigen Kletterpassagen. Doch auch so erfreuen wir uns an den mächtigen Wänden, die uns immer wieder an unsere heimischen Berge im Karwendel erinnern…

 

Manni in einem betonierten Wasserrohr versenkt
Manni liegt auf der Achse auf
Bergung
Wallfahrtskirche von Covadonga
Picos de Europa
Bergsee Lago de la Ercina in den Picos
Wanderung in die Schlucht Gargantes del Cares
Embalse de Riano
einsame Badefreuden am Stausee...
Abendstimmung am Embalse de Riano

Südwesteuropa – 5. Teil

14.Juni  – 24.Juni 2014

Nach Galizien – dem „Ende der Welt“

 

Las Medulas

„Wir schreiben das Jahr 136. Schmutzig braune Geröllmassen werden mit dem Fluss Sil talwärts gespült, verändern die Landschaft nachhaltig. Ein See entsteht im Talboden, denn das Wasser hat nicht mehr die Kraft, alles Gestein weiter zu transportieren. Hell klingendes Schlagen von Metall auf Fels hallt durch die Berge, Stimmengewirr erfüllt die Wälder. Römische Soldaten bewachen das riesige Bergwerk, das sich nach der letzten Biegung zeigt, tausende Sklaven aus allen Herren Länder und auch viele einheimische asturische Siedler arbeiten unter meist unmenschlichen Bedingungen in engen Stollen und treiben diese tief in das Konglomeratgestein hinein.

Es ist Gold, das hier lockt! Erste Funde im Fluss lassen die römischen Herrscher anfangen, die Berge, aus denen er kommt, abzutragen. Und das machen sie mit einer unglaublich intelligenten, aber auch aufwändigen Methode. Von weit her, von den umliegenden Bergen, wurden Kanäle gegraben, die Wasser heranführen. Dieses wird nun in künstlich angelegten Becken oberhalb der abzutragenden Berge gesammelt. Einstweilen graben die Sklaven und Arbeiter von oben schmale Schächte in den Berg, verzweigen diese vielfach und versehen sie mit Engstellen, um den Wasserdruck zu erhöhen. Dann wird der Berg geflutet. Mit einer unheimliches Wucht schießt das angestaute Wasser nun durch die Schächte und bringt den Berg regelrecht zum platzen. Nun wird in mühseliger Feinarbeit das gesamte Material gesiebt und abtransportiert.“

Innerhalb von rund 250 Jahren gelang es den Römern mit Hilfe ihrer Sklaven und Arbeiter, vermutlich rund 1500 Tonnen Gold zu fördern, dann versiegte die Mine und das Gelände wurde aufgegeben. Heute hat sich die Natur die aufgelassene Mine größtenteils zurückgeholt und es entstand eine skurrile Landschaft, die vor allem durch ihr abendliches Farbenspiel begeistert. Fast goldgelbe und rötliche Bergfragmente ragen in bizarrer Weise aus dem dunkelgrünen Blattwerk der Kastanienbäume, leuchtend blaue Seen spiegeln die über den Horizont wandernde Sonne. Lange wandern wir durch diese von Mensch und Natur gemeinsam geschaffene Landschaft, die seit nun fast 2000 Jahren nahezu unverändert der Geschichte trotzt…

 

Das „Ende der Welt“

Schon die Römer kamen gerne hier herauf gepilgert auf den kargen Felsen, und sie nannten den Platz finis terrae, Ende der Welt. Sie kamen hierher, um jeden Abend die Sonne „sterben zu sehen“, staunten darüber, wie sie im Meer versank und doch am nächsten Tag wieder hell leuchtend auf der anderen Seite aufzutauchen.

