Vielvölkerstaat Mali,

bürgerkriegsbelastet, bettelarm, kulturreich, geheimnisvoll. Wir sind gespannt, was uns erwarten wird, ob es weiterhin so entspannt bleibt wie bisher, hier in Westafrika. Wir nähern uns dem Land und seinen Menschen praktisch durch die Hintertür, über die Falaise de Tamboura, auf spannenden Pisten und in unglaublich ursprünglichen Dörfern. Und das wird uns fast zum Verhängnis…

Oje! Manni versenkt!
Oje! Manni versenkt!
erste Bergungsversuche
erste Bergungsversuche
Hilfe beim Schaufeln aus den nahen Dörfern
Hilfe beim Schaufeln aus den nahen Dörfern
anlegen einer Ausfahrtsrampe
anlegen einer Ausfahrtsrampe
Meter für Meter ackern wir uns raus
Meter für Meter ackern wir uns raus
wir haben es fast geschafft!
wir haben es fast geschafft!
ursprüngliche Dörfer in der Falaise de Tambaoura
ursprüngliche Dörfe in der Falaise de Tambaoura
Frauen auf dem Weg zurück ins Dorf
Frauen auf dem Weg zurück ins Dorf
alltägliche Arbeit - Hirse stampfen
alltägliche Arbeit - Hirse stampfen
schon die kleinen Mädchen müssen ran
schon die kleinen Mädchen müssen ran
unverfälschtes Kinderlachen
unverfälschtes Kinderlachen
Dorfidylle in den Innenhöfen
Dorfidylle in den Innenhöfen
immer Zeit für ein nettes Lächeln
immer Zeit für ein nettes Lächeln
kochen am Feuer
kochen am Feuer
Siby, Arche de Kamadjan
Siby, Arche de Kamadjan

bürgerkriegsbelastet, bettelarm, kulturreich, geheimnisvoll. Wir sind gespannt, was uns erwarten wird, ob es weiterhin so entspannt bleibt wie bisher, hier in Westafrika. Wir nähern uns dem Land und seinen Menschen praktisch durch die Hintertür, über die Falaise de Tamboura, auf spannenden Pisten und in unglaublich ursprünglichen Dörfern. Und das wird uns fast zum Verhängnis…

 

Tag 1

Der Pistenhorror erreicht uns in Form einer unscheinbaren Wiese am Rande der schmalen Piste. Eigentlich mehr ein Pfad. Ich umfahre einen stacheligen Baum, der hier tausendfach „Manni“ gnadenlos zerkratzt, plötzlich bleiben wir abrupt stehen. Sofort neigt sich „Manni“ gefährlich nach rechts. „Wir kippen, wir kippen. Scheiße, nein, bitte nicht!“ Conny starrt mit weit aufgerissenen Augen auf den auf ihrer Seite immer näher kommenden Boden. In Zeitlupe sinkt „Manni“ rechts ein, bis er mit den Differenzialen und den Achsen auf dem Boden aufliegt. „Raus jetzt, schnell, aber vorsichtig!“ Ich versuche ruhig zu bleiben, doch das ist nur oberflächig. Das Adrenalin pumpt in den Adern, alle Sinne versuchen, die Situation zu begreifen und zu bewerten. Mit über dem Kopf zusammengeschlagenen Händen stehen wir vor „Manni“, der sich nun in einer erschreckend gefährlichen Schieflage befindet.

Wir versuchen, wieder einen klareren Kopf zu bekommen. Eine erste Bestandsaufnahme zeigt uns, dass wir „Manni“ ganz schnell stabilisieren müssen, denn auf der eingesunkenen Seite sammelt sich bereits Wasser, wer weiß, wie lange der feuchte Boden sein Gewicht tragen wird. Wir fangen auf der linken Seite an zu schaufeln, was das Zeug hält, legen Sandbleche unter, damit eine berechenbare Auflagefläche entsteht. Vorbeikommende Männer aus den umliegenden Dörfern packen sofort mit an und es gelingt uns gemeinsam, zumindest eine augenscheinliche Sicherheit zu schaffen. Im Dunkeln, mit Stirnlampe unter der Hinterachse liegend, schaffe ich es noch, den Wagenheber in den Morast unter die Hinterachse zu graben und so ein weiteres Absinken zu verhindern.