Es wirkt wirklich ein bisschen wie das Ende der Welt, wenn man hier oben sitzt und sich bewusst macht, dass erst viele tausend Meilen weiter westlich wieder Land in Sicht kommen wird – Amerika. Doch das wussten die Römer damals noch nicht, für sie war hier Schluss…

Heute kommen mehrheitlich die Pilger des Camino de Santiago hierher. Sozusagen als Abschluss ihres langen Marsches quer durch Nordspanien nach Santiago de Compostela hängen sie noch gerne diesen Abstecher ran, um auf dem Kap den legendären Sonnenuntergang zu genießen und ihren Gedanken nachzuhängen. Machen wir auch, und wir haben „Manni“ auch extra eine Muschel an den Reservereifen gehängt, als Zeichen dafür, dass er auch den ganzen Camino geschafft hat…

 

Der Jakobsweg – Kultur wird zum Kult

Wenn die heutigen Pilger nach rund 800 staubigen und zermürbenden Kilometern endlich die Spitzen der Kathedrale von Santiago de Compostela erblicken, dann können sie mit Recht stolz sein auf ihre Leistung. Sie sind den Spuren Unzähliger gefolgt und haben so ihren Anteil zur kulturhistorisch doch recht fragwürdigen, religiösen Geschichte beigetragen.

Nun mag ein jeder seine eigenen Gründe und Bedürfnisse haben, diesen „Gang des Sündenablasses“ auf sich zu nehmen; das Ziel, die Gebeine, die hier als die des Heiligen in der üppig ausstaffierten Kathedrale besucht und verehrt werden, sind wahrscheinlich nicht einmal die Seinigen. Sind sie doch, nach seiner Hinrichtung in Jerusalem, von Engeln gesteuert, in einem Marmorsarg hierher verbracht und dann jahrhundertelang in Vergessenheit geraten. Ein alter Einsiedler hatte dann irgendwann die plötzliche Eingebung, auf einem alten römischen Friedhof zu graben, und, welch Überraschung, man fand tatsächlich einen Sarg.

Als der Heilige dann auch noch auf einem weißen Pferd mit dem Schwert in der Hand die Mauren besiegte, war seinem Aufstieg zum Schutzheiligen nichts mehr im Wege. Und trotzdem verschlampte man irgendwann wieder mal die heiligen Gebeine. Erst im 19. Jh. fand man bei Grabungen in der Krypta alte Knochen, die vom Forensiker Papst Leo XIII. umgehend als diejenigen von Jakob erkannt wurden…

Nun, all das ist den meisten derjenigen, die sich heute auf den mühsamen Weg machen, egal, denn es scheint inzwischen eher das gemeinsame Erleben unterwegs wichtig denn der Sündenablass. Und so wurde das ganze Spektakel inzwischen zu einem riesigen Geschäft und natürlich zum Kult – den Jakobsweg „gemacht zu haben“…

So, und jetzt verlassen wir Spanien erst mal und schauen uns bei den Portugiesen ein wenig um…

 

Kathedrale Santa Maria la Regla in Leon
imposantes Eingangsportal der Kathedrale in Astorga
Gaudis Palacio Episcopal in Astorga
römisches Bergwerk Las Medulas
Erläuterung zur römischen Bergwerktechnik
Sonnenuntergang am Cabo Fisterra
der Himmel brennt am Cabo Fisterra
alter Dorfplatz mit Horreo in Carnota
Sonnenuntergang an der galizischen Küste
die Kapelle des Heiligen St.Jacob in der Kathedrale von Santiago de Compostela

Südwesteuropa – 6. Teil

25.Juni  – 07.Juli 2014

Portugals Städte – ein Ausflug in die Vergangenheit

 

Porto 1914

Träge wälzt sich die Douro, von den Weingütern an den terrassierten Hügeln ganz im Osten des Landes kommend, unter der erst 1886 erbauten, kühnen Konstruktion der doppelstöckigen Eisenbrücke Ponte de Dom Luis I. hindurch. Die Menschen auf der Brücke blicken hinab auf die sanft vor sich hin dümpelnden „Barcos rabelos“, die so typischen Boote, mit denen flussaufwärts die Holzfässer mit dem schmackhaften Portwein geholt werden. Die bunten Häuserzeilen am Kai von Porto, in Ribeira, blitzen in der Abendsonne, in den Bars und Fischtavernen tummeln sich die Portuaos bei Meeresfrüchten und schwerem Rotwein. Auf der gegenüberliegenden Seite, in Vila Nova de Gaia geht es geschäftig zu: pausenlos werden „Barcos rabelos“ entladen, Segel gerafft, Fässer an Land gerollt. Hier befinden sich die Portwein-Kellereien, von hier aus geht der haltbar gemachte Wein per Schiff hinaus in die Welt. Im „Palacio da Bolsa“, dem Börsenpalast, werden die entsprechenden Kurse festgelegt, der Handel floriert. Hoch über der Stadt thront die Kathedrale Se, auch der höchste Kirchturm Portugals von der Igreja dos Clerigos ist weithin sichtbar. Staunend stehen die Menschen auch vor einem weiteren, eben neu eingeweihten Prunkstück der Stadt, der Estacao de Sao Bento, der modernen Bahnhofshalle, die über und über mit Azulejos, den blauweißen Kacheln, die Volkstümliches darstellen, geschmückt ist. So entwickelt sich Porto zur führenden Handelsmetropole des Nordens und bleibt doch im Schatten Lissabons…

 

Sintra 1854

Nicht weit vor den Toren Lissabons erhebt sich der grüne Hügel von Sintra über der kleinen, gleichnamigen Stadt. Eine alte Festung der Mauren, die hier bereits im 12. Jh. vertrieben wurden, bestimmte bis vor kurzem den Berg mit ihren zinnenbewehrten Mauern und den inzwischen verfallenden Gebäuden. Doch jetzt geriet dieses Zeugnis aus der Zeit der islamischen Besatzer in den Schatten eines Märchenschlosses. Der sächsisch-fränkische Prinzgemahl Ferdinand von Sachsen-Coburg-Gotha ließ sich und seiner Gemahlin Dona Maria II. einen Palast bauen, der nun weit in das Umland hinaus mit seiner beeindruckenden Silhouette den Reisenden den Weg weist. Verschiedenste Stilrichtungen des 19. Jh. vereinen sich hier in ein Meisterwerk der Romantik. Hier oben, im Palacio de Pena, inmitten einer der exotischsten und schönsten Gartenanlagen Europas, verbringt der königliche Hof nun die heißen Sommer, wenn es in der Residenz in Lissabon unerträglich wird. Und dies bleibt so, bis 1910 die Republik ausgerufen wird…

 

Lissabon 1524

Das manuelistische Zeitalter geht gerade zu Ende und Portugal ist auf dem Höhepunkt seiner Macht. Heinrich der Seefahrer, Vasco da Gama, Magellan und viele andere mutige Kapitäne und Navigatoren haben die Welt neu entdeckt und für ihr Vaterland in Besitz genommen. In Indien, in China, in Brasilien und rund um Afrika weht die portugiesische Flagge über kanonenbewehrten Mauern und sichert so wertvolle Handelsplätze und Schifffahrtsrouten. Unermesslicher Reichtum häuft sich in den Lagerhallen Lissabons an, exotische Gewürze und die verschiedensten Edelmetalle eröffnen dem Königshaus die Möglichkeiten, die Stadt neu zu gestalten und prachtvolle Paläste und Kirchen zu bauen. Der neu erbaute, schneeweiße Torre de Belem an der Einfahrt zum Hafen wird zum neuen Wahrzeichen dieser erfolgreichen Seefahrernation, das stolze Monasteiro de Jeronimos thront erhaben über dem Tejo.  Im Schatten des Königspalastes am Praca do Comercio wir alles gehandelt, was die Karavellen aus den fernen Ländern hierher bringen.  Und über allem wacht das Castello de Sao Jorge. Hier, an den Ufern der riesigen Lagune des Tejo befindet sich in diesen Tage der Mittelpunkt der Welt…

 

…und 2014?