Für die Nacht bauen wir unser kleines Bergzelt auf, denn an ein Schlafen in „Manni“ ist natürlich nicht zu denken. Das mit dem Schlafen ist allerdings so eine Sache, denn jedes knackende Geräusch aus „Mannis“ Richtung, der wie eine drohende Prophezeiung nur wenige Meter vor unserem Zelt hängt, lässt uns hochfahren und angstvoll nach draußen blicken, um zu sehen, ob er noch steht oder so langsam umfällt.

Tag 2

Die Nacht dehnt sich endlos, wir wälzen uns unruhig in unserem kleinen Zelt hin und her. Schon im Morgengrauen sind wir auf den Beinen, die Nachtfeuchte ist gleich vergessen, wir schaufeln uns schnell warm. Nach und nach kommen immer mehr Männer und Burschen aus den umliegenden Dörfern, bewaffnet mit Hacken, Beilen und Schaufeln, denn unser Malheur hat sich schnell herumgesprochen, und da gibt es sicher ein wenig Geld zu verdienen.

Als erstes gilt es nun, „Manni“ aus seiner äußerst gefährlichen Schräglage zu befreien. Dies gelingt uns schließlich nach stundenlangem, beharrlichem Graben im morastigen Untergrund und unsere Erleichterung über diese neue Situation ist uns wahrlich anzumerken. Alsdann versuchen wir, Steine, Äste und Zweige unter die Reifen zu legen, um eine vernünftige Traktion zu erreichen. Dies erweist sich allerdings als enorm schwierig, da das eindringende Wasser jegliches erfolgreiche Schaufeln sehr rasch zunichtemacht und „Manni“ trotz des Einsatzes von Hebekissen immer tiefer in den feuchten Untergrund absinkt. Erste Befreiungsversuche enden schließlich wieder in einer besorgniserregenden Schräglage, der gesamte Unterboden liegt auf und das befreiende Schaufeln wir immer mühseliger.

Unter größter Anstrengung bringen wir „Manni“ wieder in die Horizontale, doch jegliche Versuche, aus den inzwischen metertiefen Fahrspuren herauszukommen, scheitern kläglich am sumpfigen Untergrund. Völlig erschöpft und ausgepowert beenden wir bei hereinbrechender Dunkelheit schließlich unsere Bemühungen und vertagen alles Weitere auf Morgen. Aber er steht Gott sei Dank wieder sicher!

Tag 3

Wir sind ausgeruht uns zuversichtlich, als eine milchige Sonne die Morgendämmerung zum Tag werden lässt. Die Nacht war wieder ungewöhnlich kalt und feucht, wir frösteln. Mopeds knattern über den Pfad, die ersten unserer inzwischen vertrauten Jungs trudeln ein, machen uns Mut. Im Team diskutieren und verabschieden wir einen Plan, denn sie haben so langsam erkannt, dass es nichts bringt, einfach mal ein wenig hier und ein wenig da zu schaufeln und ein paar Söckchen unter einen Zehntonner zu legen und dann schieben wir ihn schon raus. Endlich glauben sie mir, wenn ich eine Richtung vorgebe und setzen sie vor allem auch konsequent um. Zielstrebig schaffen wir eine nicht zu steile, sorgfältig mit passgenauen Steinen gepflasterte Ausfahrtsrampe.

Und dann wagen wir es! „Manni“ bekommt Traktion auf alle vier Reifen, sie krallen sich fest auf der Rampe, Meter für Meter ackert er sich vorwärts. Doch alles Anfeuern der Truppe hilft nichts, kurz vor dem Ziel, die Vorderreifen haben bereits festes Terrain erreicht, schmiert er hinten rechts ab und gräbt sich abermals bis zu den Differentialen in den schlammigen Morast und bleibt in unangenehmer Schräglage hängen. Es ist zu heulen!

Doch unsere Truppe ist heute unermüdlich. Sie sehen unsere Enttäuschung, sprechen uns wieder Mut zu, und machen sich sofort wieder an die Dreckarbeit. „Manni“ hängt mit dem gesamten Unterboden im Schlamm, die Jungs müssen praktisch mit dem Bauch im Morast liegend alles freischaufeln. Wieder werden Steine herangeschleppt, zerkleinert und passgenau zusammengefügt, werden Schlamm und Morast mit den Händen unter „Manni“ herausgegraben. Und dann ist es soweit…

„Manni“ zittert, als ich Gas gebe, alle Sperren sind zugeschaltet – mach schon, mach schon! Unter dem Jubel des ganzen Teams gräbt er sich buchstäblich nach oben, erreicht festen Untergrund, die Jungs umarmen sich, freuen sich für uns, mit uns. Unsere Freude, unsere Erschöpfung lässt uns wanken zwischen grenzenloser Erleichterung und absoluter Leere. Großzügig entlohnen wir unsere Helfer für ihren tollen Einsatz, leuchtende Augen und lachende Gesichter danken uns.

Wir sagen Danke!

 

Bei den Malinke

Hier oben in der Falaise de Tamboura, zwischen steilen Felsen und dichter Vegetation, verstecken sich viele kleine Dörfer, wie man sie in Afrika so häufig findet. Das besondere hier ist die Abgeschiedenheit, keine Straße verbindet die strohgedeckten Hütten, keine Fremden finden normalerweise den Weg hierher. Wir wagen es trotzdem, und wir stellen fest, „Manni“ kann auch auf mopedbreiten Pfaden durch die Botanik reiten, meistens jedenfalls.

Zwei der zahlreichen Dörfer besuchen wir intensiv. Zurückhaltend nähern wir uns den Menschen, doch das ist unnötig, Lachend winken sie uns zu, freuen sich, dass wir uns Zeit nehmen, anzuhalten und auszusteigen. Pausenlos tratschende Kinderscharen begleiten uns um die traditionellen Rundhütten, kunstvoll aus Lehm, Holz und Stroh zusammengesetzt. In den säuberlich gefegten Innenhöfen stampfen die Frauen Hirse mit langen Mörsern in hölzernen Bottichen, laufen gackernd Hühner umher, sitzen Kleinkinder mit breiverschmierten Mündern und großen Augen im Dreck. Viele fangen an zu heulen bei unserem Anblick, unsere Hautfarbe irritiert sie sehr. In den Hütten ist es dunkel und stickig, Rauchschwaden erschweren das Atmen. Zum Heizen wird lediglich ein dicker Ast auf den festgestampften Fußboden gelegt, in der Mitte angezündet, und der kokelt nun stundenlang vor sich hin. Ein Bett aus Bambus mit unendlich schmutzigen Decken, ein paar Stangen für die wenigen Habseligkeiten, das war es auch schon.

In der Mitte des Hofes brennt ein Feuer, in einem rußgeschwärzten Eisentopf brodelt eine undefinierbare Masse, Einladungen zum Mitessen können wir ablehnen. In einer Ecke wird soeben eine Ziege geschlachtet, es gilt, ein Neugeborenes zu feiern. Auf dem flachen Dach über der Ruhestätte trocknen Körner in der heißen Sonne, Kühe und Schafe laufen ungehindert umher. Mädchen balancieren schwere Wasserkanister elegant auf ihren Köpfen, der zentrale Dorfbrunnen versorgt die Menschen mit dem lebensspendenden Nass. Viele Frauen in bunten Gewändern sind unterwegs zum nahen Fluss, um Wäsche zu waschen oder auch in den Wald, um Holz zu sammeln.

Dorfmittelpunkt ist ein riesiger Mangobaum, unter dem sich der Versammlungsort befindet. Hier sitzt der Dorfchef mit einigen älteren Männern, sie beobachten das Treiben um sich herum und kauen in einer Tour auf leicht berauschenden Kolanüssen. Das Leben hier scheint sich auf den ersten Blick in den letzten paar hundert Jahren nicht wirklich verändert zu haben. Für uns ist es ein tolles Erlebnis, so fern moderner Einflüsse diese intakten Gemeinschaften erleben zu dürfen. Wir bleiben über Nacht am jeweiligen Dorfrand stehen. Sobald sich die Dunkelheit wie eine schützende Decke über die Hütten legt, wird es ruhig, erlischt das Leben. Kein Licht dringt durch die Finsternis, lediglich ein paar wenige Küchenfeuer glimmen noch. Erst im Morgengrauen wecken die Geräusche des Waldes und die Tiere des Dorfes die Menschen. Deren Herzlichkeit ist ansteckend, sie wollen, dass wir noch bleiben. Als wir uns schließlich verabschieden, werden wir mit fröhlichem Winken wieder auf unsere Weiterreise geschickt.