Nun, was ist geblieben von dieser stolzen Vergangenheit, von all den prachtvollen Kirchen und Palästen, vom Reichtum der Seefahrernation, die einst die Welt mitgestaltet hat? Und was ist aus den vormals so wichtigen Handelsmetropolen geworden im Wandel der Zeiten?

Nicht allzu viel, wenn man ehrlich ist. Größere, stärkere Nationen jagten Portugal aus dem illustren Kreis der Mächtigen, das verheerende Erdbeben von 1755 zerstörte Städte und Paläste und die wenig erfolgreiche Politik der Könige sowie die grausamen Jahre der Salazar-Diktatur gaben dem einst so erfolgreichen Land den Rest.

Heute kämpfen die Städte Portugals gegen den Verfall, doch dieser Kampf erinnert ein bisschen an Don Quichotes aussichtslosen Disput gegen Windmühlen. Das Land ist nahezu pleite, es fehlt an allen Ecken und Enden. Und doch versuchen die Portugiesen mit Charme und Geschäftigkeit zumindest im Kleinen dagegen anzutreten – mit so manchem Erfolg. Doch es braucht schon eine Flasche kalten Vinho Verde oder ein paar Gläser von den Trauben der Hänge des Alentejo, um all den Niedergang ein wenig schöner zu trinken. Und dann siegt in den urigen Kneipen und schicken Lokalen der Altstädte das Flair des Vergangenen doch wieder über die Tristesse der Gegenwart…

 

Porto - Portweinschiffe auf der Douro
Porto - Altstadtansicht
Aveira
Gothisches Kloster in Batalha
Sintra - Palacio de Pena
Sintra - Palacio de Pena
Lissabon - Torre de Belem
Lissabon - Monasteiro de Jeronimos
Lissabon - Monasteiro de Jeronimos

Südwesteuropa – 7. Teil

08. Juli  – 22. Juli 2014

Von der Algarve nach Andalusien

 

Sevilla

Die Metropole Andalusiens glänzt mit historisch wertvollen Zeugnissen aus einer wechselhaften Vergangenheit. Der unbestrittene Mittelpunkt der Altstadt ist die Kathedrale, erbaut nach der Rückeroberung der Stadt durch die christlichen Heere im 13. Jh. Sie ist eine der bedeutendsten und vor allem der größte gotische Sakralbau der Welt. Lediglich das Minarett der ehemaligen Moschee, die Giralda, ein Meisterwerk der almohadischen Architektur, blieb original erhalten und wurde zum Glockenturm umfunktioniert. Die Seitenkapellen wurden von den berühmtesten Künstlern der damaligen Zeit gestaltet. Und sie beherbergt den Sarkophag des wohl bekanntesten Entdeckers unserer Geschichte – Christoph Columbus.

Direkt daneben lockt die imposante Palastfestung der arabischen Herrscher, der Alcazar, ein Juwel der Mudejar-Baukunst. Vor allem der Thronsaal mit seinen vergoldeten Stuckarbeiten und dem Kuppelgewölbe aus Lärchenholz zeugt auch heute noch von der unglaublichen Kunstfertigkeit der damaligen Meister.

Doch auch die weiteren Paläste und Kirchen, Stierkampfarena und Gärten machen die Altstadt von Sevilla zu einem einzigartigen Ensemble, umgeben von den uralten Stadtvierteln, deren Häuserzeilen um winzige Piazzi liebevoll restauriert und nur durch enge Gassen erreichbar sind.

Eine tolle Stadt, in der wir uns auf Anhieb wohl gefühlt haben. Wahrscheinlich lag es am unverwechselbaren arabisch-andalusischen Charme…

 

Gibraltar

Die schon von weiter Ferne auszumachende, im Volksmund Affenfelsen genannte Halbinsel Gibraltar ist seit rund 300 Jahren im Besitz der Briten und seit dieser Zeit ein ständiger Zankapfel zwischen Spanien und England.