2014 – Start unserer „Trans-Afrika-Tour“.

Marokko, Westsahara, Mauretanien, Senegal, Gambia – und jetzt Mali. Seit acht Monaten sind wir nun wieder „on tour“, fünf davon in Afrika, in den oben genannten Ländern. Unser Lebensrhythmus ist ein anderer geworden, Sonnenaufgang und die hereinbrechende Nacht bestimmen den Rahmen. Auf den ursprünglichen Märkten feilschen wir um das rudimentäre Warenangebot, immer wieder muss ein möglichst schöner und auch sicherer Übernachtungsplatz ausgekundschaftet werden, wir dürfen es nicht versäumen, rechtzeitig bei sich bietenden Gelegenheiten unser Wasser aufzufüllen, Feuerholz für das abendliche Lagerfeuer mag gesammelt, Müll und Toiletteninhalt möglichst umweltschonend verbrannt, vergraben oder sonst wie entsorgt werden. Und so weiter…

Haben wir uns verändert? Sind wir „afrikanischer“ geworden? Wir denken schon. Wir sind absolut entspannt – stressfreies Leben ist gesund – nehmen uns unendlich Zeit für das Erleben, das Entdecken, das Genießen. Und für die Menschen. Unsere Begegnungen sind jedes Mal aufs Neue spannend, interessant, lehrreich, bunt. Wir nehmen fast jede Gelegenheit wahr, mit den Menschen in Kontakt zu kommen. Und sie könnten unterschiedlicher nicht sein – die gastfreundlichen Berber Marokkos, die unterdrückten Saharauis in der Westsahara, die verschlossenen Mauren Mauretaniens, die vielen unterschiedlichen, herzlichen Ethnien Senegals und Gambias. Und nun die Malinke und Mandingas im Westen Malis. Wir lernen ihr Leben kennen, in abgeschiedenen, archaisch anmutenden Lehmdörfern mit strohgedeckten Rundhütten, in der Wüste in offenen Zelten auf dicken Teppichen sitzend, unter Palmen am Atlantik in winzigen Bambusverschlägen. Wohin wir auch geraten, wo wir uns auch für die Nacht niederlassen, wir sind immer willkommen, fühlen uns immer sicher und wohl. Camps vermeiden wir, wir mögen sie nicht, diese Ghettoisierung mit anderen Europäern, auch wenn wir gerne mal andere Reisende unterwegs treffen. Doch das Abschotten vom Alltäglichen ist nicht unsere Art, unterwegs zu sein.

Schrecksekunden gab es trotzdem, und zwar dann, wenn wir wieder mal „Mannis“ Grenzen getestet haben. Haarsträubende Passabfahrten auf unterspülten Wegen in Marokko, aufregende Dünenüberfahrten und Weichsandfelder in Mauretanien, grundloser Sumpf in Mali. Doch bisher ist alles gut gegangen, bleibt das Abenteuer in positiver Erinnerung. Hoffentlich geht es auch in Zukunft so aus…

2014 geht nun so langsam seinem Ende zu, die Weihnachtszeit haben wir irgendwie nicht so richtig mitbekommen, mal sehen, wo wir das neue Jahr begrüßen werden. Wir sind schon sehr gespannt, wie unser 2015 werden wird, was es für uns bereithält. Denn planen lässt sich nichts auf einer solchen Lebensreise.

Wir wünschen Euch allen ein tolles 2015, auf dass auch Eure Träume wahr werden können – und nehmt nicht alles so tierisch ernst und wichtig. Ein bisschen „afrikanisch“ tut uns allen manchmal ganz gut…

 

Noch viel mehr Infos und Bilder findet Ihr wie immer unter „reiseberichte“ und dann „ tagebuch“ - click hier.

 

Liebe Grüße an Euch alle…

Conny & Tommy

Manni in der Sumpfwiese versenkt

Manni in der Sumpfwiese versenkt