Dabei gilt der Felsen mit seinen natürlichen Höhlen auch als das letze Rückzugsgebiet der Neandertaler in Europa. Im Altertum war es eine der Säulen des Herakles, und nach den Westgoten kamen die Araber, die schlussendlich erst 1492 von dort vertrieben wurden.

Und nun die Briten. Es ist schon ein eigenartiges Gefühl, in Westeuropa stacheldrahtbewehrte Grenzanlagen zu durchlaufen und plötzlich ein wenig „britisch style“ zu verspüren. Doch die Hauptattraktion sind sicher die Berberaffen, die einzige Kolonie dieser Tiere in Europa. Sie sind inzwischen natürlich an die Menschen gewöhnt und lassen sie ganz nahe an sich heran.

So bleibt uns Gibraltar als Anachronismus der Geschichte bestimmt noch lange erhalten, hat doch die überwiegende Mehrzahl der rund 30.000 Bewohner vor nicht allzu langer Zeit für einen Verbleib bei Großbritannien gestimmt. Und die Spanier werden weiterhin schmollen…

 

Drei Monate Anreise quer durch Südwesteuropa bis nach Afrika – was bleibt?

Nach gut 12 Wochen auf Achse stehen wir am südlichsten Punkt Europas und blicken gespannt hinüber auf die in der überraschend klaren Luft gut erkennbare Küste Marokkos, unserer ersten Station auf unserem langen Weg durch Afrika.

Wir haben uns sehr viel Zeit gelassen für diese Anreise, eine Reise, die uns durch Österreich, Italien, Frankreich, Andorra, Spanien und Portugal geführt hat. Wir haben diese Zeit des unbeschwerten Reisens sehr genossen, sind nach der langen Zwangspause zuhause wieder angekommen in unserem eigentlichen Leben.

Was nehmen wir nun mit auf unseren weiteren Weg in den Süden? Nun, Europa ist wunderschön, klimatisch angenehm und kulturell reich an Historischem. Sicheres Reisen ließ uns nie Unwohlsein verspüren bei unseren gewählten Übernachtungsplätzen, die Infrastruktur ist perfekt und in jedem noch so kleinen Nest warteten prall gefüllte Supermarktregale, um in unseren Kühlschrank umgefüllt zu werden. Die Menschen sind freundlich und hilfsbereit, die Städte und Strände sauber. Grenzen zwischen den Ländern sind praktisch nicht mehr existent, der Euro gilt überall, und man fühlt sich sofort an jedem Platz irgendwie zuhause.

Und da ist aber auch der Knackpunkt. Exotisch ist hier nichts mehr, die Kulturen ähneln der eigenen und verstehen tut dich eigentlich auch jeder. Wenn er will…

Denn das ist das ganz große Defizit Europas – das Persönliche! Jeder macht so sein Ding, so wirklich interessieren tut sich niemand für das, was der andere macht. Und so gab es während der ganzen langen Zeit keine ernsthaften Begegnungen mit den Menschen, keine Einladungen zu einem netten Abend und keine Gespräche, die über die übliche Höflichkeitskonversation hinausgehen.

Deshalb freuen wir uns jetzt auf Afrika, auf seine Menschen, seine Unwägbarkeiten, seine Überraschungen. Auf Spannendes und Aufregendes, auf Archaisches und Buntes. Aber wir verschließen dabei nicht die Augen vor den Problemen, die diesen Kontinent beuteln.

Marokko wird unsere erste Station sein. Nicht neu für uns, wir bereisten das Land letztmalig vor vier Jahren ausgiebig und waren begeistert. Man sehen, ob wir dies wieder so empfinden…

 

am Cabo de Sao Vicente, der südwestlichste Punkt Europas
Sevilla, Sarkophag des Christoph Columbus
Sevilla, Palacio Reales Alcazares
Ronda, Puente Nuevo
Gibraltar
Berberaffen auf dem Affenfelsen von Gibraltar
Berberaffenbaby auf dem Affenfelsen von Gibraltar
Blick von Gibraltar